VwGH 94/15/0188

VwGH94/15/018810.4.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny sowie Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der I in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 31. Mai 1994, Zl. GA 7-961/4/94, betreffend Haftung für Abgabenschuldigkeiten, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §216;
BAO §224 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
BAO §216;
BAO §224 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 6. Dezember 1991 zog das Finanzamt die Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf die §§ 9 und 80 BAO als Geschäftsführerin der E.-GmbH für näher bezeichnete, bei dieser aushaftende Abgabenschuldigkeiten im Gesamtbetrag von S 614.690,-- zur Haftung heran.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, sie könne eine ordnungsgemäße Berufung gegen den Haftungsbescheid nicht ausführen, weil ihr die begehrte Akteneinsicht in die Steuerakten und in die Unterlagen der Lohnsteuerprüfung der E.-GmbH verweigert worden sei. Vorsichtshalber werde daher dem Grunde und der Höhe nach die Richtigkeit der dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden, die genannte GmbH betreffenden abgabenrechtlichen Bescheide bestritten.

Nach Gewährung der von der Beschwerdeführerin begehrten Akteneinsicht führte sie in einem weiteren Berufungsschriftsatz - soweit für das Beschwerdeverfahren noch von Bedeutung - aus, bei der mit "L. 1990" in Höhe von S 43.156,-- mit Fälligkeitstag 10. Jänner 1991 ausgewiesenen haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeit sei nicht klar, "um welche Monate es sich handeln soll, in welchen die Lohnsteuer zu berechnen gewesen wäre". Unklar sei weiters, um welche Abgabenschuldigkeit es sich bei der mit "DZ 1990" im Betrag von S 3.052,-- ausgewiesenen Abgabenschuldigkeit mit Fälligkeitstag 10. Jänner 1991 handle.

In seiner abweislichen Berufungsvorentscheidung erläuterte das Finanzamt, daß es sich bei der letztangeführten Abgabe um den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag handle.

Die Beschwerdeführerin beantragte hierauf die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insoweit statt, als sie die Haftungsinanspruchnahme der Beschwerdeführerin auf den Betrag von S 280.740,-- einschränkte (nämlich auf die im erstinstanzlichen Haftungsbescheid zu St.Nr. 258/6032 angeführten Abgaben in Höhe von S 2.070,-- zuzüglich folgender Abgaben zur St.Nr. 404/5525:

Umsatzsteuer für das Jahr 1989 in der Höhe von S 189.361,--, Lohnsteuer für das Jahr 1990 in der Höhe von S 43.156,--, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für das Jahr 1990 in der Höhe von S 34.344,--, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 1990 in der Höhe von S 3.052,--, Pfändungsgebühr für das Jahr 1991 in der Höhe von S 165,-- sowie Säumniszuschläge für das Jahr 1990 in der Höhe von S 8.592,--). Die Einschränkung des Haftungsbetrages sei auf Gutschriften im Gesamtbetrag von S 333.950,-- auf dem zuletzt angeführten Abgabenkonto zurückzuführen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Im Beschwerdefall ist weder strittig, daß die haftungsgegenständlichen Abgaben bei der E.-GmbH uneinbringlich sind, noch, daß die Beschwerdeführerin im maßgebenden Zeitraum Vertreterin der Gesellschaft im Sinne des § 80 Abs. 1 BAO war. Ob eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch die Beschwerdeführerin zur Uneinbringlichkeit der Abgaben führte, steht hingegen insoweit in Streit, als die Beschwerde meint, die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten der E.-GmbH bestünden nicht, weswegen auch die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme der Beschwerdeführerin nicht gegeben seien.

Dieses Vorbringen stützt sich auf die von der E.-GmbH zu einem Zeitpunkt, als dieser gegenüber unter Schätzung der Bemessungsgrundlagen schon abgabenrechtliche Bescheide erlassen worden waren, für die betreffenden Abgaben und Zeiträume erstmals eingereichten Abgabenerklärungen. Die belangte Behörde war aber an die diesen Abgabenerklärungen vorangegangenen Bescheide bis zu deren allfälliger Änderung gebunden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 94/14/0148). Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgaben können - solange die erlassenen abgabenrechtlichen Bescheide dem Rechtsbestand angehören - im Verfahren über die Geltendmachung der Haftung nicht mit Erfolg erhoben werden. Durch Gründe, die sich auf den Abgabenanspruch beziehen, kann der zur Haftung Herangezogene im Verfahren über die Geltendmachung der Haftung dann, wenn dem Erstschuldner bereits abgabenrechtliche Bescheide erteilt wurden, nicht in einem Recht verletzt sein (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1990, Zl. 89/15/0067).

Soweit die Beschwerdeführerin weiters vorbringt, sie sei an der Geltendmachung ihrer Rechte im Haftungsverfahren gehindert gewesen, weil für sie nicht nachvollziehbar sei, "aus welchem Titel es zu einer Gutschrift in Höhe von S 333.950,--" gekommen sei, verkennt sie, daß sich die Gutschrift ohnedies zu ihren Gunsten ausgewirkt hat. Die Beschwerde behauptet auch nicht, daß die Gutschrift in zu geringer Höhe gewährt oder bei Einschränkung der Haftungsinanspruchnahme durch die belangte Behörde berücksichtigt worden sei, wobei allfällige Meinungsverschiedenheiten zwischen der Beschwerdeführerin und der Abgabenbehörde darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, nicht im Haftungsverfahren, sondern in einem durch einen Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides gemäß § 216 BAO ausgelösten Verfahren zu entscheiden (gewesen) wären.

Dem Beschwerdeeinwand, die belangte Behörde sei in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf das die haftungsgegenständliche Abgabenschuldigkeit "L 1990" in Höhe von S 43.156,-- betreffende Berufungsvorbringen nicht eingegangen, ist entgegenzuhalten, daß die haftungsgegenständliche Abgabe schon im erstinstanzlichen Haftungsbescheid hinreichend spezifiziert wurde (nämlich nach Abgabenart, Abgabenzeitraum, Fälligkeit und Höhe der Abgabenschuld). Darüber hinaus mußten der Beschwerdeführerin die die Nachforderungen begründenden Umstände sowohl als Geschäftsführerin der E.-GmbH als auch als Empfängerin der Unterlagen über die bei dieser Gesellschaft durchgeführte Lohnsteuerprüfung näher bekannt sein.

Wenn die Beschwerde schließlich noch die Verwendung der Bezeichnung einer haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeit in Höhe von S 3.052,-- im erstinstanzlichen Bescheid mit "DZ 1990" als unverständlich rügt, so übersieht sie, daß ihr die Bedeutung dieser Abkürzung bereits durch die Berufungsvorentscheidung mitgeteilt worden ist. Damit wurde der behauptete Mangel im Verfahren vor der Abgabenbehörde erster Instanz saniert. Im übrigen können nur Mängel des Berufungsverfahrens, nicht aber Mängel des vorangegangenen erstinstanzlichen Verfahrens zur Aufhebung einer Berufungsentscheidung führen.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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