VwGH 95/09/0265

VwGH95/09/026526.6.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des G in V, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in V, gegen den am 5. September 1995 mündlich verkündeten Bescheid des Disziplinarvorgesetzten (Kommandant des Pionier-Bataillon 1, Kaserne XY), betreffend Disziplinarstrafe der Geldbuße nach dem Heeresdisziplinargesetz 1994, zu Recht erkannt:

Normen

ADV §4;
ADV §6;
ADV §7 Abs1;
ADV §7;
AVG §44 Abs1;
AVG §62 Abs2;
AVG §62 Abs3;
HDG 1994 §2 Abs1 Z1;
HDG 1994 §23 Z1;
HDG 1994 §50 Z2;
HDG 1994 §51;
HDG 1994 §58;
HDG 1994 §62 Abs1;
EMRK Art3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
WehrG 1990 §47 Abs3;
ADV §4;
ADV §6;
ADV §7 Abs1;
ADV §7;
AVG §44 Abs1;
AVG §62 Abs2;
AVG §62 Abs3;
HDG 1994 §2 Abs1 Z1;
HDG 1994 §23 Z1;
HDG 1994 §50 Z2;
HDG 1994 §51;
HDG 1994 §58;
HDG 1994 §62 Abs1;
EMRK Art3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
WehrG 1990 §47 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Vizeleutnant (Unteroffizier im Präsenzstand des Bundesheeres) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist die

n. Pionierkompanie in XY.

Mit am 16. August 1995 mündlich verkündetem Disziplinarerkenntnis des Kompaniekommandanten wurde über den Beschwerdeführer die Disziplinarstrafe der Geldbuße in Höhe von S 300,-- verhängt. Dieser mündlich verkündete Bescheid ist in den vorgelegten Akten nicht dokumentiert.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 21. August 1995 Berufung.

Nach Durchführung einer Berufungsverhandlung am 5. September 1995 (über deren Verlauf und Inhalt nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten keine Niederschrift abgefaßt wurde) gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen, am 5. September 1995 mündlich verkündeten Bescheid der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte damit die erstinstanzliche Disziplinarstrafe. Über diesen mündlich verkündeten Berufungsbescheid legte die belangte Behörde das Führungsblatt Nr. 42/1995 (Beilage 6 der vorgelegten Akten) an. Diesem Führungsblatt ist zu entnehmen, daß über den Beschwerdeführer die Disziplinarstrafe der Geldbuße verhängt wurde, weil er am 9. Februar 1995 den Befehl des Kompaniekommandanten selbständig abgeändert habe, obwohl seinen Einwänden nicht stattgegeben wurde und Zeit bestanden habe, den Sachverhalt mit Leutnant H zu klären. Der Beschwerdeführer habe dadurch die Pflichten nach § 3 Abs. 2 und § 7 Abs. 5 ADV verletzt.

Gegen diesen mündlich verkündeten Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Bescheid "sowohl aus formalen wie auch rechtlichen Gründen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie unrichtiger Beweiswürdigung" kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens (bestehend aus den Beilagen 1. bis 8.) vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht - unter Vorlage eines vom Einheitskommandanten Major W unterfertigten Führungsblattes, welches keine Nummernbezeichnung aufweist - geltend, daß in dem genannten Führungsblatt das Datum der Pflichtverletzung statt richtig mit 9. Februar 1995 unrichtig mit 13. Februar 1995 angegeben worden sei. Die als erwiesen angenommene Pflichtverletzung könne nicht dem § 7 Abs. 4 der ADV unterstellt werden.

Mit dieser (gegen das erstinstanzliche Verfahren gerichteten) Rüge wird kein Mangel des von der belangten Behörde durchgeführten Berufungsverfahrens aufgezeigt. Daß auch der angefochtene Bescheid der belangten Behörde mit diesen Fehlern belastet wäre, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Dem von der belangten Behörde ausgefertigten Führungsblatt (Nr. 42/1995) sind die in der Beschwerde gerügten Mängel jedenfalls nicht zu entnehmen.

