VwGH 96/08/0288

VwGH96/08/028811.2.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol in Innsbruck, Schöpfstraße 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 4. September 1996, Zl. Vd-N-257/II/95/2, betreffend Tragung des Aufwandes für die Sondernotstandshilfe (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Tulfes), zu Recht erkannt:

Normen

AMPFG 1994 §6 Abs6 idF 1995/297;
FAG 1993 §2 Abs2 idF 1995/297;
AMPFG 1994 §6 Abs6 idF 1995/297;
FAG 1993 §2 Abs2 idF 1995/297;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

Mit Bescheid vom 2. April 1996 verpflichtete das Arbeitsmarktservice Innsbruck, Regionale Geschäftsstelle, die Gemeinde Tulfes gemäß § 6 Abs. 6 des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes (AMPFG), BGBl. Nr. 315/1994, und § 2 Abs. 2 des Finanzausgleichsgesetzes 1993 (FAG 1993), BGBl. Nr. 30/1993, jeweils "in geltender Fassung", dem Bund für den Abrechnungszeitraum 1. Mai 1995 bis 30. September 1995 ein Drittel der Kosten der Sondernotstandshilfe (Leistungsaufwand inklusive Sozialversicherungsbeitrag) fünf namentlich genannter Leistungsbezieher mit Wohnsitz in der Gemeinde Tulfes und somit einen (nach Leistungsbeziehern aufgeschlüsselten) Betrag in der Höhe von S 51.734,80 zu ersetzen. Begründend wurde - abgesehen von einer Wiedergabe des Inhaltes der angewandten Rechtsvorschriften - ausgeführt, die Regionale Geschäftsstelle habe im Abrechnungszeitraum an die im Spruch des Bescheides genannten Leistungsempfänger, die ihren Wohnsitz während des Leistungsbezuges in der Gemeinde Tulfes gehabt hätten, "Sondernotstandshilfe ausbezahlt".

Ihre Berufung gegen diesen Bescheid begründete die Gemeinde Tulfes wie folgt:

"Die Gemeinde Tulfes erachtet die Voraussetzungen für die Gewährung der Sondernotstandshilfe für die bezeichneten Leistungsbezieher nicht gegeben und bestreitet die Vorschreibungen zur Gänze.

In der Gemeinde Tulfes stand bzw. steht eine ausgebildete Tagesmutter im Rahmen der Organisation "Frauen im Brennpunkt" zur Betreuung von Kindern zur Verfügung. Obwohl damit die Möglichkeit zur Betreuung der Kinder gegeben gewesen wäre, wurde diese von den bezeichneten Leistungsempfängern nicht in Anspruch genommen. Keinesfalls trifft es daher zu, daß eine Beschäftigung deshalb nicht angenommen werden konnte, weil keine Unterbringungsmöglichkeit für das Kind bestand. Darüber hinaus hätten zumindest bei einem Teil der Leistungsempfänger die Eltern bzw. Großeltern zur Betreuung der Kinder herangezogen werden können."

Das Arbeitsmarktservice Tirol, Landesgeschäftsstelle, wies in einer Stellungnahme im Berufungsverfahren darauf hin, daß alle fünf Leistungsempfänger zu näher genannten Zeitpunkten vor dem 1. Mai 1995 mit dem Bezug begonnen gehabt hätten, und führte dazu aus:

"Alle obgenannten Notstandshilfe-Bezieherinnen haben daher ihren Bezug zu einem Zeitpunkt begonnen, zu dem die Sondernotstandshilfe-Verordnung, BGBl. 361/1995, noch nicht in Kraft gewesen ist. Die Behörde erster Instanz hatte daher auf Grund der damaligen Rechtslage die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 39 des AlVG zu prüfen.

Der berufungswerbenden Gemeinde kommt im Verfahren gemäß § 39 des AlVG Parteistellung nicht zu. Aus diesem Grund ist auch die Frage des Vorliegens einer geeigneten Unterkunft für die Kinder ausschließlich durch die Behörde erster Instanz zu klären. Der Gemeinde steht in diesem Zusammenhang ein Recht, an der Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes mitzuwirken, nicht zu."

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG im Zusammenhalt mit § 2 Abs. 2 FAG 1993 in der Fassung BGBl. Nr. 853/1995 und mit § 6 Abs. 6 AMPFG (in der Fassung) BGBl. Nr. 297/1995 in Verbindung mit § 3 Abs. 4 der Sondernotstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 361/1995, Folge. Sie hob den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos auf und begründete dies im wesentlichen wie folgt:

"Die Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales betreffend Richtlinien über die Abwicklung der Sondernotstandshilfe (Sondernotstandshilfeverordnung), BGBl. Nr. 361/1995, wurde am 31. Mai 1995 ausgegeben und rückwirkend mit 1. Mai 1995 in Geltung gesetzt.

