VwGH 96/03/0353

VwGH96/03/03535.11.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde der Österreichischen Bundesbahnen, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien I, Singerstraße 17-19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 12. Juni 1996, Zl. KUVS-K1-72/5/96, betreffend Abrechnung des Jagdpachtzinses 1994, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
EisenbahnG 1957 §10;
EisenbahnG 1957 §11;
JagdG Krnt 1978 §15;
AVG §38;
EisenbahnG 1957 §10;
EisenbahnG 1957 §11;
JagdG Krnt 1978 §15;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat den Österreichischen Bundesbahnen Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Bescheid der Erstbehörde bestätigt, mit dem die gemäß § 35 des Kärntner Jagdgesetzes 1978 (im folgenden mit "JG" bezeichnet) erhobene Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen die von der Stadtgemeinde Bad St. Leonhard für das Jahr 1994 erstellte Abrechnung des Jagdpachtzinses abgewiesen wurde.

2. Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid im wesentlichen wie folgt:

Gemäß § 35 Abs. 1 JG habe der Bürgermeister am Schluß jedes Jagdjahres eine Abrechnung zu erstellen. Nach § 35 Abs. 2 leg. cit. seien der Pachtzins und allfällige sonstige Erträge nach Abzug eines Verwaltungskostenbeitrages für die Gemeinde in der Höhe von 5 v.H. des Pachtzinses auf die Eigentümer der das Gemeindejagdgebiet bildenden Grundstücke nach dem Flächenausmaß aufzuteilen, wobei jene Grundstücke außer Betracht zu bleiben hätten, auf denen die Jagd ruhe oder die jagdlich nicht nutzbar seien. Der zur Deckung eines Abganges erforderliche Betrag sei vom Bürgermeister in gleicher Weise wie der Pachtzins auf die einzelnen Grundeigentümer aufzuteilen. Gemäß § 35 Abs. 3 JG habe der Bürgermeister innerhalb von zwei Monaten nach Abschluß des Jagdjahres die Abrechnungen und ein Verzeichnis der auf die einzelnen Grundeigentümer nach § 35 Abs. 2 leg. cit. entfallenden Beträge durch zwei Wochen im Gemeindeamt zur Einsicht aufzulegen. Dies sei mit dem Beifügen kundzumachen, daß Beschwerden gegen die Abrechnung oder gegen die Feststellung der Anteile innerhalb von zwei Wochen (vom Tag der Kundmachung gerechnet) beim Bürgermeister schriftlich einzubringen seien. Die Beschwerden seien vom Bürgermeister der Bezirksverwaltungsbehörde zur Entscheidung vorzulegen.

Gemäß § 15 JG ruhe die Jagd u.a. auch auf öffentlichen Anlagen; unter diesen Begriff fielen nach Anderluh-Havranek, Kärntner Jagdrecht, 3. Auflage, Klagenfurt 1992, S 24, Anm. 6 zu § 15, auch "öffentliche Verkehrsanlagen, wie Straßen, Eisenbahn, u.ä.". Nach § 10 des Eisenbahngesetzes 1957 gälten als Eisenbahnanlagen Bauten, ortsfeste eisenbahntechnische Einrichtungen und Grundstücke einer Eisenbahn, die ganz oder teilweise, unmittelbar oder mittelbar der Abwicklung oder Sicherung des Eisenbahnbetriebs oder Eisenbahnverkehrs dienten. Ein räumlicher Zusammenhang mit der Fahrbahn sei nicht erforderlich. Gemäß § 2 des Gesetzes vom 19. Mai 1874, RGBl. Nr. 70, (Eisenbahnbuch-Anlegungsgesetz) seien "in das Eisenbahnbuch alle im Besitz der Eisenbahnunternehmung stehenden Grundstücke einzutragen, welche zum Betrieb der Eisenbahn zu dienen haben (Eisenbahngrundstücke)".

Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin seien alle von ihr näher bezeichneten Grundstücke im Eisenbahnbuch eingetragen. Weiters sei von der Beschwerdeführerin außer Streit gestellt worden, daß "jedes der angeführten Grundstücke zumindest teilweise der Abwicklung oder Sicherung des Eisenbahnbetriebes" diene. Liege nun aber eine Eisenbahnanlage im Sinn des § 10 des Eisenbahngesetzes vor, so handle es sich bei den Teilgrundflächen, für die die Beschwerdeführerin einen Pachtzins begehre, somit jeweils um Teile einer Eisenbahnanlage (Teile eines Eisenbahngrundstückes). Ein Eisenbahngrundstück als Eisenbahnanlage sei aber nach Auffassung der belangten Behörde als öffentliche Anlage im Sinn des § 15 Abs. 1 JG anzusehen.

