VwGH 96/18/0104

VwGH96/18/010423.5.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. August 1995, Zl. SD 445/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 23. August 1995 wurde der Beschwerdeführer, ein bosnischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Gemäß § 17 Abs. 1 FrG seien Fremde - gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf § 19 leg. cit. - mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten.

Bosnische Staatsangehörige seien nach den Bestimmungen des Fremdengesetzes iVm dem Sichtvermerksabkommen bis 14. April 1995 zur sichtvermerksfreien Einreise und zu einem sichtvermerksfreien Aufenthalt in der Dauer von drei Monaten berechtigt gewesen, wenn sie bei der Einreise über einen gültigen Reisepaß verfügt hätten. Sie seien darüber hinaus aufgrund der zu § 12 des Aufenthaltsgesetzes ergangenen Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 zum vorübergehenden Aufenthalt - derzeit bis Ende Juni 1996 - berechtigt, wenn sie ihre Heimat wegen der bewaffneten Konflikte verlassen und anderweitig keinen Schutz gefunden hätten und - sofern sie nach dem 30. Juni 1993 nach Österreich eingereist seien - sich der Grenzkontrolle gestellt hätten und ihnen entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet worden sei.

Der Beschwerdeführer sei seinen eigenen Angaben zufolge am 30. Jänner 1994 über Spielfeld mit einem gültigen Reisepaß in das Bundesgebiet eingereist. Am 18. April 1994 habe er einen Antrag bei der "Magistratsabteilung 12/Bosnienhilfe" gestellt und dort angegeben, daß er sich seit dem Jahr 1990 in Zagreb aufgehalten habe, wo er zunächst eine Lehre als Zimmermann und dann eine technische Mittelschule abgeschlossen habe. Diese Angaben habe er am 20. April 1994 vor einem Organ der Erstbehörde bestätigt. Der Beschwerdeführer könne sich demnach nicht mit Erfolg auf eine vorübergehende Aufenthaltsberechtigung im Sinne der obzitierten Verordnung berufen, da er sich vor seiner Einreise nach Österreich mehrere Jahre lang in einem Staat aufgehalten habe, in dem er bereits Schutz gefunden habe. Aufgrund seiner sichtvermerksfreien Einreise sei er daher nur für die Dauer von drei Monaten zum Aufenthalt berechtigt gewesen, zumal ein vom Beschwerdeführer gestellter Antrag nach dem Aufenthaltsgesetz mittlerweile rechtskräftig abgewiesen worden sei. Die Erstbehörde sei daher zu Recht davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 FrG gegeben seien.

Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG betreffe, könne aufgrund des kurzen und zum Großteil illegalen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet von einer allfälligen Integration seiner Person keine Rede sein. Da er auch keinerlei familiäre Bindungen zu Österreich behaupte, sei im vorliegenden Fall die Frage, ob die Ausweisung des Beschwerdeführers zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei, nicht zu prüfen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt unbestritten, daß der Beschwerdeführer am 30. Jänner 1994 in das Bundesgebiet eingereist sei. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde vermeint der Beschwerdeführer, daß er sich aber nicht, wie im angefochtenen Bescheid angenommen, vor seiner Einreise nach Österreich mehrere Jahre lang in einem Staat aufgehalten habe, in dem er bereits Schutz gefunden habe. Der Beschwerdeführer sei aufgrund des bewaffneten Konflikts in seinem Heimatstaat gezwungen gewesen, diesen zu verlassen, habe anderweitig keinen Schutz gefunden und sich gemäß § 1 Abs. 2 der zu § 12 des Aufenthaltsgesetzes ergangenen Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 bei der Einreise der Grenzkontrolle gestellt, worauf ihm gemäß internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet worden sei.

Er habe immer ausdrücklich bestritten, daß er bereits in einem anderen Land ausreichend Schutz gefunden habe. Die belangte Behörde habe zu dieser Frage kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt, insbesondere sei nicht geprüft worden, ob der Beschwerdeführer in Kroatien tatsächlich sicher gewesen sei, was jedenfalls aufgrund der drohenden Einberufung und zwangsweisen Verbringung in das Kriegsgebiet nicht gegeben gewesen sei.

