Normen
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z7;
MRK Art8 Abs2;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z7;
MRK Art8 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am 6. Oktober 1993 bei der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als Aufenthaltszweck gab der Beschwerdeführer Familienzusammenführung mit seiner Ehefrau, einer Staatsangehörigen Bulgariens, an.
Mit Bescheid vom 27. Oktober 1993 wies die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten namens des Landeshauptmannes von Niederösterreich (§ 6 Abs. 4 AufG) den Antrag "gemäß § 5 Absatz 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz sowie in weiterer Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 7 Fremdengesetz" ab. Begründend führte die Behörde an, der Beschwerdeführer sei am 23. März 1991 zu Fuß über die "grüne Grenze" unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich gelangt. Dies habe er im anhängigen Asylverfahren bestätigt. Es liege daher ein Sichtvermerksversagungsgrund vor.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er die Bescheidfeststellung der Behörde erster Instanz, er sei unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist, nicht bestritt.
Mit Bescheid vom 18. November 1994, zugestellt am 2. Februar 1995, wies der Bundesminister für Inneres die Berufung "gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm §§ 4, 5 Abs. 1 und 9 Abs. 3 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG" ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, es stehe fest, daß der Beschwerdeführer am 23. März 1991 illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und am 26. März 1991 einen Asylantrag bei der Bezirkshauptmannschaft Baden gestellt habe. Über diesen Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. August 1992 in zweiter Instanz negativ entschieden worden. Aufgrund des genannten Sichtvermerksversagungsgrundes sei somit ein gesetzlicher Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 AufG gegeben, weshalb dem Antrag von Gesetzes wegen nicht stattgegeben werden könne. Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers sei festzuhalten, daß durch den Aufenthalt seiner Ehegattin im Bundesgebiet private Interessen bestünden. Aufgrund des genannten Ausschließungsgrundes sei jedoch den öffentlichen Interessen an der Versagung der Bewilligung Priorität gegenüber dem Familienleben des Beschwerdeführers einzuräumen. Außerdem greife nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichteshofes eine Sichtvermerksversagung nicht mit der selben Wahrscheinlichkeit und Intensität in das Privat- und Familienleben ein wie ein Aufenthaltsverbot.
Außerdem sei die gemäß § 2 Abs. 1 AufG festgelegte Anzahl von höchstens 1900 Bewilligungen für das Bundesland Niederösterreich bereits erreicht, weshalb auch aus diesem Grund keine Bewilligung erteilt werden könne.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser mit Beschluß vom 13. Juni 1995, B 455/95-7, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie vom Beschwerdeführer ergänzt. Er erachtet sich in seinem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz sowie in seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt. Es stelle insbesondere dann einen Eingriff in Art. 8 MRK dar, wenn die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung eine Familienzusammenführung verhindere oder wenn der Verlust der Aufenthaltsberechtigung eintrete, obwohl Familienangehörige des Bewilligungswerbers rechtmäßig im Bundesgebiet lebten. Die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung führe gerade zu einer Trennung der Familie. Der Beschwerdeführer habe sein Heimatland aus objektiv gerechtfertigten Gründen verlassen, um unter Umgehung der Grenzkontrolle in Österreich einzureisen. Die Interessenabwägung sei aber derart vorzunehmen, daß es einen Unterschied machen müsse, ob ein Terrorist unter Umgehung der Grenzkontrollen einreise, sich verborgen halte und ein Aktenkundigwerden verhindere, um ungestört terroristische Anschläge zu begehen, oder ob eine Person, die sich aus objektiv gerechtfertigten oder objektiv nicht gerechtfertigten Gründen in der Heimat verfolgt fühle, als Asylwerber nach Österreich einreise. Die von der Behörde vorzunehmende Interessenabwägung sei im vorliegenden Fall rechtswidrig erfolgt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage vor der Novelle zum AufG BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.
§ 5 Abs. 1 AufG lautete:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 10 Abs. 1 Z. 7 des Fremdengesetzes (FrG) lautete:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
7. sich der Sichtvermerkswerber nach Umgehung der Grenzkontrolle im Bundesgebiet aufhält."
Der Beschwerdeführer besteitet nicht die Bescheidfeststellung der belangten Behörde, er sei am 23. März 1991 unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist. Ebensowenig tritt er der Bescheidfeststellung entgegen, daß sein Asylantrag bereits rechtkräftig abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer räumt in der Beschwerde auch ein, unter Umgehung der Grenzkontrolle in Österreich eingereist zu sein.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine Einreise unter "Umgehung der Grenzkontrolle" im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG u.a. dann vor, wenn die Einreise über die "grüne Grenze" oder ein Verstecken vor der Grenzkontrolle im Laderaum eines Fahrzeuges und gleichartige Handlungen vorliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 93/18/0093). Die Einreise des Beschwerdeführers durfte von der belangten Behörde als eine solche Einreise qualifiziert werden. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Einreise des Beschwerdeführers bereits im Jahr 1991, somit vor Inkrafttreten des § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG am 1. Jänner 1993 erfolgt ist. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist es für das Vorliegen eines Sichtvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG (bzw. nach § 5 Abs. 1 AufG) maßgeblich, ob im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ein Sichtvermerksversagungsgrund verwirklicht war (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 1993, Zl. 93/18/0096). Im vorliegenden Fall ist der Sichtvermerksversagungsgrund deshalb verwirklicht, weil der Beschwerdeführer nach seiner Einreise unter Umgehung der Grenzkontrolle im Inland verblieben ist. Die Folgerung der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer den Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG verwirklichte, weshalb die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen war, kann demnach nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Soweit der Beschwerdeführer das Fehlen einer korrekten Erforderlichkeitsprüfung nach Art. 8 Abs. 2 MRK rügt, verkennt er, daß die Versagung eines Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs.1 Z. 7 FrG einen bereits vom Gesetzgeber vorbedachten zulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben - auch im Hinblick auf Art. 8 MRK - darstellt, weshalb im Einzelfall nicht darauf einzugehen ist (vgl. das Erkenntis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, Slg. Nr. 13.497 = ZfVB 1995/5/1729, sowie das hg. Erkenntnis vom 24. März 1997, Zl. 95/19/1208). Eine derartige, Ausnahmen ausschließende Regelung, wie sie in § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG getroffen ist, kann nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes deshalb notwendig sein, um zu sichern, daß das in anderen fremdenrechtlichen Vorschriften (inbesondere im Aufenthaltsgesetz) entwickelte geschlossene Ordnungssystem nicht gestört wird, welches der Erreichung des - sachlich begründbaren und durch Art. 8 Abs. 2 MRK gedeckten - Zieles dient, die Einreise von Fremden nach Österreich zum Zwecke eines längeren oder dauernden Aufenthalts im Bundesgebiet (Einwanderung) in geordnete Bahnen zu lenken. Der durch die Versagung der Aufenthaltsbewilligung bewirkte Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers erweist sich daher im Hinblick auf das dargestellte öffentliche Interesse gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK als gerechtfertigt.
Erachtete die belangte Behörde aber zu Recht den Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG für gegeben, so erweist sich der angefochtene Bescheid auch nicht im Lichte des § 3 AufG als rechtswidrig, weil nach dieser Bestimmung ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung jedenfalls dann nicht besteht, wenn ein Versagungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG vorliegt. Ein solcher liegt nach dem bisher Gesagten vor, weshalb die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auch in diesem Punkte nicht besteht.
Bei diesem Ergebnis braucht auf die Frage, ob die belangte Behörde ihre Abweisung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung überdies zu Recht auf § 4 und § 9 Abs. 3 AufG gestützt hat, nicht eingegangen zu werden.
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
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