VwGH 94/11/0303

VwGH94/11/030322.4.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde der E, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in R, gegen die Bescheide des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 23. August 1994, Zlen. 1. VwSen-220623/6/Schi/Ka bis

8.) VwSen-220631/6/Schi/Ka, alle betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AZG §10;
AZG §28 Abs1;
VwRallg;
AZG §10;
AZG §28 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden im Umfang der Schuld-, Straf- und Kostenaussprüche betreffend die Verwaltungsübertretungen nach § 10 AZG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von S 13.220,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden wurde der Beschwerdeführerin jeweils zur Last gelegt, sie habe anläßlich der Internationalen Landwirtschaftsmesse in Ried bei ihrem "Weinstand" acht namentlich genannte Arbeitnehmer

1. an im einzelnen bezeichneten Tagen in der Zeit zwischen 30. August und 8. September 1991 über die höchstzulässige tägliche Arbeitszeit von 10 Stunden hinaus beschäftigt,

  1. 2. sie in der 36. Kalenderwoche über die höchstzulässige Anzahl von 15 Überstunden pro Woche hinaus beschäftigt,

3. ihnen in der unter 1. genannten Zeit nicht die tägliche Mindestruhezeit gewährt und

  1. 4. für die geleisteten Überstunden nicht den dafür gebührenden Zuschlag bezahlt.

    Dadurch habe die Beschwerdeführerin gegen folgende Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes verstoßen: 1. §§ 9 und 7 Abs. 1 und 2,

    2. § 7 Abs. 2 iVm Punkt 4 lit. a des Kollektivvertrages für die Arbeitnehmer im österreichischen Hotel- und Gastgewerbe,

    3. § 12, 4. § 10 Abs. 1. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über die Beschwerdeführerin Geldstrafen verhängt, und zwar wegen der unter 1. bis 3. genannten Übertretungen pro Arbeitnehmer S 1.000,--, wegen der unter 4. genannten Übertretungen pro Arbeitnehmer S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils 1 bzw. 3 Tage). Weiters wurde der von der Beschwerdeführerin zu leistende Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens bestimmt.

    In ihrer gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide geltend; sie beantragt deren kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

    Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

    1. Die belangte Behörde stützte (wie schon die Erstbehörde) die Feststellungen hinsichtlich der unter 1. bis 3. genannten Übertretungen auf die Angaben in der Anzeige des Arbeitsinspektorates, der wiederum die von den einzelnen Arbeitnehmern erstellten Arbeitsaufzeichnungen zugrundelagen. In den angefochtenen Bescheiden führte sie dazu in Erwiderung auf das jeweils gleichlautende Berufungsvorbringen aus, die Beschwerdeführerin habe zwar formal die Straferkenntnisse dem Grunde nach angefochten, in ihren weiteren Ausführungen aber die ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen im wesentlichen zugestanden und dabei eingeräumt, daß sie während der Messe infolge Arbeitsüberlastung bzw. Unwissenheit nicht auf die Einhaltung der Ruhezeiten geachtet und angenommen habe, die Arbeitnehmer würden von sich aus durch entsprechende Einteilung der Arbeitszeit die Ruhezeiten einhalten.

    Die Beschwerdeführerin macht insoweit geltend, es sei mit den Beschäftigten vereinbart gewesen, daß sich diese ihre Arbeit und Freizeit selbst einteilen, da sie selbst am besten beurteilen könnten, wann dies dem Geschäftsgang bei der Messe entsprechend ohne Probleme möglich sei. Die Beschäftigten hätten der Beschwerdeführerin gegenüber nie zu verstehen gegeben, sie müßten so viele Überstunden machen, daß sie deshalb zu wenig Ruhezeiten hätten. Lediglich zu gewissen "Spitzenumsatzzeiten" hätte der eine oder andere Mitarbeiter auch Überstunden leisten müssen. Die von den Beschäftigten behaupteten Arbeitszeiten seien frei erfunden, sie stünden mit der Realität in Widerspruch und sie seien bei entsprechender Einteilung niemals notwendig gewesen und deshalb von der Beschwerdeführerin auch weder gewünscht noch gestattet worden.

    Dieses pauschale Vorbringen vermag keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide darzutun. Die Beschwerdeführerin bezweifelt damit ganz allgemein die Richtigkeit der von der belangten Behörde jeweils angenommenen Arbeitszeiten, insbesondere in Ansehung des Ausmaßes der Überstunden. Sie unterläßt es aber, obwohl sie als Arbeitgeberin gemäß § 26 Abs. 1 AZG zur Führung von Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden verpflichtet war, konkrete Angaben über die nach ihrer Meinung von den Arbeitnehmern tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden einschließlich Überstunden und über die ihnen tatsächlich gewährte tägliche Ruhezeit zu machen. Das diesbezügliche Vorbringen vermag schon deshalb beim Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken gegen die Feststellungen, die den Schuldsprüchen unter Pkt. 1. bis 3. zugrundeliegen, zu erwecken.