Gegen die Auffassung der Beschwerdeführerin, daß als öffentliche Anlage im Sinn des § 15 Abs. 1 JG nur jene Flächen eines Eisenbahngrundstückes zu zählen wären, welche die unmittelbare Eisenbahnanlage bildeten (Bahnkörper mit Gleisanlagen, Standorte von Fahrleistungsmasten und sonstige bauliche Anlagen, wie Stellwerks- und Bahnhofsgebäude etc.), sei zudem die Bestimmung des § 7 Abs. 2 JG ins Treffen zu führen; diese Bestimmung laute:

"Wege, Eisenbahngrundstücke, fließende und stehende Gewässer und ähnliche Grundflächen, die nach Umfang oder Gestalt für sich allein einen geordneten Jagdbetrieb nicht gestatten, bilden kein selbständiges Jagdgebiet; sie unterbrechen durch ihre Breite den Zusammenhang eines Jagdgebietes nicht; sie stellen durch ihre Länge den Zusammenhang eines Jagdgebietes (Abs. 1) zwischen getrennt liegenden Grundstücken nicht her. Werden diese Grundflächen nicht von einem Jagdgebiet umschlossen, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde unter Bedachtnahme auf das räumliche Naheverhältnis festzustellen, welchem Jagdausübungsberechtigten auf diesen Grundflächen das Recht nach § 15 Abs. 5 zusteht."

Nach § 15 Abs. 5 JG stehe dem Jagdausübungsberechtigten die Befugnis zu, sich das Wild, das sich auf den in Abs. 1 und Abs. 2 des § 15 leg. cit. bezeichneten Grundstücken, auf denen kraft Gesetzes die Jagd ruhe, gefangen habe oder dort verendet sei, sowie die dort etwa aufgefundenen Abwurfstangen und Eier des Federwildes anzueignen. Daraus ergebe sich, daß nach der Absicht des Gesetzgebers Eisenbahngrundstücke als öffentliche Anlagen im Sinn des § 15 Abs. 1 JG zu qualifizieren seien. Dafür, daß der Gesetzgeber den Begriff "Eisenbahngrundstück" nicht analog dem Eisenbahngesetz 1957 verstanden hätte, finde sich nämlich kein Hinweis.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser hat mit Beschluß vom 30. September 1996, B 2577/96, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren machte die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragte die Aufhebung des Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in der Anwendung des § 15 Abs. 1 JG (unter Heranziehung des § 10 des Eisenbahngesetzes) iVm § 35 JG durch die belangte Behörde in ihren gesetzlichen Rechten dadurch verletzt, als die in ihrer Beschwerde angeführten Flächen bei der Abrechnung des Pachtzinses für das Jahr 1994 zu Unrecht außer Betracht geblieben seien.

Begründend führt die Beschwerdeführerin - zusammengefaßt - aus, daß die Bestimmung des § 15 JG, wonach die Jagd auf "öffentlichen Anlagen", sohin auch "Eisenbahnanlagen" ruhe, entgegen der belangten Behörde nicht in dem Sinn verstanden werden könne, daß der Begriffsbestimmung "Eisenbahnanlagen" ein weitergehender Inhalt zugeordnet werde, als sich dies aus der speziellen Regelung des § 10 des Eisenbahngesetzes 1957 ergebe.

Es könne aus dem Umstand, daß ein Grundstück im Eisenbahnbuch eingetragen sei, nicht von vornherein darauf geschlossen werden, daß aus der bloßen Nutzungsbezeichnung im Eisenbahnbuch als Eisenbahngrundstück ohne weitere Prüfung zu Unrecht der Ausnahmetatbestand "öffentliche Anlage" im Sinne des § 15 Abs. 1 JG abgeleitet werde. Die belangte Behörde hätte bei der Auslegung des Begriffes "öffentliche Anlage" gemäß § 15 Abs. 1 JG vielmehr darauf abzustellen gehabt, ob die Jagdausübung tatsächlich hindernde Verhältnisse vorlägen.

