Normen
EGVG 2008 Art2;
RAO 1868 §10 Abs1;
RAO 1868 §26 Abs5;
RAO 1868 §45 Abs1;
RAO 1868 §45 Abs4;
EGVG 2008 Art2;
RAO 1868 §10 Abs1;
RAO 1868 §26 Abs5;
RAO 1868 §45 Abs1;
RAO 1868 §45 Abs4;
Spruch:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben der Rechtsanwaltskammer für Kärnten Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Landesgericht Klagenfurt bewilligte mit Beschluß vom 13. Jänner 1995 den Beschwerdeführern die Verfahrenshilfe unter Einschluß der Beigebung eines Rechtsanwaltes in der Rechtssache der Beschwerdeführer als klagende Parteien gegen die beklagte Partei A-Bank wegen Einbringung einer Wiederaufnahmsklage hinsichtlich des Verfahrens zu Zl. des Landesgerichtes Klagenfurt. Im letztgenannten Rechtsstreit waren die Beschwerdeführer rechtskräftig zu ungeteilter Hand für schuldig erkannt worden, der A-Bank aufgrund des Kreditvertrages vom 28. Jänner 1991 einen Betrag von S 1,559.194,80 zu bezahlen.
Die Abteilung 2 des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Kärnten bestellte entsprechend der festen Reihenfolge nach den vorliegenden Listen zunächst mehrere Rechtsanwälte zu Verfahrenshelfern für die Beschwerdeführer, enthob diese jedoch wegen Befangenheitserklärungen. Aufgrund dieser Befangenheitserklärungen und weiterer der belangten Behörde vorliegender Befangenheitserklärungen anderer Rechtsanwälte wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, in dem alle Kärntner Rechtsanwälte aufgefordert wurden, schriftlich fristgerecht bekanntzugeben, ob sie sich befangen fühlten, die Beschwerdeführer als Verfahrenshelfer in Verfahren gegen die A-Bank und/oder die B-Bank zu vertreten. Dieses Ermittlungsverfahren bezog sich deshalb auch auf die B-Bank, weil neben der erwähnten verfahrensgegenständlichen Bewilligung der Verfahrenshilfe in zwei weiteren vom Landesgericht Klagenfurt bewilligten Verfahrenshilfesachen die Bestellung von Verfahrenshilfeanwälten betreffend Wiederaufnahmsklagen gegen die B-Bank zur Behandlung anstanden.
Da Rechtsanwalt Dr. S keinen Befangenheitsgrund bekannt gab, bestellte ihn die Abteilung 2 des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Kärnten im gegenständlichen Verfahren zum Verfahrenshelfer.
Dagegen erhob der bestellte Verfahrenshelfer Vorstellung, welche er damit begründete, er habe nach Zugang der Wiederaufnahmsklage und dem Beschluß zu deren Verbesserung sowie nach einer telefonischen Rücksprache mit BU, von welchem die Klage verfaßt worden sei, erkennen müssen, daß nach dem Begehren der Wiederaufnahmskläger auch gegen zwei Richter gerichtliche Schritte einzuleiten wären bzw. gegen diese Richter vorgegangen werden müßte. Er sei mit einem der Richter durch eine "jahrelange gute persönliche Bekanntschaft" verbunden, durch ein Einschreiten gegen die andere Richterin würde "die bisher gute, berufliche Kontaktebene gravierend beeinträchtigt".
