Normen
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §2;
AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §12;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §2;
AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §12;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
Spruch:
I. den Beschluß gefaßt:
Die Beschwerde der zweitbeschwerdeführenden Partei wird zurückgewiesen.
Die zweitbeschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von
S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. zu Recht erkannt:
Über Beschwerde der erst-, dritt- und viertbeschwerdeführenden Partei wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der erst-, dritt- und viertbeschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zu I.:
Der sich selbst als beschwerdeführende Partei bezeichnende Zweitbeschwerdeführer - er ist auch im eigenen Namen vor den Verwaltungsbehörden aufgetreten - behauptet nicht, daß ein sein Aufenthaltsrecht betreffender Bescheid durch die belangte Behörde erlassen wurde. Ein Abspruch über ein den Zweitbeschwerdeführer in diesem Sinne betreffendes Recht ist auch aus den vorgelegten Verwaltungsakten nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer bringt auch nicht vor, daß er in seinen Rechten durch eine - etwa im Hinblick auf Art. 8 MRK - unrichtige Gesetzesanwendung betreffend die weiteren beschwerdeführenden Parteien beeinträchtigt wäre. Da die zweitbeschwerdeführende Partei somit nach ihrem Beschwerdevorbringen weder einen Eingriff in ein ihr zustehendes subjektives Recht behauptet noch ein solcher aus den Akten des Verwaltungsverfahrens erkennbar ist, war die vom Zweitbeschwerdeführer im eigenen Namen erhobene Beschwerde daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.
Die Entscheidung über den die zweitbeschwerdeführende Partei betreffenden Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, da § 53 VwGG in diesem Fall nicht heranzuziehen ist (vgl. den Beschluß eines verstärkten Senates vom 18. September 1967, Slg. Nr. 7175/A).
Zu II.:
Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres jeweils vom 21. Juli 1995 wurde der Antrag der erst-, dritt- und viertbeschwerdeführenden Parteien (im folgenden: beschwerdeführende Parteien) auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 Fremdengesetz (FrG) abgewiesen.
Mit Beschluß vom 11. Oktober 1995, B 2925 bis 2927/95-3, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab und trat diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab.
Dieser hat über die - ergänzte - Beschwerde erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf eine Aufenthaltsbewilligung Femden nicht erteilt werden, bei denen u.a. ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des § 10 Abs. 1 FrG vorliegt. Nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn dieser zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 AufG oder § 14 FrG) erteilt werden soll.
Für die Verwirklichung dieses Sichtvermerksversagungsgrundes ist allein entscheidend, daß sich der Fremde in dem für die Entscheidung der belangten Behörde maßgeblichen Zeitpunkt im Anschluß an eine sichtvermerksfreie Einreise im Inland aufhält; nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts kommt bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG gestützten Entscheidung eine Bedachtnahme auf private und familiäre Interessen des Fremden nicht in Betracht (vgl. das
hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1997, Zl. 96/19/3648, m.w.N. auch aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes).
§ 12 AufG lautet auszugsweise:
"§ 12. (1) Für Zeiten erhöhter internationaler Spannungen, eines bewaffneten Konfliktes oder sonstiger die Sicherheit ganzer Bevölkerungsgruppen gefährdender Umstände kann die Bundesregierung mit Verordnung davon unmittelbar betroffenen Gruppen von Fremden, die anderweitig keinen Schutz finden, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet gewähren.
(2) In der Verordnung gemäß Abs. 1 sind Einreise und Dauer des Aufenthaltes der Fremden unter Berücksichtigung der Umstände des besonderen Falles zu regeln.
(3) ...
(4) Wird infolge der längeren Dauer der in Abs. 1 genannten Umstände eine dauernde Integration erforderlich, kann in der Verordnung festgelegt werden, daß für bestimmte Gruppen der Aufenthaltsberechtigten abweichend von § 6 Abs. 2 eine Antragstellung im Inland zulässig ist."
Gemäß § 2 der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 389/1995 - diese Verordnung war von der belangten Behörde auf Grund des Zeitpunktes der Erlassung der bekämpften Bescheide anzuwenden -, können Personen, die zum 1. Jänner 1995 gemäß der Verordnung der Bundesregierung, BGBl. Nr. 1038/1994, ein Aufenthaltsrecht hatten, den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 AufG ausnahmsweise im Inland stellen.
Die belangte Behörde ging in den angefochtenen Bescheiden im wesentlichen gleichlautend davon aus, daß den beschwerdeführenden Parteien ein Aufenthaltsrecht nach § 12 AufG nicht zukomme, da sich die beschwerdeführenden Parteien in der Zeit vom 21. Jänner 1994 bis zum 8. März 1994 in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten und "sohin anderweitig Schutz" gefunden hätten. Die beschwerdeführenden Parteien hätten sohin kein Aufenthaltsrecht im Sinne der Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 (und der Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994).
Die beschwerdeführenden Parteien bestreiten vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht, sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet ein- und noch am selben Tag nach Deutschland weitergereist zu sein. Sie bestreiten auch nicht den Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland in der von der belangten Behörde angenommenen Zeit und die danach erfolgte sichtvermerksfreie Einreise nach Österreich. Der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland sei jedoch nur infolge einer Auskunft erfolgt, wonach zur Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung in Österreich die Antragstellung aus dem Ausland erforderlich sei; einen Schutz in der Bundesrepublik Deutschland hätten sie nicht gefunden.
Feststellungen der belangten Behörde oder auch Erhebungen darüber, ob die beschwerdeführenden Parteien tatsächlich in der Bundesrepublik Deutschland Schutz gefunden haben, fehlen ebenso wie solche über das behauptete Vorliegen der (sonstigen) Voraussetzungen für ein vorläufiges Aufenthaltsrecht im Sinne des § 12 AufG im Zusammenhang mit den erwähnten Verordnungen.
Dieser Verfahrensmangel ist auch wesentlich. Das auf Grund der erwähnten Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 bestehende ausnahmsweise Recht auf Antragstellung aus dem Inland (vgl. dazu § 12 Abs. 4 AufG in der Fassung der Novelle
BGBl. Nr. 351/1995) wäre nämlich seines Sinnes gänzlich beraubt, wenn nicht auch solche Fremde, die sichtsvermerksfrei gemäß § 12 AufG in das Bundesgebiet gelangt sind und hier eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung genießen, einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (aus dem Inland) stellen dürften.
Der oben erwähnte Grundsatz bei der Auslegung des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG erfährt daher insoweit eine Einschränkung. Dies gebietet auch der Normzweck des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG. Mit dieser Bestimmung soll nämlich verhindert werden, daß als Touristen einreisende Personen, ihre Absicht ändern und einen Aufenthalt im Sinne des § 1 Abs. 1 AufG begründen wollen (vgl. die RV zu § 10 FrG, abgedruckt bei Widermann-Körner-Schindler-Wimmer, Fremdenrecht, Band 1,
1.1.57 f). Dies trifft aber für Personen, die in Zeiten erhöhter internationaler Spannungen, eines bewaffneten Konfliktes oder sonstiger, die Sicherheit ganzer Bevölkerungsgruppen gefährdender Umstände (vgl. § 12 Abs. 1 AufG) in das Bundesgebiet gelangt sind, nicht zu.
Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, waren die bekämpften Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
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