Normen
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §82a Abs3;
StörfallV 1991 §3 idF 1991/593;
StörfallV 1991 §4 idF 1991/593;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §82a Abs3;
StörfallV 1991 §3 idF 1991/593;
StörfallV 1991 §4 idF 1991/593;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 1993, Zl. 92/04/0255, verwiesen.
Im fortgesetzten Verfahren wies der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Bescheid vom 6. Juli 1994 (neuerlich) die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es im wesentlichen, "Sache" des Berufungsverfahrens sei regelmäßig der Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde. Dies sei im vorliegenden Fall die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung der Berufung der Beschwerdeführerin im Bescheid der Behörde zweiter Instanz wegen mangelnder Nachbareigenschaft. Auf Grund des § 75 Abs. 2 GewO 1994 könnten als Nachbarn einer Betriebsanlage nur jene Personen angesehen werden, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Zur Erlangung der Nachbareigenschaft sei es wohl nicht erforderlich, "daß jemand unmittelbar benachbart zu einer Betriebsanlage sich regelmäßig aufhält oder dort über Liegenschaftseigentum verfügt (Anrainer)". Die Nahebeziehung zur Betriebsanlage müsse jedoch so eng sein, daß derjenige irgendwelchen Einflüssen der Betriebsanlage ausgesetzt sein könne. Hiefür sei der Abstand, im vorliegenden Fall des Wohnhauses der Beschwerdeführerin zur Betriebsanlage, den der gewerbetechnische Sachverständige der Behörde dritter Instanz mit 1.540 m exakt ermittelt habe, von entscheidender Bedeutung. Der zweite wesentliche Faktor sei das in der Betriebsanlage vorhandene Gefahrenpotential, zumal sich die Berufung ausschließlich auf den Brand- bzw. Explosionsfall und dabei entstehende Emissionen beziehe. In dem durch den Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Vorbescheid habe sich die Gewerbebehörde dritter Instanz auf die allgemeine Lebenserfahrung berufen und sei zu dem Schluß gekommen, daß eine Gefährdung der Beschwerdeführerin auch in einem solchen Fall sachverhaltsbezogen ausgeschlossen werden könne. Auf Grund des zitierten Verwaltungsgerichtshoferkenntnisses habe sich der gewerbetechnische Sachverständige, der von seiner Ausbildung her Chemiker sei und über große Erfahrung auch auf dem Gebiet des Brand- und Explosionsschutzes verfüge, im fortgesetzten Verfahren ausgiebig mit den im Betrieb vorhandenen Abfällen, Einsatzstoffen und den angewendeten Technologien auseinandergesetzt. Er sei dabei zu dem Schluß gekommen, daß es sich um keine selbstentzündlichen Stoffe handle und sämtliche Behandlungsstücke "im wässrigen Milieu" durchgeführt würden. Da die Behörde bei ihrer Beurteilung von der Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen auszugehen habe, habe sie in bezug auf die befürchteten Gefahren die diesbezüglichen Auflagen analysiert und sei zum Schluß gekommen, daß bei Einhaltung der brandschutztechnischen Maßnahmen (des Projektes und der vorgeschriebenen Auflagen) die Entstehung eines Brandes im Bereich der verfahrensgegenständlichen Betriebsanlage nahezu unmöglich sei. Sollte dennoch wider Erwarten ein Brand ausbrechen, so sei eine rasche Erkennung und Bekämpfung des Brandes möglich, sodaß im Bereich der verfahrensgegenständlichen Änderung ein Brandgeschehen, welches zu Beeinträchtigungen der Beschwerdeführerin führen könnte, ausgeschlossen werden könne. Auch sei aus gewerbetechnischer Sicht kein Grund zur Annahme einer Explosionsgefahr gegeben, weil keine Explosivstoffe im Betrieb gelagert oder behandelt würden. Durch dieses ausführliche und schlüssige Gutachten sei - wissenschaftlich begründet - die Beurteilung der Behörde im Vorbescheid vollinhaltlich bestätigt worden. Zu dem im Rahmen des Parteingehörs von der Beschwerdeführerin erstatteten Vorbringen sei festzuhalten, daß die Gewerbebehörde schon auf Grund der Bestimmungen des § 77 Abs. 1 GewO 1994 für den Brand- und Explosionsfall Vorsorge zu treffen habe und in diesem Bereich - bei rechtzeitiger Erhebung von Einwendungen wegen befürchteter Gefährdungen des Lebens oder der Gesundheit bzw. des Eigentums - ein Mitspracherecht für Nachbarn bestehe (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 17. Februar 1987, Zl. 86/04/0165, und vom 27. Jänner 1989, Zl. 88/04/0356). In diesem Zusammenhang sei auf die voraussehbaren Umstände im Sinne des § 77 Abs. 1 in bezug auf den vorliegenden Sachverhalt (sachverhaltsbezogener Ausschluß von Gefährdungen) abzustellen, wie auch in dem im vorliegenden Fall ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt werde. Davon aber zu unterscheiden sei das Störfallrecht nach der Störfallverordnung, BGBl. Nr. 593/1991, hinsichtlich deren Anwendung keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte bestünden (Hinweis auf Donninger-Zeplichal, Störfallverordnung, RN 132). Aus diesem Grund sei auch auf die Ausführungen in der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Stellungnahme der "ÖKo-Info" vom 