Mit Schreiben vom 17. Mai 1995 hielt die belangte Behörde dem Vorstellungswerber vor, daß die seitens der Beschwerdeführer gegen die Richter erhobenen Vorwürfe unabhängig von dem Wahrheitsgehalt keinen Wiederaufnahmsgrund nach § 530 ZPO bilden könnten, daher auch nicht Gegenstand der vom Vorstellungswerber einzubringenden oder zu verbessernden Wiederaufnahmsklage sein könnten. Die Bestimmungen über den Rechtsanwaltszwang im zivilgerichtlichen Verfahren hätten nicht nur den Zweck, den Parteien einen Fachberater zur Seite zu stellen, sondern auch das Gericht vor unzulässigen Anträgen und Vorbringen zu schützen, weil der Rechtsanwalt sowohl nach den Zivilprozeßvorschriften als auch nach der Rechtsanwaltsordnung verpflichtet sei, ein derartiges Vorbringen zu unterlassen. Dies gelte auch für im Wege der Verfahrenshilfe bestellte Rechtsanwälte, die ebensowenig verpflichtet und berechtigt seien, ein unsachliches Vorbringen zu erstatten, auch wenn dies die Verfahrenshilfe genießende Partei wünsche. Es erscheine zulässig, von der Partei behauptete mögliche Wiederaufnahmsgründe in einer verbesserten Klage geltend zu machen, unabhängig davon, ob für diese Wiederaufnahmsgründe die Frist zur Geltendmachung eingehalten worden sei oder nicht. Die Bestellung zum Verfahrenshelfer im gegenständlichen Verfahren umfasse nicht die Verpflichtung zu einer Antragstellung zur Aufschiebung der Exekution im laufenden Exekutionsverfahren, die aufgrund in anderen Verfahren erwirkter Exekutionstitel betrieben würde.
Daraufhin erstattete Dr. S einen Schriftsatz vom 1. Juni 1995. Dieser enthält keine Befassung mit den im obzitierten Vorhalt ausgeführten Punkten, bringt jedoch neu vor, daß es "Tatsache" sei, "daß der Raiffeisenverband Kärnten in diese Angelegenheit involviert" sei. Dies sei dem Vorstellungswerber erst im Gespräch mit Herrn U am 30. Mai 1995 mitgeteilt worden. Der Vorstellungswerber vertrete den Raiffeisenverband Kärnten und mehrere Raiffeisenkassen in rechtlichen Angelegenheiten, weshalb er die gegenständliche Angelegenheit als Verfahrenshelfer nicht weiter betreiben könne. Der Vorstellungswerber legte ein Schreiben der Beschwerdeführer vom 31. Mai 1995 vor, in dem diese im wesentlichen fordern, der Vorstellungswerber möge den Fall fristgerecht zurücklegen, "weil es für uns schwer vorstellbar ist, daß Sie uns durch Ihre Stellung als Anwalt des Raiffeisenverbandes für Kärnten und verschiedenster Raiffeisenkassen hinreichend objektiv und mit dem entsprechenden Einsatz vertreten können, nachdem unser Konflikt mit der B-Bank ganz wesentlich in das vorliegende Wiederaufnahmeverfahren hineinwirkt und wo ungeklärte Zahlungsflüsse zwischen der wiederaufnahmsbeklagten Partei und der B-Bank über den Raiffeisenverband für Kärnten gelaufen sind, für die uns bisher von beiden Seiten eine vollständige Herausgabe von Unterlagen, für die wir schon Zahlung leisten mußten, vorenthalten wurde. Außerdem hat die B-Bank auch Organe des Raiffeisenverbandes in unserer Sache involviert".
Mit Schreiben vom 6. Juni 1995 wies der Vorstellungswerber darauf hin, daß BU schwere Vorwürfe in beleidigender Form gegen zwei Richter erhoben habe. Er wiederholte seine zu einem Richter bestehende jahrelange gute persönliche Bekanntschaft und seinen beruflichen Kontakt in größeren Exekutionssachen mit der anderen Richterin. "Obwohl im konkreten Verfahren noch nicht gegen" diese Richter "vorzugehen" sei, sehe sich "der Vorstellungswerber nicht in der Lage, die zugeteilte Vertretung dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte" der Beschwerdeführer "gewissenhaft zu vertreten."
Es sei auch der Raiffeisenverband Kärnten in diese Angelegenheit involviert, was sich nach einem Gespräch mit U am 30. Mai 1995 herausgestellt habe. Auf diesen Umstand habe der Vorstellungswerber bereits mit Schreiben vom 1. Juni 1995 hingewiesen. Da er nicht als Verfahrenshelfer enthoben worden sei, sei von ihm die verbesserte Wiederaufnahmsklage bei Gericht zur Wahrung der Frist überreicht worden.