Richtig ist daher, daß zum Zeitpunkt des erstmaligen Bezuges der Sondernotstandshilfe durch die vorgenannten Leistungsbezieherinnen die Sondernotstandshilfeverordnung noch nicht dem Rechtsbestand angehörte. Die Behörde erster Instanz (Regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Innsbruck) hatte daher auf Grund der damaligen Rechtslage die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 39 AlVG zu prüfen.

Wenn nun die Behörde erster Instanz die Rechtsansicht vertritt, daß sie bei laufenden Fällen - sogenannten Altfällen - nicht auf die geänderte Rechtslage durch das während des Leistungsbezuges in Geltungsetzen der Sondernotstandshilfeverordnung Bedacht zu nehmen hat, sohin also keine Gemeindebestätigung über das Nicht-/Vorliegen einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit einzuholen braucht, so hat sie in konsequenter Fortsetzung diesen durchaus zu vertretenden Grundsatz auch hinsichtlich der Drittelvorschreibung an die Gemeinde anzuwenden; dies deshalb, da zum Zeitpunkt der Zuerkennung der Sondernotstandshilfeleistung auch die diesbezüglichen Bestimmungen des Finanzausgleichsgesetzes (§ 2 Abs. 2 FAG 1993 in der Fassung BGBl. Nr. 853/1995) und des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes (§ 6 Abs. 6 AMPFG in der Fassung BGBl. Nr. 297/1995) ebenso noch NICHT dem Rechtsbestand angehörten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Auf das weitere Vorbringen der Berufungswerberin braucht daher nicht näher eingegangen zu werden, da der Berufung der Gemeinde Tulfes vollinhaltlich stattgegeben wurde."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten des Berufungsverfahrens vorgelegt und auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet. Eine Gegenschrift der mitbeteiligten Gemeinde langte nicht ein.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 2 FAG 1993 wurde durch Art. XXXII Z. 1 des Strukturanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 297/1995 (ausgegeben am 4. Mai 1995), im 2. Absatz wie folgt geändert:

"(2) Die Gemeinden ersetzen dem Bund ein Drittel der Kosten der Sondernotstandshilfe (Leistungsaufwand inklusive Sozialversicherungsbeitrag) gemäß § 39 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977, BGBl. Nr. 609/1977, jener Bezieher, die ihren Wohnsitz in der jeweiligen Gemeinde haben. Soweit sich Bestimmungen des Arbeitsmarktservicegesetzes, BGBl. Nr. 313/1994, insbesondere dessen § 41, § 42, § 58 und § 70, auf finanzielle Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz beziehen, gelten diese Bestimmungen auch für diese Kostenersätze durch die Gemeinden."

Nach § 24 Abs. 1 FAG 1993 in der Fassung BGBl. Nr. 297/1995 trat diese Fassung des § 2 FAG 1993 schon am 1. Jänner 1995 in Kraft.

In der Regierungsvorlage (134 BlgNR 19. GP, S. 87) wurde die Neufassung der Bestimmung wie folgt erläutert:

"Gemäß § 39 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 ist eine der Anspruchsvoraussetzungen auf Sondernotstandshilfe, daß die Mutter bzw. der Vater keine Beschäftigung annehmen kann, weil für das Kind erwiesenermaßen keine Unterbringungsmöglichkeit besteht. Die Beteiligung der Gemeinden an den Kosten der Sondernotstandshilfe bringt somit eine Verbindung zu deren Vorsorge für bedarfsorientierte Kinderbetreuungseinrichtungen."

Im AMPFG wurde durch das Strukturanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 297/1995, mit dessen Art. XXIII Z. 2 dem § 1 Abs. 1 die Erwähnung eines "Beitrag(es) der Gemeinden zur Sondernotstandshilfe ... gemäß § 6 Abs. 6" als Einnahmenart und mit Art. XXIII Z. 4 dem § 6 folgender Abs. 6 angefügt:

"(6) Die Gemeinden haben ein Drittel der Ausgaben für die Sondernotstandshilfe (Leistungsaufwand inklusive Sozialversicherungsbeitrag), die an Mütter und Väter in der jeweiligen Gemeinde ausbezahlt wird, zu tragen. Die Überweisung hat im nachhinein auf Grund der Vorschreibung des Arbeitsmarktservice binnen zwei Wochen zu erfolgen. Für die Abrechnung sind zwei Stichtage pro Jahr festzulegen. Wird die Vorschreibung von der Gemeinde bestritten, hat die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice einen Bescheid zu erlassen. Gegen diesen Bescheid kann die Gemeinde Berufung an den Landeshauptmann erheben. Dieser entscheidet endgültig. In diesem Verfahren kommt der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Parteistellung und das Recht der Beschwerde an den Verwaltungs- und den Verfassungsgerichtshof zu. Die näheren Regelungen über die Abwicklung der Vorschreibung und Überweisung hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales durch Verordnung festzulegen."