29. Februar 1994 nicht weiter in der Sache einzugehen. Es falle jedoch bei Durchsicht des Auflagenkataloges des Bescheides der Behörde erster Instanz auf, daß selbst für die Verhinderung der Bildung von gefährlichen Verbindungen durch Fehlbedienungen (menschliches Versagen) Vorsorge getroffen worden sei. Zusammenfassend sei festzuhalten, daß nunmehr durch die Einholung des ergänzenden gewerbetechnischen Gutachtens "dem Verbesserungsauftrag" des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 21. Juni 1993 voll entsprochen worden und die im Vorbescheid getätigte Aussage zu wiederholen sei, nämlich, daß die Beschwerdeführerin selbst im Brandfall durch Auswirkungen der Betriebsanlage nicht gefährdet werden könne (der Explosionsfall sei nach dem Gutachten des Sachverständigen auszuschließen). Der Bescheid der Behörde zweiter Instanz sei daher zu bestätigen gewesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift
mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht "auf Schutz vor Gefährdungen, namentlich vor zu befürchtenden Immissionen (durch die geplante Erweiterung der Betriebsanlage), auf Teilnahme am Verfahren als Partei sowie auf eine dem AVG entsprechende Begründung des Bescheides verletzt". In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes bringt sie im wesentlichen vor. Die belangte Behörde habe im zweiten Rechtsgang das Gutachten eines Amtssachverständigen eingeholt. Die Beschwerdeführerin habe fristgerecht ein Privatgutachten vorgelegt. Im bekämpften Bescheid führe die belangte Behörde zu diesem Gutachten inhaltlich nichts aus. Sie erwähne lediglich, daß "von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme nur die Berufungswerberin F Gebrauch machte". In der Begründung des bekämpften Bescheides gehe die belangte Behörde mit keinem Wort auf das vorgelegte Privatgutachten ein, obwohl auch dieses ein Ergebnis des Ermittlungsverfahrens darstelle. Eine (notwendige) Beweiswürdigung der beiden Gutachten sei in der Begründung des Bescheides ebenfalls nicht zu finden. Der Bundesminister führe lediglich aus, daß betreffend Störfälle keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte bestünden. Aus diesem Grund sei auch auf die Ausführungen in der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Stellungnahme der "ÖKO-Info" nicht weiter in der Sache einzugehen. Es sei zwar richtig, daß betreffend die Störfallverordnung keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte bestünden. Betreffend Störfälle, die konkrete Auswirkungen auf die betroffenen Nachbarn haben könnten (z.B. Brände, die die Beschwerdeführerin besonders fürchte), bestehe allerdings sehr wohl ein subjektiv-öffentliches Recht. Die belangte Behörde hätte in ihrem Bescheid daher sehr wohl auf die Ausführungen des Gutachtens der Firma "ÖKO-In-Form" eingehen müssen und diese zumindest einer Beweiswürdigung unterziehen müssen. Daß die genannte Firma in Unkenntnis der Rechtslage vor allem eine Störfallanalyse verlangt habe, schade nicht, da die Kenntnis der Rechtslage bei der Behörde liege. Insgesamt gehe aus der Stellungnahme der Firma "ÖKO-In-Form" hervor, daß diese der Meinung sei, daß sehr wohl eine Gefährdung der Beschwerdeführerin durch Immissionen bei einem Brand entstehen könne, und zwar vor allem deswegen, weil auf Grund der Vielzahl der verwendeten Chemikalien eine genaue Voraussage der zu erwartenden Immissionen im Brandfall unmöglich sei. Die technischen Amtssachverständigen führten aus, daß ein Brandgeschehen, welches zu Beeinträchtigungen der Beschwerdeführerin führe, ausgeschlossen werden könne. Dies deswegen, weil eine rasche Erkennung und Bekämpfung des Brandes möglich sei. Dagegen wende der Privatsachverständige die Möglichkeit menschlichen Versagens ein, die vom Amtssachverständigen nicht berücksichtigt werde. Diese beiden widersprüchlichen Sachverständigenaussagen hätten jedenfalls einer Beweiswürdigung unterzogen werden müssen, wenn schon nicht die Stellungnahme der Firma "ÖKO-In-Form" dem Amtssachverständigen zur Äußerung zugestellt worden sei, was nach Ansicht der Beschwerdeführerin notwendig gewesen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis Slg. N.F. Nr. 8807/A ausgeführt, daß die Behörde sich mit einem vorgelegten Gutachten eines privaten Sachverständigen im Bescheid auseinanderzusetzen hätte müssen, wenn eines vorgelegt worden wäre. Im vorliegenden Fall habe die Beschwerdeführerin ein privates Sachverständigengutachten vorgelegt; die belangte Behörde habe sich im Bescheid aber nicht damit auseinandergesetzt, bis auf die - nicht zutreffende - Bemerkung, es sei wegen fehlendem subjektiv-öffentlichen Recht nicht weiter in der Sache darauf einzugehen. Diese Begründungslücke hindere die Nachprüfung des Bescheides auf seine Gesetzmäßigkeit, weshalb die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt habe, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Nach § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, (Z. 1) das Leben oder die Gesundheit ... der Nachbarn ... zu gefährden.