Der Beschwerdeführer hält das Disziplinarverfahren für rechtswidrig, weil für dieses Schriftlichkeit erforderlich gewesen wäre. Das AVG sehe nämlich hinsichtlich Verhandlungsniederschriften, Entscheidungen und der Rechtsmittelbelehrung die Schriftlichkeit vor. Zu den Disziplinarverhandlungen bzw. zur Berufungsverhandlung seien ihm keine (schriftlichen) Ladungen zugestellt worden, sondern die Verständigungen von den Verhandlungsterminen seien telefonisch und so kurzfristig erfolgt, daß eine ordnungsgemäße Vorbereitung von zwei Wochen nicht möglich gewesen sei.

Diesem Vorbringen ist folgendes zu erwidern:

Die Disziplinarbehörden sind im Hinblick auf die zeitliche Lagerung des Beschwerdefalles zutreffend davon ausgegangen, daß das Heeresdisziplinargesetz 1994 (HDG 1994, BGBl. Nr. 522/1994) anzuwenden ist (§ 89 Abs. 1 leg. cit.). Das vorliegende Disziplinarverfahren wurde als Kommandantenverfahren (§§ 58 ff leg. cit.) durchgeführt. In diesem Verfahren können gemäß § 62 Abs. 1 leg. cit. Disziplinarerkenntnisse mündlich oder schriftlich ergehen. Sie sind in jedem Fall schriftlich zu erlassen, sofern eine Geldstrafe oder die Unfähigkeit zur Beförderung oder die Degradierung verhängt wird (Z. 1) oder der Beschuldigte im Zeitpunkt der Erlassung dem Miliz- oder Reservestand angehört (Z. 2).

Im Beschwerdefall wurde über einen Unteroffizier im Präsenzstand, der demnach weder dem Milizstand (vgl. § 1 Abs. 4 Wehrgesetz 1990, BGBl. Nr. 305/1990) noch dem Reservestand (§ 1 Abs. 5 Wehrgesetz 1990) angehört, eine Geldbuße (im Sinne der §§ 50 Z. 2 und 51 HDG 1994) verhängt. Solcherart lag daher kein Fall vor, für den die Erlassung eines schriftlichen Disziplinarerkenntnisses gemäß § 62 Abs. 1 HDG 1994 zwingend vorgeschrieben gewesen wäre. Die für das Verfahren der ersten Instanz geltenden Bestimmungen sind zufolge § 64 Abs. 3 HDG 1994 im Berufungsverfahren anzuwenden.

Im vorliegenden Kommandantenverfahren waren die in § 23 Z. 1 HDG 1994 bezeichneten Bestimmungen des AVG anzuwenden; im übrigen war das AVG nicht anzuwenden. Die §§ 44 Abs. 1 und 62 Abs. 1 bis 3 AVG sind im § 23 Z. 1 HDG 1994 nicht angeführt; diese Bestimmungen waren daher im vorliegenden Kommandantenverfahren (nach dem HDG 1994) nicht anzuwenden. Insoweit davon abweichend in der Verfahrensrüge von der Anwendbarkeit sämtlicher Bestimmungen des AVG ausgegangen wird, verkennt der Beschwerdeführer demnach die im vorliegenden Disziplinarverfahren geltende Rechtslage. Die Vorwürfe des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe das Schriftlichkeitsgebot hinsichtlich der Verhandlungsniederschriften, der Entscheidungen und der Rechtsmittelbelehrung nicht eingehalten, sind daher nicht berechtigt (vgl. hiezu auch die zur insoweit vergleichbaren Rechtslage des Heeresdisziplinargesetzes 1985 ergangenen hg. Erkenntnisse vom 15. Dezember 1994, Zl. 93/09/0005, und vom 29. September 1992, Zl. 92/09/0149).

Bei der dargelegten Rechtslage kann allein im Nichtvorliegen einer Niederschrift bzw. einer schriftlichen Bescheidausfertigung (Beurkundung des mündlich erlassenen Bescheides) demnach kein relevanter Verfahrensmangel erblickt werden. Der Beschwerdeführer vermag zudem nicht darzulegen, welche seinem Standpunkt dienende Rechte er hätte wahren können, wenn die belangte Behörde schriftliche Ladungen zugestellt oder die behauptete Vorbereitungszeit gewährt hätte und inwieweit diese Vorgänge überhaupt geeignet gewesen wären, die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid zu führen. Es braucht daher nicht mehr untersucht zu werden, ob die belangte Behörde im vorliegenden Disziplinarverfahren eine Pflicht traf, schriftliche Ladungen zuzustellen und die behauptete Vorbereitungszeit zu gewähren. Die behaupteten Verfahrensfehler sind somit insgesamt betrachtet nicht wesentlich und rechtfertigen demnach nicht die Aufhebung des angefochtenen Bescheides (§ 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG).

