VwGH 95/20/0644

VwGH95/20/064419.6.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des M in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Juni 1995, Zl. 4.326.652/11-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste am 5. November 1991 in das Bundesgebiet ein und stellte am darauf folgenden Tag bei der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg einen Asylantrag, den er mit politischen Schwierigkeiten in seinem Heimatland infolge Tötung einer Person bei einem Verkehrsunfall begründete. Anläßlich seiner am 13. November 1991 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich durchgeführten niederschriftlichen Befragung gab er seine Fluchtgründe wie folgt an:

"Ich gehöre in meiner Heimat keiner politischen oder militärischen Organisation an. Meine Religion durfte ich frei ausüben.

Im Zuge meiner Tätigkeit als Lastwagenfahrer hatte ich Ende März dieses Jahres einen Verkehrsunfall zwischen Teheran und Saveh. Dabei wurde eine Person getötet. Es war dies ein Revolutionswächter. Daraufhin wurde ich in Teheran ohne Verurteilung drei Monate lang inhaftiert. Ende Juni konnte mich ein Onkel von mir auslösen. Seit der Haftentlassung bis zu meiner Flucht wurde ich ständig von Revolutionswächtern insofern bedroht, daß man mir androhte, daß man auch mich zusammenführen werde. Da ich diesen nervlichen Druck nicht mehr ausgehalten habe, habe ich mich entschlossen, meine Heimat zu verlassen."

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich stellte mit Bescheid vom 9. Dezember 1991 fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei. Die formularmäßige Begründung dieses Bescheides enthielt keine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers.

In seiner fristgerecht erhobenen Berufung stellte der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe wie folgt dar:

"Ich war Lastwagenchauffeur im Iran und stieß am 28. September 1991 zwischen Teheran und Savey mit einem PKW zusammen, dessen beide Insassen bei dem Unfall getötet wurden. Die Angehörigen der Unfallopfer brachten mich vor Gericht, und ich wurde zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt. Nach 3 Monaten Haft bezahlte ich 10,000.000,-- Rial Lösegeld und wurde freigelassen. Aus Angst vor der Rache der Angehörigen der Unfallopfer, die Anhänger von Khomeini sind, flüchtete ich über die Türkei, Rumänien, Ungarn nach Österreich."

Diese Berufung wurde mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 29. April 1994 abgewiesen, welcher vom Verwaltungsgerichtshof aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde mit Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, Zl. 94/20/0562 (infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94) aufgehoben wurde.

Die belangte Behörde räumte dem Beschwerdeführer im fortgesetzten Verfahren die Möglichkeit ein, einfache Verfahrensmängel und daraus etwa folgende Sachverhaltsfeststellungen zu relevieren, worauf der Beschwerdeführer folgende - mit dem Vorbringen in seiner ersten an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde gleichlautende - Berufungsergänzung erstattete:

"Ich habe bei der Begründung meiner Flucht von vornherein darauf hingewiesen, daß die Motivation meiner Flucht ausschließlich in politischen Motiven gelegen ist. Die besondere Brisanz des Falles liegt zweifellos darin, daß bei dem besagten Verkehrsunfall, an dem ich beteiligt war, zwei Personen zu Tode gekommen sind, die den sogenannten "Revolutionswächtern" angehört haben. Die Gruppe der "Revolutionswächter" ist eine paramilitärische Gruppe, welche nach wie vor in hohem Maße politischen Einfluß auf die Regierung des iranischen Staates hat. Deshalb sind Repressalien, welche diese "Revolutionswächter" gegenüber anderen ausüben, unmittelbar der Regierung des iranischen Staates zuzuordnen, da diese Repressionen letztendlich auch von der Staatsführung mitgetragen werden. Im besonderen ist in meinem Fall auch zu bedenken, daß ich bereits vor einigen Jahren wegen meiner Anhängerschaft zum Schah-Regime vorübergehend inhaftiert war. Diese Tatsache ist aktenkundig, und es wurde mir daher im Zuge meines Verkehrsunfalles vorgeworfen, daß ich als Anhänger des Schah-Regimes vorsätzlich den gegenständichen Unfall herbeigeführt hätte, um zwei "Revolutionswächter" zu töten. Dies war auch der Grund, warum ich während meiner 3-monatigen Haft nach dem Verkehrsunfall von Angehörigen der "Revolutionswächter" damit bedroht wurde, daß ich auf die gleiche Art und Weise zu Tode kommen würde. Diese Drohung der "Revolutionswächter" ist zweifellos als ernst anzusehen. Würde ich tatsächlich in meine Heimat zurückkehren, müßte ich jederzeit mit einem Anschlag auf meine Person rechnen. Meine begründete Furcht vor Verfolgung in meinem Heimatland ist daher zweifellos gegeben.

Die von mir befürchtete Verfolgung in meinem Heimatstaat bringt die Gefahr mit sich, daß ich lediglich aufgrund der Tatsache, daß ich das derzeitige Regime im Iran nicht unterstütze, von einer Gruppe, die unmittelbar der derzeitigen Regierung des Iran zuzuordnen ist, ohne faires Gerichtsverfahren wegen eines Verkehrsunfalles quasi hingerichtet werde. Die Umstände sind zweifellos geeignet, mir nach den einschlägigen österreichischen Asylbestimmungen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Keineswegs kann hingegen meine Furcht damit abgetan werden, daß ich eben in meinem Heimatstaat nur der Rache eines Angehörigen eines Unfallopfers ausgesetzt bin. Vielmehr droht mir die Verfolgung einer staatlich getragenen Organisation, wobei diese Verfolgungshandlungen bei Berücksichtigung allgemein anerkannter Grundsätze des Menschenrechtes nicht gerechtfertigt sind. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte mir daher die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden müssen."

