VwGH 96/21/0853

VwGH96/21/085313.11.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des HR in T, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 25. April 1996, Zl. Fr 1089/96, betreffend Feststellung gemäß § 54 FrG, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §36;
FrG 1993 §37;
FrG 1993 §54;
FrG 1993 §36;
FrG 1993 §37;
FrG 1993 §54;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) wurde gemäß § 54 FrG festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in Jordanien im Sinne des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer am 8. Dezember 1994 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet gelangt sei. Am 12. Dezember 1994 habe er einen Asylantrag eingebracht. Dazu habe er im wesentlichen ausgeführt, daß er sich bereits vom 1. November 1991 bis 29. Juni 1994 in Österreich aufgehalten habe. Er sei nach Jordanien zurückgekehrt. Während seines Aufenthaltes in Österreich seien er und seine Familie zum christlichen Glauben übergetreten. Die katholische Kirche in T habe ihn finanziell unterstützt und auch geholfen, wieder nach Jordanien zurückzukehren. Wegen des Glaubensübertrittes habe ihn sein Vater als Sohn verstoßen. Seine Kinder seien in der Schule beschimpft und beleidigt worden. Der Beschwerdeführer habe sich nicht in einem christlichen Gebiet (in Jordanien) niederlassen können. Er habe Angst vor den moslemischen Fundamentalisten gehabt. Die Polizei versuche zwar, die Fundamentalisten im Zaum zu halten, es sei jedoch nicht möglich, vor jedem Haus einen Polizisten zu postieren. Der Beschwerdeführer habe versucht, ein Visum für Österreich zu erhalten. Dieser Antrag sei abgelehnt worden. Er habe dann von der slowakischen Botschaft in Damaskus ein Visum für 14 Tage erhalten. Am 5. Dezember 1994 habe er Jordanien legal verlassen und sei nach Damaskus gefahren. Von dort sei er nach Bratislava gereist. Der Beschwerdeführer habe die Frage, ob er irgendwelchen konkreten Verfolgungshandlungen seitens der jordanischen Behörden ausgesetzt gewesen sei, verneint. Auf die Frage, ob er konkreten Verfolgungshandlungen von fundamentalistischen Organisationen ausgesetzt gewesen sei, habe er geantwortet: "Ja, indirekt durch meine Verwandten." Die Frage, ob der Beschwerdeführer persönlich je von einem Mitglied einer fundamentalistischen Organisation belangt worden sei, habe er verneint.

Das Bundesasylamt habe mit Bescheid vom 13. Dezember 1994 den Antrag auf Asylgewährung abgewiesen. Der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft machen können, daß er in seinem Heimatstaat einer Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 ausgesetzt sei bzw. im Falle einer Rückkehr eine solche zu befürchten hätte. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Schwierigkeiten wegen seines Übertrittes vom islamischen zum christlichen Glauben seien nicht geeignet, die Flüchtlingseigenschaft zu indizieren. Diese Schwierigkeiten seien weder dem Heimatstaat des Beschwerdeführers zuzurechnen, noch würden diese von diesem geduldet. Überdies sei der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben nie von einem Mitglied einer fundamentalistischen Organisation belangt worden. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer im August 1994 nach einem Aufenthalt in Syrien wieder nach Jordanien zurückgekehrt sei, spreche dafür, daß er nicht wirklich Verfolgung befürchten müßte.

Im Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung vom 6. März 1995 habe der Beschwerdeführer ausgeführt, daß er nach einer etwaigen Rückkehr nach Jordanien zu gewärtigen habe, festgenommen und als Konvertit gefoltert und getötet zu werden. In der Berufung gegen den negativen erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 54 FrG habe der Beschwerdeführer ausgeführt, daß das muslimische Recht noch immer Teil der Verfassung sei. Daher wäre die Todesstrafe die übliche und einzige Konsequenz. Es wäre unrichtig, daß lediglich ein Streit mit seinem Vater und die Beschimpfungen, denen seine Kinder in der Schule ausgesetzt worden waren, ihn zur Flucht bewogen hätten. Die Nachforschungen der Polizei bei seinem Vater hätten vielmehr gezeigt, daß er mit Haftbefehl gesucht werde. Es wäre ihm nicht möglich, weitere Unterlagen beizubringen, da kein Rechtsanwalt Jordaniens es wage, einen Klienten gegen die Bestimmungen der Scharia zu verteidigen. Erst als das Leben im Untergrund für ihn und seine Familie nicht mehr möglich gewesen wäre, hätte er sich zur Flucht entschlossen.

Die belangte Behörde habe im Berufungsverfahren im Wege des Bundesministers für Inneres und der österreichischen Vertretungsbehörde in Amman einen Vertrauensanwalt eingeschaltet. Der Vertrauensanwalt, der selbst Christ sei, habe mitgeteilt, daß nach staatlichem Recht für einen Übertritt in eine andere Religionsgemeinschaft keine Strafe vorgesehen wäre. Es sei auch der jordanische Generalstaatsanwalt kontaktiert worden und habe dieser diese Auskunft bestätigt.