Der Beschwerdeführer macht hinsichtlich der ihm angelasteten Pflichtenverletzung im wesentlichen geltend, er sei davon ausgegangen, daß ihm bei dem Eingewöhnungsmarsch am 9. Februar 1995 "alle vier Gruppenkommandanten zur Absicherung des Fußmarsches zur Verfügung stehen werden". Da dies der erste Marsch der Rekruten auf öffentlichen Verkehrswegen gewesen sei und winterliche Verhältnisse geherrscht hätten, "wurde von mir jeder Gruppenkommandant und somit auch Stabswachmeister R benötigt, um die bei Fußmärschen vorgeschriebenen Sicherheitsbestimmungen auch tatsächlich einhalten zu können". Kurz vor dem Abmarsch habe ihm der genannte Stabswachmeister R jedoch mitgeteilt, daß Leutnant H angeordnet habe, daß er (R) in der Kaserne zu bleiben habe. Daraufhin habe er (der Beschwerdeführer) R erklärt, daß dieser zur Absicherung der Soldaten auf dem Eingewöhnungsmarsch dringend benötigt werde und daher mitzumarschieren habe. Stabswachmeister R habe Leutnant H davon in Kenntnis gesetzt. Leutnant H habe dann neuerlich den Befehl erteilt, daß Stabswachmeister R in der Kaserne verbleiben müsse. Als ihm (dem Beschwerdeführer) der genannte Stabswachmeister R dies mitteilte, habe der Abmarsch des dritten Zuges gerade begonnen; hinter diesem Zug habe er mit dem von ihm kommandierten Zug nachzumarschieren gehabt. Er habe demnach sofort entscheiden müssen und dem Stabswachmeister R den Befehl erteilt, an dem Eingewöhnungsmarsch teilzunehmen und mitzumarschieren. Nach seiner (des Beschwerdeführers) Ansicht sei er zur "selbständigen Abänderung" des von Leutnant H erteilten Befehls gemäß § 7 Abs. 4 ADV rechtlich ermächtigt gewesen, weil diese Abänderung zur Gewährleistung der Sicherheit des von ihm kommandierten Zuges erforderlich gewesen sei. Er habe angenommen, daß Leutnant H an der Spitze des Zuges mitmarschieren werde. Weder Leutnant H noch ein anderer Offizier hätten jedoch an dem Marsch teilgenommen. Aus diesem Grund habe er seine Absicht, Leutnant H von der getroffenen Maßnahme unverzüglich in Kenntnis zu setzen, nicht verwirklichen können. Für ihn habe Gefahr im Verzug bestanden, da ihm kein weiterer Gruppenkommandant zur Verfügung gestanden sei, der auf dem Fußmarsch die Funktion von Stabswachmeister R hätte übernehmen können. Die besonderen Umstände des Falles seien von der belangten Behörde nicht richtig beurteilt worden. Vielmehr hätte geprüft werden müssen, ob der von Leutnant H erteilte Befehl sinnvoll und rechtzeitig erfolgt sei. Die Sicherheit seines Zuges (bei dem Eingewöhnungsmarsch) sei vorgegangen. Seine Selbsthilfemaßnahme, den Stabswachmeister R als Sicherungs- und Warnposten einzuteilen, sei daher richtig gewesen. Er habe daher nicht schuldhaft gehandelt. Ausgehend von den in der Beschwerde dargelegten Rechtsgrundsätzen sei der Einstellungsgrund der mangelnden Strafwürdigkeit gegeben.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 HDG 1994 sind Soldaten wegen Verletzung der ihnen im Präsenzstand auferlegten Pflichten disziplinär zur Verantwortung zu ziehen. Diese Pflichten ergeben sich - soweit dies für den Beschwerdefall von Bedeutung ist - aus dem Wehrgesetz 1990 (WG) und aus den Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer (ADV; Verordnung der Bundesregierung, BGBl. Nr. 43/1979).

