VwGH 95/01/0467

VwGH95/01/04679.4.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des P in G, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. August 1995, Zl. 4.346.965/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. August 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen Liberias, der am 28. Juni 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 29. Juni 1995 den Asylantrag gestellt hat, gegen den diesem Antrag nicht stattgebenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. Juli 1995 abgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, sie schließe sich der rechtlichen Würdigung der Behörde erster Instanz in deren Bescheid vollinhaltlich an und erkläre die begründenden Ausführungen dieses (erstinstanzlichen) Bescheides zum Inhalt auch des gegenständlichen (angefochtenen).

Die Behörde erster Instanz hatte ihren Bescheid wie folgt begründet:

"Ihrem gesamten Vorbringen war jegliche Glaubwürdigkeit abzusprechen. Sie sind weder über die geographischen, noch die politischen Verhältnisse in Liberia informiert, Sie kennen lediglich einige Begriffe, von denen anzunehmen ist, daß Sie diese Begriffe auswendig gelernt haben, da Sie diese Begriffe auch nicht zuordnen konnten.

Ihnen ist weder die geographische Lage Marylands bekannt, noch vermochten Sie die County-Hauptstadt Harper richtig zu placieren. So gaben Sie dezidiert an, nach Harper könnten keine Schiffe fahren, tatsächlich gehört Harper zu den größten Seehäfen an der liberianischen Küste. Obwohl Ihnen eine Skizze der Grenzen Liberias vorgelegt wurde, vermochten Sie trotzdem nicht, irgendwelche Orte geographisch zu definieren.

Die Unglaubwürdigkeit Ihrer Aussage zum Fluchtgrund wird dann dadurch bestätigt, daß Sie weder die Bürgerkriegsparteien, noch die Übergangsregierung zu definieren vermochten. So bezeichnen Sie einen gewissen Samuel Toa - es ist wohl anzunehmen, daß Ihnen der Name Samuel Doe ein Begriff ist - als das Oberhaupt der Übergangsregierung, von der Sie verfolgt würden. Nun ist anzumerken, daß Samuel Doe am 9.9.1990 getötet worden war. Später bezeichnen Sie dann wieder Amos Sawyer als Interimspräsidenten, allerdings erst, nachdem Ihnen der Begriff Interimspräsident genannt worden war. Wenn Sie tatsächlich zu Charles Taylor gehört hätten, müßte wohl auch davon ausgegangen werden, daß Sie die Bedeutung der Abkürzung NPFL kennen müßten.

Völlig unglaubwürdig ist schließlich Ihre Aussage, in einem Lager in Kissi Mayo sei von Regierungssoldaten nach Ihrem Vater und Ihnen selbst gefragt worden. Wenn sich Kissi Mayo Ihrer Aussage zufolge in Maryland befinden soll, lagen zwischen dem Lager und dem von Regierungstruppen kontrollierten Gebiet einige hundert Kilometer NPFL-Gebiet. Die Regierungstruppen halten nur den Bereich Monrovia und Umgebung und es erscheint geradezu absurd, daß Regierungssoldaten einige hundert Kilometer tief im Feindesland in einem feindlichen Lager Personen suchen könnten.

Aufgrund der erwähnten geographischen und politischen Unkenntnis und Ihrer Undokumentiertheit ist davon auszugehen, daß Sie entweder nicht aus Liberia stammen, oder zumindest nur aus einem Teil Liberias, wo Sie mit den von Ihnen geschilderten Vorgängen tatsächlich nie in Berührung kamen.

Ebenso unglaubwürdig bleiben auch Ihre Aussagen zum Fluchtweg. Sie stellen die Behauptung in den Raum, in einer zweiwöchigen Fahrt in den Senegal gelangt zu sein. Sie vermochten jedoch weder über die Fahrtroute, noch über den Aufenthaltsort im Senegal und auch nicht über das Schiff auch annähernd brauchbare Aussagen zu machen. Derart wenig fundierte Aussagen sind nicht geeignet, die Glaubwürdigkeit auch nur vermuten zu lassen. Einzig und alleine glaubhaft erscheint noch, daß Sie tatsächlich in Laibach waren, da Ihnen der Name Ljubljana bekannt ist. Wie Sie dorthin gelangten, blieb der erkennenden Behörde jedoch verborgen, zumal es nicht möglich ist, mit einem Schiff nach Laibach zu gelangen. Es ist daher davon auszugehen, daß Sie auch zur Reiseroute bewußt falsche Angaben machten."

Sowohl die Behörde erster Instanz als auch die belangte Behörde kamen daher zu dem Schluß, der Beschwerdeführer habe seine Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 nicht glaubhaft machen können, und er sei überdies vor Einreise in das Bundesgebiet in Slowenien im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. vor Verfolgung bereits sicher gewesen.

Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 25. August 1995 richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof unter Abstandnahme von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG erwogen hat:

In der Beschwerde macht der Beschwerdeführer als Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, die Behörde habe ihre Ermittlungspflicht im Sinne des § 16 AsylG 1991 nicht genützt, sie habe es vielmehr unterlassen,

"durch geeignete Fragestellungen in Erfahrung zu bringen, ob aus der Unkenntnis des BF in politischer und geografischer Hinsicht auch seine Unglaubwürdigkeit hinsichtlich der Fluchtgeschichte anzunehmen ist. Auszugehen ist davon, daß aus allgemeinen Erfahrungen hinsichtlich eines Bildungsniveaus in Österreich keine Schlüsse auf liberianische Staatsangehörige gezogen werden. Es ist davon auszugehen, daß selbst ca. 5 % aller volljährigen Österreicher Vor- und Zunamen des Vizekanzlers unbekannt sind und weitere 5 % auch nicht in der Lage sind, den Namen des österreichischen Bundespräsidenten zu nennen.

In Anbetracht dieser Tatsache ist es wohl verständlich, daß ein Jugendlicher Liberianer mit kaum vorhandener Schulbildung nicht die entsprechenden Detailkenntnisse in politischer Hinsicht aufbringen kann. Die belangte Behörde hat daher nicht den persönlichen Eindruck vom BF für ihre maßgebenden Schlußfolgerungen herangezogen, sondern hat sich lediglich von den leicht zu erklärenden Bildungslücken des BF leiten lassen. Das Verfahren ist daher mangelhaft."

Damit zeigt der Beschwerdeführer aber eine der belangten Behörde unterlaufene wesentliche Verfahrensverletzung nicht auf. Vielmehr halten die von ihr im Rahmen des § 66 Abs. 4 AVG zulässigerweise übernommenen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0045) Erwägungen der Behörde erster Instanz zur Beweiswürdigung der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auf ihre Schlüssigkeit stand. Insoweit der Beschwerdeführer die nicht ausreichende Sachverhaltsgrundlage für eine (umfassende) Beweiswürdigung behauptet, legt er selbst nicht dar, welche Art der "Ermittlung" die belangte Behörde hätte pflegen müssen, um sich ein Bild von den dem Beschwerdeführer zumutbaren Kenntnissen außer durch Fragestellung über grundlegende und in engem Konnex zum persönlichen Lebensbereich des Beschwerdeführers stehende Verhältnisse machen zu können und darauf aufbauend dessen Glaubwürdigkeit einer Überprüfung zu unterziehen. Die Behörde hat in durchaus nachvollziehbarer, den Denkgesetzen in keiner Weise widersprechenden Art und Weise dargelegt, warum sie die im einzelnen aufgezeigten Wissenslücken des Beschwerdeführers als signifikant im Sinne einer Unglaubwürdigkeit angesehen hat. Nach dem Inhalt der mit ihm am 5. Juli 1995 aufgenommenen Niederschrift wurden dem Beschwerdeführer Fragen gestellt, die mit ihm bzw. seinem behaupteten geografischen und politischen Umfeld in direktem Zusammenhang standen und von denen angenommen hätte werden können, daß er zumindest rudimentäre Kenntnisse darüber entwickelt. Der in der Beschwerde enthaltene Hinweis auf mögliche Bildungsdefizite der österreichischen Jugend lassen die diesbezüglichen beweiswürdigenden Erwägungen der Verwaltungsbehörden in keinem anderen Licht erscheinen. Dem Verwaltungsgerichtshof ist es auf Grund seiner Prüfungsbefugnis verwehrt, in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde die von der Behörde vorgenommene Beweiswürdigung daraufhin zu überprüfen, ob nicht der gegenteilige Schluß aus den aufgenommenen Beweisen gezogen hätte werden können. Der Verwaltungsgerichtshof kann wohl die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung, nicht aber ihre konkrete Richtigkeit nachprüfen (vgl. dazu die in Dolp3 zu § 41 II, S 551 wiedergegebene Judikatur). Im übrigen sieht der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlaß, der Anregung des Beschwerdeführers auf Einbringung eines Gesetzesprüfungsantrages hinsichtlich des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 in der Fassung der Kundmachung BGBl. Nr. 610/1994 nachzukommen.

Hat aber die belangte Behörde die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 zu Recht als nicht gegeben erachtet, war auf die Frage der Verfolgungssicherheit im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. und die darauf bezugnehmenden Ausführungen in der Beschwerde nicht näher einzugehen.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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