VwGH 95/19/1305

VwGH95/19/130518.4.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der B in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. August 1995, Zl. 116.371/2-III/11/95, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. einer Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §39 Abs2;
ZustG §25 Abs1;
ZustG §8 Abs1;
ZustG §8 Abs2;
AVG §39 Abs2;
ZustG §25 Abs1;
ZustG §8 Abs1;
ZustG §8 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. August 1995 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid des (richtig:) Bürgermeisters der Stadt Salzburg vom 23. September 1994, mit dem ein Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abgewiesen worden war, zurückgewiesen. Da die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides rechtswirksam am 7. März 1995 erfolgt und die Berufung erst am 22. Juni 1995 eingebracht worden sei, sei diese als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Nach dem Inhalt der Verwaltungsakten wohnte die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Stellung ihres Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (31. Mai 1994) an einer näher angeführten Anschrift in Salzburg, I.-Straße. Sie verzog von dort - wie aus der gleichfalls im Akt erliegenden Kopie des Meldezettels ersichtlich ist - am 20. Juli 1994 an eine neue, näher angeführte Adresse in Salzburg, F.-Straße.

Die Behörde erster Instanz - der offenbar dieser Wohnsitzwechsel noch nicht bekannt war - versuchte den erstinstanzlichen Bescheid vom 23. September 1994 an der Anschrift in Salzburg, I.-Straße, zuzustellen. Im Zuge dieser Bemühungen kam es zu einer Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 Zustellgesetz (ZustG) durch Anschlag an der Amtstafel der Behörde erster Instanz am 7. März 1995 und Abnahme am 20. März 1995.

Die belangte Behörde stützte nach dem Text der Begründung des angefochtenen Bescheides ihre, die Berufung der Beschwerdeführerin vom 22. Juni 1995 zurückweisende Entscheidung offenbar auf diesen Zustellversuch im Sinne des § 25 ZustG.

Gemäß § 25 Abs. 1 ZustG können Zustellungen an Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, oder an eine Mehrheit von Personen, die der Behörde nicht bekannt sind, wenn es sich nicht um ein Strafverfahren handelt, kein Zustellbevollmächtigter bestellt ist und nicht gemäß § 8 leg. cit. vorzugehen ist, durch Anschlag an der Amtstafel, daß ein zuzustellendes Schriftstück bei der Behörde liegt, vorgenommen werden. Findet sich der Empfänger zur Empfangnahme des Schriftstückes nicht ein, so gilt, wenn gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, die Zustellung als bewirkt, wenn seit dem Anschlag an der Amtstafel der Behörde zwei Wochen verstrichen sind.

Die belangte Behörde hat zunächst den letzten Satz des § 25 Abs. 1 ZustG übersehen, als sie von einer (rechtswirksamen) Zustellung mit 7. März 1995 ausging. Die Zustellung gilt nämlich erst dann als bewirkt, wenn seit dem Anschlag an der Amtstafel der Behörde zwei Wochen verstrichen sind; demnach hätte die belangte Behörde erst von einer rechtswirksamen Zustellung mit 21. März 1995 ausgehen dürfen.

Die belangte Behörde hat aber auch den rechtlichen Gehalt des § 25 Abs. 1 erster Satz ZustG verkannt. Danach können Zustellungen an Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, nur dann im Sinne der zitierten Bestimmung durch Anschlag an der Amtstafel vorgenommen werden, wenn NICHT GEMÄß § 8 leg. cit. VORZUGEHEN IST.

§ 8 ZustG lautet aber wie folgt:

"ÄNDERUNG DER ABGABESTELLE

§ 8. (1) Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem

sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

(2) Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann."

Im hier zu beurteilenden Fall hat die Beschwerdeführerin während des durch ihren Antrag eingeleiteten Verfahrens im Sinne des § 8 Abs. 1 ZustG die Abgabestelle geändert. Daß die Beschwerdeführerin unter der Anschrift Salzburg, I-Straße, ihre Abgabestelle im Sinne des ZustG hatte, konnte die Behörde einem an die Beschwerdeführerin unter dieser Anschrift gerichteten Schreiben des Amtes der Salzburger Landesregierung vom 26. Mai 1994 entnehmen, das offenbar als Beilage dem vorliegenden Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom 31. Mai 1994 angeschlossen war. Es wäre daher nicht gemäß § 25 Abs. 1 ZustG, sondern gemäß § 8 dieses Gesetzes zu verfahren gewesen.

Die Ermächtigung der Behörde gemäß § 8 Abs. 2 ZustG, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, hat nicht nur zur Voraussetzung, daß die unverzügliche Mitteilung über die Änderung der Abgabestelle - wie hier nach dem Akteninhalt von der Beschwerdeführerin - unterlassen wurde, sondern auch, daß eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Ohne - wenn auch durch "einfache Hilfsmittel" (so RV 162 BlgNR 15. GP 10) - versucht zu haben, die (neue) Abgabestelle auszuforschen, dürfte von § 8 Abs. 2 ZustG kein Gebrauch gemacht werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1994, Zl. 93/01/0076). (Angemerkt sei nur, daß dies auch der Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung im Sinne des § 25 Abs. 1 ZustG immanent ist; vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 1989, Zl. 89/01/0388.)

Ein "einfaches Hilfsmittel" in diesem Sinne ist etwa eine Meldeanfrage (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1995, Zl. 93/01/1504). Eine derartige Meldeanfrage wurde aber nach dem Akteninhalt von der Behörde erster Instanz nicht vorgenommen. (Die oben erwähnte Ablichtung des Meldezettels wurde nach deren Einjournalisierung in den Verwaltungsakten offenbar erst nach Erhebung der Berufung vorgelegt; ansonsten hätte die Behörde erster Instanz ohnedies an die ihr dadurch bekannt gewordene Anschrift zuzustellen gehabt.)

Die belangte Behörde hätte daher aus den dargelegten Gründen nicht von der Rechtswirksamkeit einer Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides mit 7. März 1995 ausgehen und aus diesem Grunde die Berufung der Beschwerdeführerin als verspätet zurückweisen dürfen. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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