Weiters brachte der Beschwerdeführer in einem Beweisantrag vom 19. Mai 1995 vor, daß es bei seiner Ersteinvernahme erhebliche Verständigungsschwierigkeiten insofern gegeben habe, als der verwendete Dolmetsch der persischen Sprache nicht im erforderlichen Umfang mächtig gewesen sei; aufgrund dieser Sprachschwierigkeiten sei das Protokoll "völlig unrichtig und fehlerhaft". Der Beschwerdeführer beantragte daher seine neuerliche Einvernahme unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers.

Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich gemäß § 66 Abs. 4 AVG (neuerlich) ab und begründete dies im wesentlichen damit, der Beschwerdeführer habe bei seiner niederschriftlichen Befragung keinerlei politische Betätigung erwähnt, weshalb "die aus dem seinerzeitigen Unfall resultierenden Folgen nicht in einem politischen Konnex zu sehen" seien; daß es mit dem Dolmetsch Verständigungsschwierigkeiten gegeben hätte, habe der Beschwerdeführer weder bei seiner niederschriftlichen Einvernahme, noch in der Berufung, noch in der Berufungsergänzung vom 8. Mai 1995 erwähnt, weshalb diesem Vorbringen "der Erfolg versagt bleiben mußte".

In seiner gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer ausschließlich Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend. Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

In Ausführung des Beschwerdegrundes wird in der Beschwerde vorgetragen, der Beschwerdeführer habe "bereits im Jahr 1982 in Teheran an einer Demonstration gegen das derzeitige Regime teilgenommen"; danach sei er "ein Jahr im Polizeigefängnis "Evin" in Teheran inhaftiert gewesen"; es sei ihm angelastet worden, im Zuge eines Verkehrsunfalles zwei Revolutionswächter getötet zu haben, als er als Lenker eines Lastkraftwagens "deren Polizeifahrzeug gerammt" habe; er sei "auch vor das Gericht eines sogenannten "Mullah" gestellt" worden, der ihn zum Tode verurteilt habe.

In all diesen Punkten widersprechen die Beschwerdeausführungen jedoch dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehenden Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG).

Doch auch soweit die Beschwerde (erkennbar) die gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfolgungshandlungen als Verfolgung aufgrund unterstellter politischer Gesinnung darzustellen versucht, ist sie nicht berechtigt: Zunächst ist der Rechtsansicht der belangten Behörde dahingehend beizupflichten, daß eine - auch staatlich geduldete oder gar unterstützte - Strafverfolgung wegen eines Verkehrsunfalles allein nicht als staatliche Verfolgung aus einem der in § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Gründe angesehen werden kann (vgl. dazu auch die hg. Erkenntnisse vom 5. Juni 1996, Zl. 95/20/0385, und vom 12. September 1996, Zl. 95/20/0268). Da im erstinstanzlichen Verfahren auch keine Anhaltspunkte hervorgekommen sind, daß dem Beschwerdeführer aus anderen Gründen, etwa wegen einer unterstellten politischen Gesinnung, Verfolgung drohe, ist die von der belangten Behörde - auf der gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 heranzuziehenden erstinstanzlichen Sachverhaltsgrundlage - getroffene rechtliche Beurteilung in dieser Hinsicht nicht zu beanstanden.

Der Beschwerdeführer hat Behauptungen über eine ihm unterstellte politische Gesinnung, die eine Bedrohung durch die "Revolutionswächter" wegen des Verkehrsunfalles als bloßen Vorwand erscheinen ließen, erstmals in seiner Berufungsergänzung vom 8. Mai 1995 aufgestellt. Gemäß § 20 AsylG 1991 hat der Bundesminister für Inneres auf das Berufungsvorbringen nur insofern Bedacht zu nehmen, als eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens (im Falle des Vorliegens der im Abs. 2 leg. cit. angeführten Voraussetzungen) durchzuführen ist.

Der Beschwerdeführer hat zwar in einem Beweisantrag im Verwaltungsverfahren allgemein die Richtigkeit und Vollständigkeit der Protokollierung seiner erstinstanzlichen Angaben bestritten und seine neuerliche Einvernahme beantragt. Diesem Vorbringen hat die belangte Behörde (offenbar in beweiswürdigender Absicht) entgegengehalten, der Beschwerdeführer habe drei vorangehende Möglichkeiten, sich gegen die Richtigkeit der Niederschrift zu wenden, ungenützt gelassen. Auf diesen Teil der Begründung des angefochtenen Bescheides geht die vorliegende Beschwerde mit keinem Wort ein. Der Beschwerdeführer hat weder bei seiner Ersteinvernahme noch in seiner Berufung Behauptungen in Richtung auf eine politische Betätigung aufgestellt hat. Er hat auch weder im Verwaltungsverfahren noch nunmehr in der Beschwerde konkret behauptet, WELCHE Teile des Protokolles "völlig unrichtig und fehlerhaft" sein sollen. Insoweit die belangte Behörde unter Heranziehung des Berufungsvorbringens und abweichend von der niederschriftlichen Einvernahme im Verfahren erster Instanz feststellte, der Beschwerdeführer habe durch den Verkehrsunfall ZWEI Menschen zu Tode gebracht, ist dieser Verfahrensfehler, da der Beschwerdeführer dadurch in keinem subjektiven Recht verletzt wurde und sein Berufungsvorbringen auch nicht zu seinem Nachteil gewertet wurde, nicht wesentlich im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG.

Insgesamt hat daher die belangte Behörde zu Recht das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers über seine politische Verfolgung unberücksichtigt gelassen und gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 das Ergebnis des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens einer zutreffenden rechtlichen Beurteilung unterzogen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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