Im Bereich der Landesverteidigung haben der Befehl und die komplementäre Gehorsamspflicht eine zentrale Bedeutung. Dies ist aus der Zusammenschau der Bestimmungen des § 47 Abs. 3 und 5 WG, des § 3 ADV - wonach der Soldat im Rahmen des Treueverhältnisses zur Republik Österreich, insbesondere zur Verteidigung der Demokratie, der demokratischen Einrichtungen sowie zu Disziplin, Kameradschaft, Gehorsam, Wachsamkeit, Tapferkeit und Verschwiegenheit verpflichtet ist - und den speziellen Vorschriften der §§ 6 und 7 ADV zu erkennen. Der grundsätzlichen Gehorsamspflicht gemäß § 47 Abs. 3 WG und § 7 Abs. 1 ADV stehen Rechte und Pflichten gegenüber, die die Gehorsamspflicht relativieren. So das Recht und die Pflicht des Soldaten zur Ablehnung von Befehlen (§ 7 Abs. 2 ADV, § 17 Militärstrafgesetz), Vorkehrungen für den Fall einander widersprechender Befehle (§ 7 Abs. 3 ADV), die selbständige Abänderungsmöglichkeit von Befehlen (§ 7 Abs. 4 ADV), das Recht, bestimmte Einwände gegen Befehle zu erheben (§ 7 Abs. 5 ADV) und eine schriftliche Ausfertigung zu verlangen, wenn diesen Einwänden nicht entsprochen wird (§ 6 Abs. 2 Z. 2 ADV); weiters die Pflicht, die Richtigkeit eines Befehls durch Rückfragen zu klären (§ 7 Abs. 6 ADV), und die Pflichten des Vorgesetzten (gemäß § 6 ADV, insbesondere nur Befehle zu erteilen, die mit dem Dienst zusammenhängen, mit dem Verbot, Befehle, die die Menschenwürde verletzen oder deren Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würden, zu erteilen und dessen allgemeine Pflicht, sich gegenüber seinen Untergebenen stets gerecht, fürsorglich und rücksichtsvoll zu verhalten und alles zu unterlassen, was ihre Menschenwürde verletzen könnte (§ 4 Abs. 1 ADV), in Verbindung mit dem Grundrecht gemäß Art. 3 MRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 7. Mai 1996, Zl. 95/09/0004).

Die im Beschwerdefall bedeutsame Bestimmung des § 7 ADV über den "Gehorsam" hat folgenden Wortlaut:

"(1) Jeder Untergebene ist seinen Vorgesetzten gegenüber zu Gehorsam verpflichtet. Er hat die ihm erteilten Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und pünktlich auszuführen. Das bloß buchstäbliche Befolgen von Befehlen ohne Rücksicht auf die ihnen offenkundig zugrundeliegende Absicht genügt allein nicht zur Erfüllung dieser Pflicht.

(2) Befehle, die von einer unzuständigen Person oder Stelle erteilt worden sind, sowie Befehle, deren Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde, sind nicht zu befolgen. Die Absicht, einen Befehl nicht zu befolgen, ist dem Befehlsgeber unverzüglich zu melden.

(3) Würde der Vollzug eines Befehls durch einen späteren Befehl eines anderen Vorgesetzten ganz oder teilweise verhindert, so hat der Befehlsempfänger diesem Vorgesetzten den früher erhaltenen Befehl zu melden. Besteht der Vorgesetzte, der den späteren Befehl erteilt hat, auf der Ausführung seines Befehls, so ist dieser zu vollziehen. Das gleiche gilt, wenn weder Zeit noch Gelegenheit zu einer solchen Meldung besteht. Der Befehlsempfänger ist verpflichtet, jedem Befehlsgeber, dessen Befehl abgeändert wurde, die erfolgte Abänderung sobald wie möglich zu melden. Die gleiche Verpflichtung trifft auch den Vorgesetzten, der den späteren Befehl erteilt und auf dessen Ausführung bestanden hat, soweit ihm die frühere Befehlslage gemeldet wurde.

(4) Wenn ein Befehl offenkundig

  1. 1. durch eine Veränderung der Verhältnisse überholt ist oder
  2. 2. das dienstliche Interesse infolge vom Befehlsgeber nicht vorausgesehener Umstände verletzen würde

    und weder Zeit noch Gelegenheit zur Meldung an den Befehlsgeber besteht, so ist der Befehlsempfänger berechtigt, je nach Sachlage vom Vollzug des Befehls Abstand zu nehmen oder den Befehl nach eigenem Ermessen abzuändern; er hat jedoch zu trachten, soweit wie möglich die Absicht des Befehlsgebers zu verwirklichen. Der Nichtvollzug oder die Abänderung ist dem Befehlsgeber so bald wie möglich zu melden.