Die Beschwerdeführerin führt in diesem Zusammenhang näher aus, daß es dem Eisenbahnbuch eigentümlich sei, daß die in der für die Eisenbahn errichteten Eisenbahnbucheinlage eingetragenen Grundstücke in arithmetischer Reihenfolge bezeichnet würden und in jeder Katastralgemeinde in der Regel nur wenige, dafür aber großflächige Grundstücke bestünden. Unter Bedachtnahme auf den Umstand, daß die vorliegend maßgebliche Bahnstrecke nur eingleisig sei und im Bereich der Gemeinde Bad St. Leonhard lediglich eine Streckenlänge von 4 km messe, weise der eingleisige Bahnkörper durchschnittlich eine Breite von nur 6 m auf, während die Gesamtfläche der in der Gemeinde Bad St. Leonhard gelegenen Eisenbahngrundstücke

139.359 m2 betrage. Schon allein aus der Gegenüberstellung des Gesamtflächenausmaßes zum Umfang der eingleisigen Strecke inmitten der freien Landschaft lasse sich unschwer ableiten, daß der weit überwiegende Anteil der vom Antrag erfaßten Grundflächen nicht unter dem Begriff einer Eisenbahnanlage als Teil der öffentlichen Anlage gemäß § 15 JG subsumiert werden könne. Auch lasse nach der Rechtsprechung der Höchstgerichte die Eintragung eines Grundstückes im Eisenbahnbuch noch nicht erschließen, daß dieses Grundstück ganz oder teilweise, mittelbar oder unmittelbar der Abwicklung oder Sicherung des Eisenbahnbetriebes oder Eisenbahnverkehrs diene (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. September 1969, Zl. 1863/68). Darüber hinaus würden die Begriffe "Abwicklung und Sicherung" im § 10 des Eisenbahngesetzes 1957 in dem Sinne verstanden, daß sie unzweideutig auf Einrichtungen hinwiesen, die mit dem Eisenbahnbetrieb oder dem Eisenbahnverkehr in einem solchen Zusammenhang stünden, daß ohne diese ein geordneter Eisenbahnbetrieb oder Eisenbahnverkehr nicht möglich sei. Es seien daher auch nicht alle Gebäude der Österreichischen Bundesbahnen Eisenbahnanlagen im Sinne des Eisenbahngesetzes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Slg. Nr. 6123 A/1963).

Der Verweis auf § 7 JG im angefochtenen Bescheid gehe fehl, weil die Zugehörigkeit der von der Antragstellung erfaßten Grundflächen der Beschwerdeführerin zum Gemeindejagdgebiet der Gemeinde Bad St. Leonhard nicht in Frage stehe.

2. Die Beschwerde ist im Ergebnis im Recht.

Unbestritten ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, daß eine Eisenbahnanlage im Sinn des § 10 des Eisenbahngesetzes 1957, BGBl. Nr. 60, eine öffentliche Anlage im Sinn des § 15 JG darstellt. Der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen diese Beurteilung keinen Einwand.

Nach § 10 des Eisenbahngesetzes 1957 sind Eisenbahnanlagen "Bauten, ortsfeste eisenbahntechnische Einrichtungen und Grundstücke einer Eisenbahn, die ganz oder teilweise, unmittelbar oder mittelbar der Abwicklung oder Sicherung des Eisenbahnbetriebes oder Eisenbahnverkehrs dienen. Ein räumlicher Zusammenhang mit der Fahrbahn ist nicht erforderlich.".

Nach § 11 des Eisenbahngesetzes 1957 ist (u.a.) dann, wenn die Entscheidung eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde von der Klärung der Vorfrage abhängt, ob eine Anlage als Eisenbahnanlage zu gelten hat, vorher die Entscheidung des "Bundesministeriums für Verkehr" (jetzt: Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr) einzuholen (§ 11 lit. d leg. cit.).

Da die Klärung, ob die in Rede stehenden Eisenbahngründstücke als Eisenbahnanlage einzustufen sind, eine Vorfrage für die Auslegung des Begriffes "öffentliche Anlage" nach § 15 JG darstellt, hätte die belangte Behörde nach § 11 lit. d des Eisenbahngesetzes 1957 über die Frage, ob diese Eisenbahngrundstücke als Eisenbahnanlage zu gelten haben, jedenfalls eine Entscheidung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr einzuholen gehabt. Da dies im vorliegenden Fall unterblieben ist, hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt und den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet.

3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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