VwGH 96/08/0272

VwGH96/08/027211.2.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des R in S, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in O, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Burgenland vom 22. August 1996, Zl. LGS-IV/1241-2/1996, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §12 Abs6 litc idF 1993/817;
AlVG 1977 §12 Abs9 idF 1993/817;
AlVG 1977 §12 Abs6 litc idF 1993/817;
AlVG 1977 §12 Abs9 idF 1993/817;

 

Spruch:

Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Arbeitslosengeldbezug des Beschwerdeführers vom 10. Februar 1994 bis 7. September 1994 und seinen Notstandshilfebezug für die Zeit vom 9. September 1994 bis 30. September 1994 sowie vom 14. November bis 31. Dezember 1994 widerrufen und ihn zum Rückersatz der sich aus dem Widerruf ergebenden unberechtigt empfangenen Leistung in der Gesamthöhe von S 126.518,-- verpflichtet.

Nach der Begründung dieses Bescheides habe der Beschwerdeführer in den Anträgen auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe stets die Frage nach einer selbständigen Erwerbstätigkeit mit "nein" beantwortet. Im nachhinein habe sich herausgestellt, daß er Gesellschafter und Geschäftsführer bzw. nach dem 8. September 1994 Liquidator einer näher bezeichneten Gesellschaft sei. Er habe dazu angegeben, alle Tätigkeiten dieser Gesellschaft unentgeltlich erledigt zu haben. Der Umsatz der Gesellschaft habe im Jahre 1994 ca. S 2 Mio betragen.

Nach dem Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1994 habe die Gesellschaft einen Umsatz in der Höhe von rund S 3,1 Mio im Jahre 1994 erzielt. Gemäß den Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes sei der Umsatz auf die Anteile der Gesellschafter aliquot umzulegen. Da der Beschwerdeführer mit 2/5 an der Gesellschaft beteiligt sei, ergebe sich ein "aliquoter Umsatz" für ihn in der Höhe von rund S 1,2 Mio. Davon seien 11,1 % heranzuziehen, dies seien S 137.721,44 bzw. monatlich S 11.476,78. Dieser Betrag übersteige die im Jahre 1994 geltende Geringfügigkeitsgrenze von S 3.288,--. Arbeitslosigkeit sei daher in den maßgebenden Zeiträumen nicht vorgelegen. In den weiteren Ausführungen begründet die belangte Behörde eingehend, aus welchen Gründen sie der Auffassung ist, daß der Beschwerdeführer als Liquidator und Gesellschafter der Gesellschaft selbständig erwerbstätig sei. Im Hinblick darauf, daß er diese Tätigkeit verschwiegen habe, sei auch die Rückforderung gerechtfertigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich in seiner Beschwerde im wesentlichen gegen den Widerruf seines Leistungsbezuges mit der Begründung, die Behandlung des Umsatzes der Ges.m.b.H. als Umsatz der Gesellschafter sei rechtlich verfehlt.

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld und Notstandshilfe ist - wie auch andere Ansprüche auf nach Zeitabschnitten bemessene, wiederkehrende Geldleistungen - grundsätzlich zeitraumbezogen zu beurteilen (vgl. dazu u.a. das Erkenntnis vom 25. Oktober 1994, 93/08/0033). Dies bedeutet - fallbezogen -, daß die Frage, ob während des Arbeitslosengeldbezuges Einkünfte erzielt wurden, die der Annahme der Arbeitslosigkeit entgegenstehen, nach der in diesen Zeiträumen geltenden Rechtslage zu beurteilen ist.

Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.

Gemäß § 12 Abs. 3 lit. b AlVG ist nicht arbeitslos, wer selbständig erwerbstätig ist.

Gemäß § 12 Abs. 6 lit. c AlVG in der Fassung der am 1. Jänner 1994 in Kraft getretenen Novelle BGBl. Nr. 817/1993 gilt jedoch als arbeitslos, wer selbständig erwerbstätig ist und im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit einen Umsatz erzielt, von dem 11,1 % die in § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt.

Gemäß § 12 Abs. 9 AlVG in der Fassung dieser Novelle wird der Umsatz gemäß § 12 Abs. 6 lit. c AlVG aufgrund des Umsatzsteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem Arbeitslosengeld bezogen wird, festgestellt. Als monatlicher Umsatz gilt bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit ein Zwölftel des sich ergebenden Jahresumsatzes, bei nur vorübergehender selbständiger Erwerbstätigkeit der anteilsmäßige Umsatz in den Monaten, in denen selbständige Erwerbstätigkeit vorlag.

Die Anknüpfung des § 12 Abs. 9 AlVG am Umsatzsteuerbescheid bedeutet, daß der Bezieher von Arbeitslosengeld und jene Person ident sein müssen, die als Unternehmer Adressat des Umsatzsteuerbescheides ist. Dies ist nach den Feststellungen der belangten Behörde jedoch die Ges.m.b.H. und nicht der Beschwerdeführer. Eine Rechtsgrundlage dafür, die Umsätze der Ges.m.b.H. für Zwecke der Arbeitslosenversicherung ihrem Geschäftsführer (bzw. einem Gesellschafter) zuzurechnen, läßt sich dem Arbeitslosenversicherungsgesetz nicht entnehmen.

Da sich schon aus diesem Grund der Widerruf der Leistungsbezüge des Beschwerdeführers auf dem Boden der Feststellungen der belangten Behörde als rechtswidrig erweist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf die Frage einer allfälligen Rückforderung einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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