VwGH 96/01/0947

VwGH96/01/09473.12.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Henry Ozuzu in Tulln, geboren am 4. August 1972, vertreten durch Dr. Johannes Mayrhofer, Rechtsanwalt in Wien I, Opernring 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. November 1995, Zl. 4.339.015/14-III/13/95, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, der am 3. Dezember 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 13. Juli 1992, mit dem gemäß dem Asylgesetz (1968) festgestellt worden war, daß er nicht Flüchtling sei, mit Berufung bekämpft.

Mit Bescheid vom 21. September 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Dieser Bescheid wurde auf Grund einer dagegen erhobenen Beschwerde mit hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/19/1130, wegen irrtümlicher Anwendung des Asylgesetzes 1991 aufgehoben.

Die belangte Behörde wies mit Bescheid vom 25. November 1995 die Berufung neuerlich ab und stellte fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 27. Mai 1992 angegeben, er habe in seinem Heimatland keine "politischen Probleme" - er sei "diesbezüglich" auch nie aktiv gewesen -, wohl aber "religiöse Probleme" gehabt. Er sei - mit seiner Frau - in Kano als Sekretär der christlichen Vereinigung in Nigeria beschäftigt gewesen und habe als Organisator einer für den 14. Oktober 1991 vorgesehenen Prozession diese Veranstaltung bei der Behörde gemeldet. Zu diesem Anlaß sei ein hoher deutscher Priester eingeladen worden. Bei der Prozession sei es zu Ausschreitungen gekommen, weil Moslems mit der Begründung, daß Kano eine moslemische Stadt sei und Christen dort nichts zu suchen hätten, diese angegriffen und viele von ihnen getötet oder verletzt hätten. Die ursprünglich erteilte behördliche Genehmigung für die Veranstaltung sei - weil die Beamten dieser Behörde alle Moslems seien - wieder zurückgezogen worden; da diese aber schon geplant gewesen sei, habe sie nicht mehr abgesagt werden können und sei durchgeführt worden. Der Beschwerdeführer habe in der Folge erfahren, daß die Moslems alle ihnen namentlich bekannten Veranstaltungsteilnehmer und Organisatoren umbringen wollten. Da den Moslems auf Grund der behördlichen Anmeldung der Veranstaltung durch den Beschwerdeführer sein Name bekannt gewesen sei, habe er Angst bekommen und sei aus diesem Grunde geflüchtet.

In seiner Berufung bekräftigte der Beschwerdeführer - unter Beibringung von die Unruhen beschreibenden Zeitungsausschnitten und einer Bestätigung seiner Kirche über seine Teilnahme an der Planung der Veranstaltung sowie das Aufscheinen seines Namens auf einer "Todesliste" der Moslems - sein Vorbringen vor der Behörde erster Instanz und machte geltend, er sei Pastor und Sekretär der "Liberation Gospel Ministry" Kirche, die zur "Christian Association of Nigeria" gehöre. Bei der von ihm angeführten Veranstaltung habe es sich um die Kreuzzugkampagne für Kano-State, die fünf Tage dauern hätte sollen, gehandelt. Im Zuge der Gewalttätigkeiten seien auch christliche Wohnhäuser und Geschäfte zerstört und in Brand gesteckt worden. Auch das Haus, in dem der Beschwerdeführer gewohnt habe, sei abgebrannt. Daß das Haus des Beschwerdeführers angezündet worden sei, sei darauf zurückzuführen, daß die Moslems die Namen der Veranstalter von der Behörde, bei der die Veranstaltung angemeldet worden sei, erhalten hätten; keiner dieser Veranstalter sei von diesem Rachefeldzug verschont geblieben. Der Beschwerdeführer habe sich als Pastor, Sekretär und Mitorganisator dieser Veranstaltung in einer sehr exponierten Position befunden, wobei sein Name auf Grund seiner Unterschrift, die er bei der Anmeldung der Veranstaltung geleistet habe, den Behörden bekannt gewesen sei. Da sowohl die Regierung als auch die Polizei im Heimatland des Beschwerdeführers von Moslems dominiert würden, habe er sich nicht unter den Schutz der Behörden stellen können.

Der Auffassung der belangten Behörde, die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Übergriffe von Moslems könnten nur Einzelpersonen zugerechnet und nicht als vom Staat initiierte oder geduldete Verfolgung angesehen werden, ist zunächst entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsverfahren betont hat, er habe sich mit Rücksicht auf die moslemische Dominanz in Regierung und Polizei nicht unter den Schutz der Behörden stellen können. Dieses ihrer dargestellten Auffassung entgegenstehende Argument hat die belangte Behörde nicht durch auf entsprechenden Ermittlungen beruhende Feststellungen entkräftet.

Die belangte Behörde hat aber aus dem Umstand, daß im Süden Nigerias die Mehrheit der Bevölkerung christlich sei, den Schluß gezogen, daß es dem Beschwerdeführer möglich gewesen wäre, sich dorthin zu begeben, sodaß ihm eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung gestanden sei. Zu dieser Argumentation hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer kein Parteiengehör gewährt, sodaß es ihm - ohne gegen das gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot zu verstoßen - offen gestanden wäre, in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde ein entsprechendes Tatsachenvorbringen zu erstatten. Von dieser Möglichkeit hat der Beschwerdeführer aber nur insoweit Gebrauch gemacht, als er in der Beschwerde lediglich vorgebracht hat, eine derartige Rückkehrmöglichkeit sei aus dem Beweisverfahren nicht ableitbar, sodaß eine derartige Behauptung im angefochtenen Bescheid jeglicher Grundlage entbehre. Damit gelingt es dem Beschwerdeführer aber mangels entsprechender Konkretisierung seines Vorbringens nicht, die Richtigkeit des von der belangten Behörde gezogenen Schlusses in Zweifel zu ziehen. So kann weder dem in der Beschwerde wiederholten Hinweis, daß der Staat Nigeria nicht gewillt sei, die von seiten der Moslems ausgehende Verfolgung hintanzuhalten, noch dem sonstigen Beschwerdevorbringen entnommen werden, daß der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in den christlich dominierten Süden seines Heimatlandes - letzteren Umstand bestreitet der Beschwerdeführer nicht - nicht vor Verfolgung sicher gewesen oder daß ihm eine solche Rückkehr unmöglich gewesen wäre.

Soweit der Beschwerdeführer eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens in einer Verletzung der in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 normierten Verpflichtung zur Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens erblickt, ist ihm entgegenzuhalten, daß diese Bestimmung in dem dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Verfahren nicht anzuwenden war, weil - entsprechend dem hg. Vorerkenntnis vom 15. Dezember 1994 - die belangte Behörde verpflichtet war, im fortgesetzten Verfahren ihrer Entscheidung das Asylgesetz (1968) zugrunde zu legen. Im übrigen kommt dem Vorwurf der Verletzung der Ermittlungspflicht im Hinblick auf das Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative keine Relevanz zu.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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