Dieser Absatz der Bestimmung trat mit 1. Mai 1995 in Kraft (§ 10 Abs. 2 AMPFG in der Fassung BGBl. Nr. 297/1995; der Einschub eines Satzes durch Art. 25 Z. 3 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, ist für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung).

In der Regierungsvorlage (134 BlgNR 19. GP, S. 80) wurden die Änderungen im § 1 und § 6 AMPFG - gemeinsam mit anderen Änderungen dieses Gesetzes - wie folgt erläutert:

"Durch diese Änderungen werden die erforderlichen finanziellen Regelungen betreffend ... und den Beitrag der Gemeinden zur Sondernotstandshilfe (Z. 2 und 4) getroffen."

Mit Art. XXII Z. 34 des Strukturanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 297/1995, wurde dem § 39 AlVG 1977, BGBl. Nr. 609/1977, folgender Abs. 5 angefügt:

"(5) Zur Frage, ob eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit vorliegt, ist der Regionalbeirat anzuhören. Trifft der Regionalbeirat keine einhellige Feststellung, so ist das Landesdirektorium anzuhören. Die Überprüfung der Unterbringungsmöglichkeit ist ab dem Jahr 1996 halbjährlich vorzunehmen."

Dieser Absatz der Bestimmung trat "für Ansprüche, deren Anfallstag nach dem 30. April 1995 liegt", mit 1. Mai 1995 in Kraft. Für die "übrigen Fälle" galt die Bestimmung in ihrer bisherigen Fassung weiter (§ 79 Abs. 19 AlVG 1977 in der Fassung BGBl. Nr. 297/1995). Für Verordnungen auf Grund des AlVG 1977 in der Fassung BGBl. Nr. 297/1995 wurde vorgesehen, sie könnten bereits von dem seiner Kundmachung folgenden Tag an erlassen werden, dürften aber erst mit Inkrafttreten der jeweiligen Gesetzesbestimmungen in Kraft treten (§ 79 Abs. 21 leg. cit.).

Die Änderung des § 39 Abs. 5 AlVG 1977 wurde in der Regierungsvorlage (134 BlgNR 19. GP, S. 79) wie folgt erläutert:

"Da die Sondernotstandshilfe nur gewährt wird, wenn für das Kind keine Betreuungsmöglichkeiten gegeben sind, wäre von den Gemeinden ein verstärktes Angebot an Kinderbetreuungsplätzen einzufordern sowie eine Beteiligung an den Ausgaben für die SNH vorzusehen (siehe dazu die Erläuterungen Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz Z. 2 und 6)."

Eine Erläuterung der jeweiligen Regelungen über das Inkrafttreten der dargestellten Gesetzesänderungen durch das Strukturanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 297/1995, enthielt die Regierungsvorlage nicht.

Mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales, BGBl. Nr. 361/1995 (Sondernotstandshilfeverordnung; ausgegeben am 31. Mai 1995), wurde "auf Grund des 1. § 6 Abs. 6 des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes ..., 2. § 39 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 ..., beide zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 297/1995," geregelt, was als Unterbringungsmöglichkeit für das Kind anzusehen sei (§ 1 der Verordnung), daß und in welcher Weise bei der Prüfung der Frage, ob eine Unterbringungsmöglichkeit bestehe, die Gemeinde mitzuwirken habe (§ 2) und wie bei der im § 6 Abs. 6 AMPFG vorgesehenen Abrechnung nach Stichtagen zu verfahren sei (§ 3); nach § 3 Abs. 4 haben die Gemeinden je ein Drittel der Kosten der Sondernotstandshilfe "für jene Monate zu erstatten, in denen die Leistungsbezieherin/der Leistungsbezieher am Ersten des Monates ihren/seinen Wohnsitz in der jeweiligen Gemeinde hatte". Nach § 4 hatte die Abrechnung erstmals mit 1. Juni 1995 mit Stichtag 31. März 1995 stattzufinden. Nach § 5 der Verordnung trat sie am 1. Mai 1995 in Kraft.