(5) Einwände gegen einen Befehl sind nur zulässig, wenn nach Ansicht des Untergebenen

  1. 1. der Befehl von einer unzuständigen Person oder Stelle erteilt worden ist oder dessen Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde,
  2. 2. dem Vollzug des Befehls nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen oder
  3. 3. das Interesse des Dienstes eine Änderung des Befehls dringend notwendig macht.

    Wird einem auf Grund der Ziffer 2 oder 3 erhobenen Einwand nicht entsprochen, so ist der Befehl ohne Verzug zu vollziehen.

(6) Zweifel an der Richtigkeit eines Befehls sind durch Rückfragen zu klären. Fernmündlich oder durch Funkspruch ermittelte Befehle, die militärisch bedeutsame Tatsachen, Nachrichten oder Vorhaben betreffen, sind schriftlich festzuhalten.

(7) Der Vollzug eines Befehls ist nur dann zu melden, wenn dies ausdrücklich angeordnet ist."

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist im Beschwerdefall (unbestrittenermaßen) davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer einen Befehl, den Leutnant H (ein Vorgesetzter des Beschwerdeführers) an Stabswachmeister R erteilte - nämlich in der Kaserne zu bleiben und nicht an dem Marsch teilzunehmen - dadurch "abänderte", daß er dem genannten Befehlsempfänger einen inhaltlich gegenteiligen Befehl

Insoweit der Beschwerdeführer dabei die Regelung des § 7 Abs. 4 ADV für sich in Anspruch zu nehmen glaubt, verkennt er die Rechtslage, da nach dieser Bestimmung der unmittelbare Befehlsempfänger unter den näher geregelten Voraussetzungen berechtigt ist, vom Vollzug des Befehls Abstand zu nehmen oder den Befehl abzuändern.

Der Beschwerdeführer hat als Untergebener die von einem Vorgesetzten ausgehende Befehlslage durch sein Eingreifen in das Gegenteil verkehrt. Für einen derartigen Eingriff in die Befehlslage vermag der Beschwerdeführer jedoch weder eine taugliche rechtliche Grundlage noch ausreichende Gründe in seiner Beschwerde darzulegen. Denn die nicht weiter konkretisierte Behauptung, die Sicherheit des von ihm kommandierten Zuges wäre gefährdet gewesen, wenn der Befehlsempfänger R in der Kaserne verblieben wäre, vermag sein Eingreifen nicht zu rechtfertigen. Der Beschwerdeführer legt nicht konkret dar, auf Grund welcher Rechtsvorschriften die Teilnahme des Stabswachmeister R an dem Marsch geboten gewesen wäre. Des weiteren ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen, welche (nicht näher bezeichnete) "Sicherheitsbestimmung" die Teilnahme von vier Gruppenkommandanten zur Absicherung des Fußmarsches vorschreibt. Welche konkrete Absicherungsfunktion der Stabswachmeister R überhaupt ausgeübt hat bzw. warum dies erforderlich gewesen sein sollte, legt der Beschwerdeführer ebenfalls nicht (schlüssig) dar. Solcherart vermag der Verwaltungsgerichtshof aber der Beschwerde auch darin nicht zu folgen, daß für den Beschwerdeführer "Gefahr in Verzug" bestanden habe.

Es war bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde im Beschwerdefall zu dem Ergebnis gelangte, daß der Beschwerdeführer seine Gehorsamspflichten schuldhaft (zumindest fahrlässig) verletzte.

Den Überlegungen des Beschwerdeführers, sein Fehlverhalten sei geringfügig und wegen "mangelnder Strafwürdigkeit" disziplinär nicht erheblich, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen. Der Beschwerdeführer verkennt in dieser Hinsicht, daß Verletzungen der Gehorsamspflicht im Bereich der Landesverteidigung grundsätzlich nicht als geringfügig zu werten sind, und daß durch seinen Eingriff in die Befehlslage der Befehlsempfänger (Stabswachmeister R) mit der bedenklichen Situation konfrontiert wurde, daß ihm widersprechende Befehle (von zwei Vorgesetzten) erteilt wurden.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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