Dem Beschwerdeführer sei dieser Sachverhalt zur Stellungnahme vorgehalten worden. Daraufhin habe er angegeben, daß wenige Tage nach seiner Rückkehr drei Männer der islamischen Partei im Hause wärenes Vater ihn aufgefordert hätten, den Wiedereintritt zum Islam zu vollziehen. Auch sein Vater hätte ihn zum Wiedereintritt bewegen wollen. Als er dies aus Gewissensgründen verweigert hätte, hätte ihm sein Vater nicht mehr Unterkunft gewähren können. Seine Kinder wären nicht nur Beschimpfungen ausgesetzt gewesen, sondern wäre sein Sohn auch infolge eines Steinwurfes am Fersenbein verletzt worden. Es hätte ihm niemand Unterkunft gewähren können. Bald nach Verlassen des Hauses seines Vaters hätte er erfahren, daß er von der Polizei mit Haftbefehl gesucht werde.

Aus dem Verhalten des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren sei nicht nur eine Änderung seines Vorbringens, sondern auch ein Widerspruch ersichtlich. Im Zuge des Asylverfahrens habe der Beschwerdeführer angegeben, daß die Polizei nicht gegen alle Fundamentalisten vorgehen könne und er von der Polizei nicht gesucht würde. Nunmehr bringe er vor, daß ein Haftbefehl gegen ihn bestehe. Im Asylverfahren habe er von einer Auseinandersetzung mit seinem Vater gesprochen. In diesem Verfahren behaupte er, daß drei Männer der islamischen Partei versucht hätten, ihn zum Übertritt zu diesem Glauben zu überreden. Der Beschwerdeführer habe sich im August und September 1994 ungehindert nach Syrien begeben und sei auch wieder ungehindert in Kenntnis der vorgeblichen Drohung durch islamische Fundamentalisten nach Jordanien zurückgekehrt. Dieser Umstand im Zusammenhalt mit der Auskunft der österreichichen Vertretungsbehörde in Amman lasse die belangte Behörde zu dem Ergebnis kommen, daß der Beschwerdeführer im Falle seiner Abschiebung keiner Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG ausgesetzt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat auf Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 bedroht ist.

Nach § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Nach § 37 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht sei (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, i.d.F. des Protokolles über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung - einer solchen ist eine durch Dritte dann gleichgestellt, wenn der Staat generell infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt nicht in der Lage ist, eine Verfolgung zu verhindern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/0731) - im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. Juni 1996, Zl. 96/18/0172).

Der Beschwerdeführer hält eine Abschiebung in sein Heimatland Jordanien für unzulässig, weil er sich vor seiner Einreise nach Österreich bereits in einem Drittland, nämlich der Slowakei, aufgehalten habe.

Dies trifft nicht zu; nach Jordanien dürfte der Beschwerdeführer in Durchsetzung einer vollstreckbaren Ausweisung oder eines vollstreckbaren Aufenthaltsverbotes vielmehr nur dann nicht abgeschoben werden, wenn dem die §§ 36, 37 oder 54 FrG entgegenstünden.

In der Beschwerde wird vorgebracht, daß dem Beschwerdeführer, weil er vom islamischen Glauben zum christlichen übergewechselt sei, in seinem Heimatland ständig schwerste polizeiliche und politische Verfolgungen bis hin zur Todesstrafe drohten.

Mit diesem Vorbringen kann der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen. Die Beschwerde bringt weder Gründe für die Änderung des Vorbringens des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens vor noch wird versucht, die im angefochtenen Bescheid aufgezeigten Widersprüche der Angaben des Beschwerdeführers aufzuklären. Wenn die belangte Behörde angesichts der Ergebnisse der eigenen Ermittlungen durch die österreichische Vertretungsbehörde und den Vertrauensanwalt der österreichischen Botschaft in Jordanien den in sich widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers keinen Glauben schenkte, kann dies nicht als unschlüssig beurteilt werden. Die belangte Behörde ist daher in unbedenklicher Weise von der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers ausgegangen und demnach zutreffend zum Ergebnis gelangt, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefährdung oder Bedrohung des Beschwerdeführers in Jordanien im Sinne des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG.

Da die belangte Behörde somit zu Recht die Ansicht vertreten hat, daß dem Beschwerdeführer die Glaubhaftmachung einer Gefährdung und/oder Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG nicht gelungen ist, wurde er in dem von ihm geltend gemachten Recht auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Jordanien nicht verletzt. Im Hinblick darauf, daß dies bereits aus dem Inhalt der Beschwerde zu erkennen ist, war diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren - so auch ohne Erteilung eines Verbesserungsauftrages zur Beibringung einer weiteren Beschwerdeausfertigung für den Bundesminister für Inneres - als unbegründet abzuweisen.

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