Im Grunde des § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist die Betriebsanlage
zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem
Stand der medizinischen oder der auch sonst in Betracht
kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder
bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden
bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des
Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74
Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 vermieden ... werden ...
Gemäß § 75 Abs. 2 GewO 1994 sind Nachbarn im Sinne dieses
Bundesgesetzes alle Personen, die durch die Errichtung, den
Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder
belästigt ... werden könnten ...
Gemäß § 82a Abs. 1 GewO 1994 hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie und dem Bundesminister für Arbeit und Soziales durch Verordnung entsprechend dem Stand der Sicherheitstechnik (Abs. 2) jene Anlagen näher zu bezeichnen, in denen wegen der Verwendung von Maschinen oder Geräten, wegen der Lagerung, Verwendung oder Produktion von Stoffen, wegen der Betriebsweise, der Ausstattung oder sonst die Gefahr von Störfällen (Abs. 3) besteht (gefahrengeneigte Anlagen), und die den Inhaber der Anlage in bezug auf Störfälle treffenden Verpflichtungen näher festzulegen; insbesondere sind ...
Nach Abs. 2 ist der Stand der Sicherheitstechnik im Sinne dieses Bundesgesetzes der Stand der Technik (§ 71a) für Maßnahmen zur Vermeidung von Störfällen und für Maßnahmen zur Begrenzung oder Beseitigung der die Sicherheit beeinträchtigenden Auswirkungen von Störfällen.
Nach Abs. 3 ist ein Störfall im Sinne dieses Bundesgesetzes ein Abweichen von dem der Rechtsordnung entsprechenden Zustand der Betriebsanlage, durch das, ausgehend von einem die Gefahrengeneigtheit der Anlage begründenden Anlagenteil, eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von nicht zur Vermeidung oder Abwehr dieser Gefahr verpflichteten Menschen oder in großem Ausmaß eine Gefahr für fremdes Eigentum oder die Umwelt herbeigeführt werden kann.
Soweit sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in Ansehung der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Stellungnahme darauf beruft, bei Anwendung des Störfallrechtes nach der Störfallverordnung, BGBl. Nr. 593/1991, bestünden keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte, ist sie im Recht, was von der Beschwerdeführerin auch gar nicht bestritten wird. Es handelt sich nämlich beim Störfallrecht nach der Störfallverordnung nicht um einen Umstand, der die im § 74 Abs. 2 im Zusammenhalt mit § 356 Abs. 3 GewO 1994 normierten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte betrifft. Das Störfallrecht dient nach der Definition des Störfalles im § 82a Abs. 3 GewO 1994 vielmehr einem nicht näher umschriebenen Personenkreis, der mit dem geschützten Personenkreis nicht identisch ist, nämlich dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. Donninger-Zeplichal, a.a.O., RN 132).
Selbst dann aber, wenn man der Annahme der belangten Behörde nicht folgte, die in Frage stehende Stellungnahme beziehe sich nicht ausschließlich auf Ausführungen zum Störfallrecht, so zeigen die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen einen entscheidungswesentlichen Verfahrensmangel nicht auf. Die Beweiskraft eines Sachverständigengutachtens kann nämlich u.a. durch den Nachweis erschüttert werden, daß es mit den Denkgesetzen oder mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in Widerspruch steht. Wird jedoch vorgebracht, das Gutachten stehe mit den Erfahrungen der in Betracht kommenden Wissenschaften in Widerspruch, so muß diese Behauptung - und zwar tunlichst unter präziser Darstellung der gegen das Gutachten gerichteten sachlichen Einwände - durch das Gutachten eines anderen Sachverständigen unter Beweis gestellt werden; eine bloß gegenteilige Behauptung genügt nicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. April 1991, Zl. 91/09/0019). Daß die in Frage stehende Stellungnahme - und zwar im vordargestellten Sinne - das Gutachten des Amtssachverständigen sowohl in bezug auf seine Grundlagen als auch hinsichtlich der Schlüssigkeit bekämpft hätte, ist auch vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens nicht zu finden.
Im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes erweist sich damit aber die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, wobei in Ansehung des Bundes die Kosten nur im begehrten Ausmaß zuzusprechen waren.
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