    2. Soweit die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Strafbemessung die (bereits von der Erstbehörde getroffene) Annahme eines monatlichen Einkommens von S 25.000,-- rügt, begnügt sie sich mit dem Hinweis auf den Steuerbescheid von 1991 und ein Schreiben ihrer Steuerberatungskanzlei für das Jahr 1992, aus denen sich ergebe, daß sie kein zu versteuerndes Einkommen habe. Dieses Vorbringen ist deshalb nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit der Strafbemessung aufzuzeigen, weil konkrete Angaben zur Einkommenssituation der Beschwerdeführerin bei Erlassung der angefochtenen Bescheide (im August 1994) fehlen; maßgebend ist insoweit die aktuelle Einkommenssituation, nicht jene in länger zurückliegenden Jahren. Dazu kommt, daß das zu versteuernde Einkommen nicht ohne weiteres mit dem für die Belange der Strafbemessung maßgebenden Einkommen gleichgesetzt werden kann.

    3. Soweit die Beschwerdeführerin die Bestrafung wegen Übertretungen des § 10 AZG bekämpft, ist sie aus nachstehenden Erwägungen im Recht:

    Der mit "Überstundenvergütung" überschriebene § 10 AZG lautet:

"(1) Für Überstunden gebührt ein Zuschlag von 50 v.H.

(2) Der Berechnung des Zuschlages gemäß Abs. 1 ist der auf die einzelne Arbeitsstunde entfallende Normallohn zugrunde zu legen. Bei Akkord-, Stück- und Gedinglöhnen ist dieser nach dem Durchschnitt der letzten dreizehn Wochen zu bemessen. Durch Kollektivvertrag kann auch eine andere Berechnungsart vereinbart werden."

Nach § 28 Abs. 1 AZG (in der hier anzuwenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 446/1994) sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zuwiderhandeln, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Bergbau von der Berghauptmannschaft, mit einer Geldstrafe von S 300,-- bis S 6.000,-- oder mit Arrest von drei Tagen bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine Blankettstrafnorm, d.h. eine Norm, die dadurch gekennzeichnet ist, daß sie selbst keine Tatbilder enthält, sondern auf andere Vorschriften verweist, die damit Teil des Verwaltungsstraftatbestandes werden. Wenn - wie im Falle des § 28 Abs. 1 AZG - auf alle Vorschriften eines Gesetzes oder einer Verordnung verwiesen wird, kommen als Übertretungsnormen nur solche in Betracht, die dem Normadressaten ein ausreichend genau umschriebenes Verhalten verbieten oder gebieten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 1996, Zl. 94/11/0223, mwN).

§ 10 AZG legt in seinem Abs. 1 die Höhe eines zivilrechtlichen Anspruches des Arbeitnehmers, nämlich des für Überstunden gebührenden Zuschlages, fest und trifft in seinem Abs. 2 Anordnungen für die Berechnung des Überstundenzuschlages. Eine bestimmte Verhaltenspflicht wird dem Normadressaten damit nicht auferlegt. Die Verpflichtung zur Zahlung des für Arbeitsleistungen gebührenden Entgelts und dessen Fälligkeit ergeben sich aus dem zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Arbeitsvertrag. § 10 AZG enthält somit keine Übertretungsnorm im Sinne des § 28 Abs. 1 AZG (vgl. das zur im wesentlichen inhaltsgleichen Regelung des § 14 KJBG ergangene hg. Erkenntnis vom 4. Februar 1993, Zl. 91/19/0093). Die in diesem Erkenntnis angestellten Überlegungen zum Schutzzweck der Norm kommen hier in gleicher Weise zum Tragen:

Auch § 10 Abs. 1 AZG dient nicht dem Schutzzweck der Normen betreffend die Festlegung von Obergrenzen für die Normalarbeitszeit, sondern legt eine zivilrechtliche Folge für deren Überschreitung fest. Ein Bedürfnis, die Nichtzahlung oder verspätete Zahlung des Zuschlages unter Verwaltungsstrafsanktion zu stellen, ist nicht erkennbar; diesbezüglich genügt die Durchsetzbarkeit der Entgeltansprüche in dem für Arbeitsrechtssachen geltenden Verfahren vor den Gerichten. Die in der Literatur (Grillberger, Arbeitszeitgesetz, Anm. 3 zu § 28; Cerny, Arbeitszeitrecht,

2. Auflage, Anm. 1 zu § 28) unter Berufung auf den Wortlaut des § 28 Abs. 1 AZG vertretene gegenteilige Ansicht wird nicht geteilt, weil es im gegebenen Zusammenhang nicht auf den Wortlaut der Blankettstrafnorm des § 28 AZG, sondern auf den Inhalt des § 10 AZG ankommt.

4. Aus den dargelegten Gründen waren die angefochtenen Bescheide in dem im Spruch bezeichneten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben; im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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