Die belangte Behörde erließ daraufhin den nunmehr angefochtenen Bescheid. Nach Wiedergabe des Sachverhaltes begründete die belangte Behörde die Abweisung der Vorstellung damit, daß die Bestimmungen über den Rechtsanwaltszwang im zivilgerichtlichen Verfahren nicht nur den Zweck hätten, den Parteien einen Sachberater zur Seite zu stellen, sondern auch das Gericht vor unzulässigen Anträgen und Vorbringen zu schützen, weil der Rechtsanwalt sowohl nach den Zivilprozeßvorschriften als auch nach der Rechtsanwaltsordnung verpflichtet sei, ein derartiges Vorbringen zu unterlassen. Dies gelte auch für im Wege der Verfahrenshilfe bestellte Rechtsanwälte, die ebensowenig verpflichtet und berechtigt seien, ein unsachliches Vorbringen zu erstatten, auch wenn dies die Verfahrenshilfe genießende Partei wünsche. Die Vorwürfe der Beschwerdeführer gegen Richter könnten unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt niemals einen Wiederaufnahmsgrund nach § 530 ZPO bilden, sie könnten daher auch nicht Gegenstand der vom Vorstellungswerber einzubringenden oder zu verbessernden Wiederaufnahmsklage sein.
In einem Rundschreiben seien alle Kärntner Rechtsanwälte mit Rücksicht auf die Schwierigkeit der Bestellung von Verfahrenshelfern für die Beschwerdeführer aufgefordert worden, allfällige Befangenheitsgründe hinsichtlich einer Vertretung gegen a) die A-Bank, b) die B-Bank bekanntzugeben. Der Vorstellungswerber habe keine Befangenheitsgründe vorgebracht. Die gegenständliche Wiederaufnahmsklage richte sich nur gegen die A-Bank, und nicht auch gegen die B-Bank. Weder vom Vorstellungswerber noch von den Beschwerdeführern würden Befangenheitsgründe oder überhaupt Gründe nach § 10 Abs. 1 Rechtsanwaltsordnung (RAO) hinsichtlich der A-Bank geltend gemacht.
Die Beschwerdeführer erhoben zunächst - unter gleichzeitiger Stellung eines Antrages auf Verfahrenshilfe - Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser wies mit Beschluß vom 25. September 1995, B 2351/95-3, den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ab, lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof leitete hinsichtlich der abgetretenen Beschwerde - nach Verbesserung der Beschwerde durch den nunmehr vom Verwaltungsgerichtshof bewilligten und vom Ausschuß der Rechtsanwaltskammer Kärnten bestellten Verfahrenshelfer, Rechtsanwalt Dr. Nowak, mit Schriftsatz vom 4. Dezember 1996 - das Vorverfahren ein. In diesem Schriftsatz wurde vorgebracht:
"Dr. S hat vor Erlassung des angefochtenen Bescheides jedoch klar und eindeutig dargelegt, daß er nach Aktenstudium entgegen der ihn nach den Zivilprozeßvorschriften und der Rechtsanwaltsordnung treffenden Verpflichtungen das Gericht vor unzulässigen Anträgen und Vorbringen zu schützen, im gegenständlichen Fall eine Kollision mit diesen Verpflichtungen zu dem ihm übertragenen Mandat befürchtet.
Darüber hinaus haben die Beschwerdeführer durch die Äußerungen und Handlungen des Dr. S selbst wahrnehmen müssen, daß eine Unbefangenheit nicht gegeben ist.
Entgegen der Ansicht der Rechtsanwaltskammer für Kärnten ist im gegenständlichen Fall wohl auch von Bedeutung, ob ein Verfahrenshelfer in Nahebeziehung zur B-Bank steht, auch wenn formal die Wiederaufnahmsklage nur gegen die A-Bank gerichtet ist, ansonsten die Rechtsanwaltskammer für Kärnten selbst nicht mit Rundschreiben Nr. 3/95 auf allfällige Befangenheitsgründe gegen die B-Bank hingewiesen hätte.
Man wird immer dann annehmen können, daß ein Befangenheitsgrund gegeben ist, wenn der zur Verfahrenshilfe bestellte Rechtsanwalt selbst seine Befangenheit bekanntgibt, da er selbst am besten weiß, inwieweit die tatsächliche Besorgnis besteht oder entstehen kann, daß er sich im konkreten Fall nicht ausschließlich von objektiven Gesichtspunkten leiten lassen wird.