Mit Abschnitt I Z. 25 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 853/1995 (ausgegeben am 22. Dezember 1995) wurde das Inkrafttreten des § 2 FAG 1993 in der Fassung BGBl. Nr. 297/1995 in § 24 dieses Gesetzes wie folgt neu geregelt:

"(4) § 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 297/1995 tritt am 1. Mai 1995 in Kraft. Diejenigen Kostenanteile an der Sondernotstandshilfe, die von den Gemeinden für den Zeitraum 1. Jänner bis 30. April 1995 an den Bund entrichtet worden sind, sind den Gemeinden bis spätestens 30. Juni 1996 rückzuerstatten. Insoweit Bescheide über die Vorschreibung diesen Zeitraum betreffen, sind sie von Amts wegen zu beheben. Im Berufungsverfahren ist der Berufung betreffend die Kostenvorschreibung für diesen Zeitraum stattzugeben."

Im Bericht des Budgetausschusses zu dieser Änderung, die auf einen Initiativantrag zurückging, wurde dazu ausgeführt:

"Tragung des Aufwandes für die Sondernotstandshilfe:

Der Beitrag der Gemeinden zur Sondernotstandshilfe in Höhe eines Drittels ihrer Kosten ist Teil der - im Strukturanpassungsgesetz umgesetzten - Paketlösung über die finanzausgleichsrechtliche Tragung der Kosten des EU-Beitrittes. Das Inkrafttreten dieser Regelung soll nunmehr vom 1. Jänner 1995 auf den 1. Mai 1995 verlegt werden, sodaß die Gemeinden vom Kostenbeitrag für die Monate vor dem Inkrafttreten des Strukturanpassungsgesetzes entlastet werden."

Mit Art. 23 Z. 41 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, wurde § 39 Abs. 5 AlVG 1977 wie folgt geändert:

"(5) Dem Antrag auf Gewährung der Sondernotstandshilfe ist eine Bescheinigung der Hauptwohnsitzgemeinde über das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit für das Kind beizulegen. Die Hauptwohnsitzgemeinde ist im Hinblick auf den gemäß § 2 Abs. 2 des Finanzausgleichsgesetzes 1993, BGBl. Nr. 30/1993, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 853/1995, zu leistenden Kostenersatz an das Arbeitsmarktservice verpflichtet, eine solche Bescheinigung auszustellen. Sie ist dabei an die Sondernotstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 361/1995, in der jeweils geltenden Fassung, gebunden."

Diese Änderung trat - wie zahlreiche weitere Änderungen des AlVG 1977 durch das Strukturanpassungsgesetz 1996, darunter auch die des § 23 AlVG 1977 - gemäß § 79 Abs. 25 AlVG 1977 in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996 mit 1. Mai 1996 in Kraft. In bezug auf die Änderung des § 23 AlVG 1977 wurde dabei vorgesehen, die Bestimmung sei in ihrer geänderten Fassung "auf alle Fälle der Bevorschussung von Leistungen aus der Pensionsversicherung anzuwenden, die nach dem 30. April 1996 beim Pensionsversicherungsträger beantragt werden".

Die neuerliche Änderung des § 39 Abs. 5 AlVG und die Regelung ihres Inkrafttretens wurden in der Regierungsvorlage (72 BlgNR 20. GP, S. 237 f) wie folgt erläutert:

"Bei der Gewährung der Sondernotstandshilfe soll der nunmehrigen Kostenbeteiligung der Gemeinden verstärkt Rechnung getragen werden. So soll nunmehr nicht das Arbeitsmarktservice zu ermitteln haben, ob eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit für das Kind vorliegt, sondern dies hat die Gemeinde für das Arbeitsmarktservice verbindlich zu bescheinigen. Die Gemeinden sollen verpflichtet werden, eine solche Bescheinigung auszustellen. Dies soll die im Finanzausgleichsgesetz festgelegte Kostenbeteiligung der Gemeinden praktikabler und einfacher zu vollziehen machen. Bei der Ausstellung der Bescheinigung ist die Gemeinde jedoch an die Kriterien der Sondernotstandshilfeverordnung gebunden."

"Dem § 79 werden in den Abs. 24 bis 29 die entsprechenden Inkrafttretensbestimmungen angefügt."

