VwGH 93/14/0065

VwGH93/14/006523.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des S in V, vertreten durch Dr. Bruno Pollak, Rechtsanwalt in Klagenfurt, St. Veiter Straße 18, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat) vom 9. März 1993, Zl 135-5/88, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 1981 bis 1985, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §303 Abs1 litb;
BAO §303 Abs1 litb;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anläßlich einer beim Beschwerdeführer gemäß § 99 Abs 2 Finanzstrafgesetz durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung betreffend ua die Einkommensteuer 1981 bis 1985 gelangte der Prüfer zur Ansicht, daß auf Grund schwerer formeller und materieller Mängel der Buchführung der jeweilige Gewinn des vom Beschwerdeführer betriebenen Cafe-Restaurants für diese Jahre nach inneren und äußeren Betriebsvergleichen zu schätzen sei. Der Beschwerdeführer nahm die Prüfungsfeststellungen unter Rechtsmittelverzicht zur Kenntnis. Die in der Folge entsprechend den Feststellungen des Prüfers ergangenen Bescheide, dem Beschwerdeführer zugestellt im Mai 1987, erwuchsen in Rechtskraft.

Mit Eingabe vom 29. März 1988 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiederaufnahme ua der Einkommensteuerverfahren 1981 bis 1985. In der mündlichen Hauptverhandlung vom 2. März 1988 anläßlich des auf Grund der Ergebnisse der abgabenbehördlichen Prüfung durchgeführten Finanzstrafverfahrens habe der als Zeuge vernommene Prüfer angegeben, die Berechnung der Einkommensteuer sei durch Globalschätzung beruhend auf von der Finanzverwaltung herausgegebenen Richtlinien erfolgt, wobei von 19 bzw 20 % des Nettoumsatzes ausgegangen worden sei. Nach den Richtlinien betrügen die Reingewinnsätze in der Branche des Beschwerdeführers 10 bis 30 %. Nunmehr habe der Beschwerdeführer aus einem Funktionärskalender für Fremdenverkehr des Jahres 1988, herausgegebenen vom Verein zur Förderung der Wirtschaftlichkeit im Fremdenverkehr, erstmals in Erfahrung gebracht, daß die Auswertung von Reihenuntersuchungen des Jahres 1987 (Bilanzjahr 1985) für Gastronomiebetriebe steuerliche Gewinne in Prozenten der Betriebserlöse (Nettoerlöse), österreichweit gesehen, im Durchschnitt von 3,14 %, das Maximum liege bei 8,52 %, ergeben hätten. Gleichzeitig habe der Beschwerdeführer durch die Aussage seines Steuerberaters im Finanzstrafverfahren am 2. März 1988 erstmals davon Kenntnis erlangt, daß für das Jahr 1987 auf den Umsatz bezogen der steuerliche Gewinn unter 10 % liege. Auf Grund dieser "neuen Tatsachen und Beweismittel", die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden des Beschwerdeführers nicht hätten geltend gemacht werden können, seien die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 1 lit b BAO gegeben.

Das Finanzamt wies den Antrag im wesentlichen mit der Begründung ab, daß die im Funktionärskalender veröffentlichten Daten mangels gegebener Bindungswirkung den Spruch der erkennenden Behörde nicht beeinflußt bzw zu keinen anders lautenden Bescheiden geführt hätten. Nach Erhebung einer Berufung gegen diesen Bescheid gab der Beschwerdeführer über Vorhalt bekannt, daß der Funktionärskalender "offensichtlich Ende 1987, Anfang 1988 herausgegeben" worden sei und der Steuerberater des Beschwerdeführers von der Existenz statistischer Aufzeichnungen über Reingewinnsätze im Gastronomie-, Hotel- und Beherbergungsgewerbe und dem Funktionärskalender erst am 25. März 1988 erfahren habe. In einem weiteren Schriftsatz vertrat der Beschwerdeführer die Ansicht, daß auch die nunmehr bekannt gewordenen Ergebnisse des Jahresabschlusses 1987 neue Tatsachen und Beweismittel im Sinne des § 303 Abs 1 lit b BAO darstellten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung im wesentlichen mit der Begründung ab, daß eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 1 lit b BAO nur auf Tatsachen oder Beweismittel gestützt werden könne, die bei Abschluß des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden gewesen seien, deren Verwertung der Partei aber erst nachträglich ermöglicht worden sei. Neu entstandene Tatsachen und Beweismittel, auf welche sich der Beschwerdeführer zur Begründung des Wiederaufnahmeantrages gestützt habe, seien keine taugliche Grundlage für eine Wiederaufnahme des Verfahrens.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf "richtige Auslegung der Bestimmungen des § 303 Abs 1 lit b BAO, wie aber auch im Sinn der Bestimmungen des AVG über die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens" verletzt und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften unter Kostenzuspruch.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zutreffend ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, daß ein Wiederaufnahmeantrag nach § 303 Abs 1 lit b BAO nur auf solche Tatsachen oder Beweismittel gestützt werden kann, die beim Abschluß des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber erst nachträglich möglich wurde (sogenannte novae causae repertae). Nach der Bescheiderlassung neu entstandene Tatsachen (sogenannte novae causae supervenientes) oder später zustandegekommene Beweismittel bilden keine taugliche Grundlage für eine Wiederaufnahme des Verfahrens (vgl die bei Stoll, BAO-Kommentar, 2920 angeführte hg Rechtsprechung).