Im gegenständlichen Fall hätte daher der Vollausschuß der Rechtsanwaltskammer für Kärnten Herrn Dr. S als Verfahrenshelfer der Beschwerdeführer entheben müssen."
Die belangte Behörde legte die Akten des Verfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, mit welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Prozeßvoraussetzungen der vorliegenden Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Den Beschwerdeführern mangelte die Beschwerdelegitimation bei Einbringung der Beschwerde aus folgenden Gründen:
§ 10 Abs. 1 RAO bestimmt:
"Der Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, die Vertretung einer Partei zu übernehmen, und kann dieselbe ohne Angabe von Gründen ablehnen; alleine er ist verpflichtet, die Vertretung oder auch nur die Erteilung eines Rates abzulehnen, wenn er die Gegenpartei in derselben oder in einer damit zusammenhängenden Sache vertreten hat oder in solchen Angelegenheiten früher als Richter oder als Staatsanwalt tätig war. Ebenso darf er nicht beiden Teilen in dem nämlichen Rechtsstreit dienen oder Rat erteilen."
§ 26 Abs. 5 RAO lautet:
"Gegen den Beschluß einer Abteilung kann binnen 14 Tagen nach Zustellung des Beschlusses Vorstellung erhoben werden; über diese entscheidet der Ausschuß."
§ 45 Abs. 1 und 4 RAO lautet:
"(1) Hat das Gericht die Beigebung eines Rechtsanwaltes beschlossen, oder schließt die Bewilligung der Verfahrenshilfe eine solche Beigebung ein, so hat die Partei Anspruch auf die Bestellung eines Rechtsanwaltes durch die Rechtsanwaltskammer.
...
(4) Kann der bestellte Rechtsanwalt die Vertretung oder Verteidigung aus einem der im § 10 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz oder zweiter Satz RAO angeführten Gründe oder wegen Befangenheit nicht übernehmen oder weiterführen, so ist er auf seinen Antrag, auf Antrag der Partei oder von Amts wegen zu entheben und ein anderer Rechtsanwalt zu bestellen."
Aus den genannten Vorschriften des Gesetzes ergibt sich kein Anspruch der Partei auf Bestellung eines bestimmten, von ihr gewünschten Rechtsanwaltes zu ihrer Vertretung im Rahmen der Verfahrenshilfe. Ebensowenig kann dem Gesetz ein Anspruch der Partei entnommen werden, daß der einmal bestellte Rechtsanwalt seine Vertretung weiterführen müsse. Das Gesetz räumt der Partei lediglich das Recht ein, aus den genannten Gründen einen Antrag auf Enthebung des Rechtsanwaltes zu stellen bzw. gegen dessen Bestellung Vorstellung zu erheben, wobei dahingestellt bleiben kann, ob mit der Vorstellung auch Enthebungsgründe erfolgreich geltend gemacht werden könnten. Daraus läßt sich aber - entgegen der Meinung der Beschwerdeführer - nicht ableiten, daß ihnen ein Anspruch auf Beiziehung im Verfahren der Behörde über die einen Antrag des bestellten Rechtsanwaltes auf Enthebung enthaltende Vorstellung dieses bestellten Rechtsanwaltes zukommt. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist in diesem Verfahren vor den Behörden der Rechtsanwaltskammer, das nicht durch das allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt ist (Art. II EGVG; Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1987, Zl. 86/01/0193), eine Parteistellung ausschließlich dem Antragsteller (hier zugleich Vorstellungswerber) eingeräumt worden. Dies zeigt auch die Regelung über die Verständigung des Gerichtes (§ 45 Abs. 5 RAO), nach der der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer nur das Gericht von Bestellung oder Enthebung eines Rechtsanwaltes zum Verfahrenshelfer zu verständigen hat.
Da die Beschwerdeführer gegen den Beschluß über die Bestellung des Rechtsanwaltes Dr. S zum Verfahrenshelfer Vorstellung nicht erhoben haben, haben sie den Instanzenzug nicht ausgeschöpft. Den Beschwerdeführern kommt daher keine Berechtigung zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu. Daher mußte die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als unzulässig zurückgewiesen werden.
Bei diesem Ergebnis steht der belangten Behörde gemäß §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994 Aufwandersatz für Vorlage und Schriftsatzaufwand in verzeichneter Höhe zu.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
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