Schließlich wurde mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales, BGBl. Nr. 264/1996, die Sondernotstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 361/1995, in mehreren Punkten geändert. Charakteristisch für die Neuregelung ist die Bezeichnung der von der Gemeinde auszustellenden Bescheinigung als "verbindlich" und die zusätzliche Anordnung, daß sich das Arbeitsmarktservice "in vollem Umfang auf die Bescheinigung der Gemeinde zu stützen" zu habe. Es habe "davon auszugehen, daß bei der Abgabe der Bescheinigung sämtliche Voraussetzungen für die Eignung der Unterbringungsmöglichkeit von der Gemeinde berücksichtigt wurden und daher eigene Beurteilungen nicht zu erfolgen haben". Das Bundesgesetzblatt mit dieser Verordnung, die keine Bestimmung über den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens enthielt, wurde am 18. Juni 1996 ausgegeben.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsentwicklung ist die belangte Behörde nicht etwa - wie die Beschwerdeführerin vermeint - davon ausgegangen, die Regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Innsbruck hätte nach dem 1. Mai 1995 die Rechtspflicht getroffen, das weitere Vorliegen der Anspruchsvoraussetzung einer fehlenden Unterbringungsmöglichkeit für das Kind hinsichtlich der schon im Bezug der Sondernotstandshilfe stehenden Leistungsempfängerinnen durch eine entsprechende Anfrage bei der Gemeinde Tulfes zu überprüfen. Zu dieser (in der Berufung nicht relevierten) Frage hat die belangte Behörde eher den gegenteiligen Standpunkt vertreten, eine klare Aussage dazu aber ebenso vermieden wie eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen, die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Bezug der Sondernotstandshilfe hätten jeweils (gemeint offenbar: von Anfang an) nicht vorgelegen. Die Frage der Richtigkeit und allfälligen Relevanz dieses Vorbringens wird im angefochtenen Bescheid ausdrücklich offen gelassen.

Der angefochtene Bescheid stützt die ersatzlose Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung nur auf den - nach Erlassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 853/1995 zur Gänze unstrittigen - Umstand, daß zu den jeweiligen (zwischen dem 11. Juni 1994 und dem 11. Februar 1995 gelegenen) Zeitpunkten des Beginns der Gewährung der Sondernotstandshilfe die Bestimmungen über die anteilige Tragung der Ausgaben für die Sondernotstandshilfe durch die jeweilige Wohnsitzgemeinde noch nicht dem Rechtsbestand angehörten. Eine Auseinandersetzung mit dem "weiteren" Berufungsvorbringen soll sich auf Grund dieses Umstandes erübrigen.

Mit dieser rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes wird die belangte Behörde dem Inhalt der von ihr angewandten Vorschriften und der Bestimmungen über deren Inkrafttreten nicht gerecht. Angesichts der Zeitraumbezogenheit der strittigen Abrechnung würde der Rechtsstandpunkt der belangten Behörde nämlich voraussetzen, das Inkrafttreten der Verpflichtung der Gemeinden, dem Bund ein Drittel der "Kosten der Sondernotstandshilfe" zu "ersetzen" (§ 2 Abs. 2 FAG 1993 in der Fassung BGBl. Nr. 297/1995) bzw. ein Drittel der "Ausgaben für die Sondernotstandshilfe ..., die ... ausbezahlt wird, zu tragen" (§ 6 Abs. 6 AMPFG in der Fassung BGBl. Nr. 297/1995), wirke sich in bezug auf den Zeitraum ab dem 1. Mai 1995, dem Tag des Inkrafttretens der diesbezüglichen Bestimmungen, nur auf solche Fälle aus, in denen die Sondernotstandshilfe nicht auch schon vor dem 1. Mai 1995 ausbezahlt wurde. Eine solche Einschränkung ist den erwähnten Rechtsvorschriften und den oben wiedergegebenen Bestimmungen über ihr Inkrafttreten, aber auch der Sondernotstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 361/1995, nicht entnehmbar (vgl. im Gegensatz dazu anders etwa § 79 Abs. 19 AlVG hinsichtlich § 39 Abs. 5 AlVG, jeweils in der Fassung BGBl. Nr. 297/1995). Die ersatzlose Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides aus dem von der belangten Behörde herangezogenen Grund widerspricht daher dem Gesetz.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Hinsichtlich der bei der Entscheidungsfindung im fortgesetzten Berufungsverfahren zu beurteilenden Frage nach der Relevanz des oben dargestellten Berufungsvorbringens wird auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 97/08/0014, hingewiesen.

Der Ausspruch über das Unterbleiben eines Kostenersatzes gründet sich auf § 59 Abs. 1 VwGG. Die obsiegende Beschwerdeführerin hat keinen Aufwandersatz beantragt.

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