VwGH 96/18/0220

VwGH96/18/022013.6.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. M. Fellner, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. März 1996, Zl. SD 309/96, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
EheG §27;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §20;
AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
EheG §27;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §20;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. März 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer halte sich seit 12. April 1991 in Österreich auf. Es seien ihm mehrere Sichtvermerke aufgrund von Verpflichtungserklärungen erteilt worden, zuletzt einer mit Gültigkeitsdauer bis 27. Juni 1993. Am 27. April 1993 habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Diese Ehe sei mit Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden. Aus dem Urteil ergebe sich, daß die Ehe nur deshalb geschlossen worden wäre, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu verschaffen, eine Arbeits- und eine Aufenthaltsbewilligung und damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen. Die Aufnahme einer ehelichen Gemeinschaft wäre nicht beabsichtigt gewesen und auch nicht erfolgt. Die Ehe hätte nur ein Jahr bestehen sollen. Der Gattin des Beschwerdeführers wären für die Eheschließung von einem Mann, der die Ehe vermittelt hätte, S 50.000,-- übergeben worden. Der Beschwerdeführer und seine Gattin hätten einander nur dreimal, und zwar vor der Eheschließung, gesehen und getroffen.

Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung behauptet, daß er - ungeachtet des genannten Urteils - keine Scheinehe eingegangen sei. Mit diesem Vorbringen sei jedoch für ihn nichts zu gewinnen, denn damit widerspreche er den vom Gericht festgestellten rechtserheblichen Tatsachen. Die Rechtskraft des Nichtigkeitsurteiles stehe einer Aufrollung dieser Frage entgegen.

Damit stehe im vorliegenden Verfahren fest, daß sich der Beschwerdeführer durch die Ehe die Möglichkeit verschafft habe, eine Arbeits- und eine Aufenthaltsbewilligung zu erlangen. Dabei handle es sich um einen Rechtsmißbrauch, der als gravierende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens und solcherart als Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu werten sei. Dieses Fehlverhalten sei seinem Gehalt nach der Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzuhalten und stelle eine bestimmte Tatsache i.S. des § 18 Abs. 1 FrG dar, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung rechtfertige.

Durch das Aufenthaltsverbot werde in das Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen, weil er sich schon seit 1991 rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, wenn auch der Aufenthalt seit 1993 nur auf das geschilderte rechtsmißbräuchliche Verhalten zurückzuführen gewesen sei. Der Eingriff in das Privatleben sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens als Teil der öffentlichen Ordnung) dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig. Die gemäß § 20 FrG vorgenommene Interessenabwägung habe ergeben, daß die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer wögen als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Dabei sei zu bedenken, daß die Erlaubtheit des Aufenthaltes des Beschwerdeführers seit dem Jahr 1993 nur auf das rechtsmißbräuchliche Eingehen einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin zurückzuführen gewesen sei. Dies bewirke, daß die aus der Dauer des Aufenthaltes resultierende Integration nicht wesentlich zugunsten des Beschwerdeführers zu veranschlagen sei. Daran vermöge das Vorbringen des Beschwerdeführers, daß er ansonsten keinen Rechtsbruch gesetzt habe und in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis kranken- und sozialversichert sei, nichts zu ändern.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zutreffend hat die belangte Behörde - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend - die Eingehung einer Ehe allein zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen als Rechtsmißbauch qualifiziert, der als gravierende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens anzusehen sei und daher - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige und der auch zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten erscheinen lasse und demnach diese Maßnahme im Grunde des § 19 FrG zulässig mache (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. November 1995, Zl. 95/18/1154, und die Erkenntnisse vom 8. Februar 1996, Zl. 95/18/1380, Zl. 95/18/1395, und Zl. 95/18/1404, jeweils mwN).

2.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß seine Ehe für nichtig erklärt worden sei und räumt ein, daß das Nichtigkeitsurteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt in Rechtskraft erwachsen sei. Ungeachtet dessen hält die Beschwerde die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei die Ehe nur zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen eingegangen, für nicht richtig. Der Beschwerdeführer habe vielmehr aus Liebe geheiratet "und erfolgte auch die Nichtigerklärung der Ehe unrichtig". Es sei also "bei richtiger Beurteilung des Sachverhaltes kein Grund vorhanden, gegen mich ein Aufenthaltsverbot zu erlassen".

2.2. Hinsichtlich der rechtlichen Unerheblichkeit der Behauptung, die Nichtigerklärung der Ehe sei zu Unrecht erfolgt, ist der Beschwerdeführer auf die Rechtskraft des besagten Urteils zu verweisen. Der lapidaren Beschwerdebehauptung, die Annahme der belangten Behörde, bei der Ehe des Beschwerdeführers habe es sich um eine rechtsmißbräuchlich eingegangene Ehe gehandelt, sei "nicht richtig", ist die unbestritten gebliebene Feststellung im bekämpften Bescheid, aus dem rechtskräftigen Nichtigkeitsurteil (dessen Begründung) ergebe sich, daß die Ehe lediglich zum Zweck der Beschaffung einer Beschäftigungsbewilligung und einer Aufenthaltsberechtigung für den Beschwerdeführer geschlossen worden sei, entgegenzuhalten. Auf der Basis dieser maßgeblichen Sachverhaltsfeststellung konnte die belangte Behörde unter Zugrundelegung der hg. Rechtsansicht (oben II. 1.) in einwandfreier Weise von einer rechtsmißbräuchlichen Eheschließung ausgehen.

3. Durfte die belangte Behörde damit i.S. des oben II. 1. Ausgeführten die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme als gerechtfertigt ansehen und - unbeschadet eines von ihr angenommenen, zutreffend als i.S. des § 19 FrG relevant gewerteten Eingriffes in das Privatleben des Beschwerdeführers - die Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer nach § 19 FrG bejahen, so hegt der Gerichtshof auch gegen das Ergebnis der gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. vorgenommenen Abwägung keine Bedenken. Zu Recht wies die belangte Behörde darauf hin, daß der Aufenthalt (und wie zu ergänzen ist auch die Beschäftigung) des Beschwerdeführers seit Juni 1993 hinsichtlich der (jeweiligen) Berechtigung auf die rechtsmißbräuchlich eingegangene Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin zurückzuführen und folglich im gegebenen Zusammenhang ohne wesentliches Gewicht seien (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Zl. 95/18/1441). Von daher gesehen ist die aus dem insgesamt ca. fünfjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ableitbare Integration nicht mit dem Stellenwert ausgestattet, der es erlauben würde, die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich höher zu veranschlagen als das gegenläufige öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens, welches durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers eine erhebliche Beeinträchtigung erfahren hat.

4. Mit der Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe "nicht ausreichend meine familiäre und soziale Situation recherchiert", zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, welche von ihr nicht ohnehin berücksichtigten Gesichtspunkte die belangte Behörde in ihre Interessenabwägung miteinzubeziehen gehabt hätte und inwieweit sie bei einem Unterbleiben dieses (angeblichen) Versäumnisses zu einem anderen (für den Beschwerdeführer günstigen) Ergebnis hätte gelangen können.

5. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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