Der Beschwerdeführer räumt ein, daß ihm "natürlich zum Zeitpunkt der Betriebsprüfung jene Beweismittel nicht vorlagen, wie sie ihm erst später bekannt wurden, und zwar durch die Veröffentlichung des Funktionärskalenders der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Abteilung Fremdenverkehr". Der Beschwerdeführer behauptet aber selbst nicht, daß die Beweismittel, auf welche er seinen Wiederaufnahmeantrag gestützt hat, nämlich einerseits der erwähnte Funktionärskalender oder die darin enthaltenen Daten, andererseits sein Jahresabschluß für 1987 zum Zeitpunkt der Betriebsprüfung oder spätestens zum Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide, mit welchen die Verfahren, deren Wiederaufnahme der Beschwerdeführer begehrte, ihren Abschluß gefunden haben, bereits existent gewesen wären. Unter diesen Umständen kann dem Beschwerdeführer aber auch sein Vorbringen nicht zum Erfolg verhelfen, daß er "zwar auf Grund seiner eigenen Ergebnisse" gewußt habe, daß die Schätzungen der Abgabenbehörde zu Unrecht erfolgt wären, er jedoch zum damaligen Zeitpunkt nicht über die Beweismittel verfügt habe, die ihn in die Lage versetzt hätten, die Betriebsprüfungsergebnisse in bezug auf die Einkommensteuer für die betroffenen Jahre zu korrigieren und dies mit ausreichender rechtlicher Sicherheit zu begründen. Abgesehen davon, daß das Beschwerdevorbringen somit nicht gegen die Beurteilung der belangten Behörde spricht, daß es sich bei den geltend gemachten Beweismitteln um neue und nicht um neu hervorgekommene Beweismittel handelt, wie sie für eine allfällige Wiederaufnahme der Verfahren gesetzlich vorausgesetzt werden, sind diese Beweismittel in keiner Weise geeignet, die tatsächlichen Betriebsergebnisse des Beschwerdeführers in den entsprechenden Jahren, wie sie sich nur aus einer formell und materiell ordnungsmäßigen Buchführung ergeben, aufzuzeigen.

Soweit sich der Beschwerdeführer auf die sich aus den Verwaltungsakten ergebende Tatsache stützt, daß die Reingewinnschätzungen "stets" bemängelt worden seien, zeigt er nicht auf, in welcher Weise sich darauf ein Anspruch auf Wiederaufnahme des Verfahrens stützen ließe. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß sich eine solche Tatsache nicht nur nicht aus den Verwaltungsakten ergibt, sondern der sich aus den Verwaltungsakten ergebende Rechtsmittelverzicht gerade für das Gegenteil einer Bemängelung, nämlich die Anerkennung der Betriebsprüfungsergebnisse, spricht.

Die im Beschwerdepunkt erwähnten Möglichkeiten der Wiederaufnahme des Verfahrens nach AVG können dem Beschwerdeführer schon deswegen nicht zum Erfolg verhelfen, weil dieses Gesetz - abgesehen von hier nicht gegebenen Ausnahmen - in Abgabenangelegenheiten nicht anzuwenden ist.

Da auch keine Verfahrensmängel, die zwar behauptet, aber nicht näher ausgeführt wurden, zu erkennen sind, erweist sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

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