Darüber hinaus habe die Behörde auch kein Ermittlungsverfahren zu der Frage durchgeführt, ob durch die Ausweisung in sein Privat- und Familienleben eingegriffen werde, obwohl der Beschwerdeführer vorgebracht habe, daß einer seiner Brüder in Österreich wohnhaft sei und auch für seinen Unterhalt aufkomme; darüber hinaus sei auch eine seiner Schwestern in Österreich wohnhaft, sodaß der Beschwerdeführer lediglich in Österreich Anschluß an seine Familie finden könne. Die Mutter des Beschwerdeführers lebe "im serbischen Gebiet", eine Rückkehr sei dem Beschwerdeführer dorthin aber nicht möglich, da Angehörige der bosnischen Volksgruppe dort von Übergriffen bedroht seien. Die Ausweisung greife daher in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in erheblichem Maße ein, wobei diese in keiner Hinsicht zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei.

2. Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Gemäß § 1 Abs. 1 der im Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides in Kraft gestandenen Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 389/1995 haben Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina und deren Ehegatten und minderjährige Kinder, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht in Österreich. Zufolge des § 1 Abs. 2 dieser Verordnung besteht dieses Aufenthaltsrecht weiters für die nach dem 1. Juli 1993 eingereisten und einreisenden Personen gemäß Abs. 1, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde.

Entgegen der Beschwerdemeinung ist die Auffassung der belangten Behörde auf dem Boden der von ihr - auf der Grundlage der Angaben des Beschwerdeführers - getroffenen Feststellung, wonach der Beschwerdeführer vor seiner Einreise nach Österreich (zumindest) mehr als drei Jahre in Kroatien gelebt habe, beizupflichten, daß dieser solcherart bereits anderweitig Schutz gefunden habe und daher nicht unter den von § 1 Abs. 2 der vorgenannten Verordnung erfaßten Personenkreis falle.

Angesichts der eigenen Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich seines Aufenthaltes in Kroatien wie auch dessen Dauer kann nicht davon ausgegangen werden, daß er dort keinen Schutz gefunden habe. Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten hat der Beschwerdeführer am 14. März 1994 vor der Behörde erster Instanz selbst angegeben, er habe sich vor seiner Einreise nach Österreich 17 Jahre lang in Kroatien aufgehalten und, da er dort nicht mehr genug Geld verdient habe, beschlossen, nach Österreich zu kommen und hier bereits Arbeit gefunden; am 20. April 1994 hat der Beschwerdeführer vor derselben Behörde angegeben, er habe sich seit 1990 in Kroatien aufgehalten, in seinem Reisepaß befinde sich ein kroatisches Visum und er habe dort sogar die Schule besucht. Angesichts dessen kann - entgegen der nunmehrigen Behauptung des Beschwerdeführers - nicht davon gesprochen werden, daß seine "zwangsweise Verbringung in das Krisengebiet" - diesbezüglich machte der Beschwerdeführer im verwaltungsbehördlichen Verfahren keinerlei Angaben - gedroht hätte. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 28. März 1996, Zl. 96/18/0106.)

Im Hinblick darauf, daß sich die belangte Behörde hinsichtlich (der Dauer) des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Kroatien auf seine eigenen Angaben gestützt hat, ist auch der Verfahrensrüge, diesbezüglich habe kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren stattgefunden, der Boden entzogen.

Die Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers, daß er vor seiner Einreise nach Österreich in Kroatien aufhältig gewesen sei, wird - das sei der Vollständigkeit halber angemerkt - dadurch unterstrichen, daß der Beschwerdeführer gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit seinem Antrag auf Verfahrenshilfe angegeben hat, daß er "vom Beginn des Krieges (an) in Zagreb beschäftigt" gewesen sei.

Die belangte Behörde hat zutreffend - aus den von ihr angegebenen Gründen - die Ausweisung des Beschwerdeführers im Grunde des § 19 FrG als zulässig erachtet. Der Beschwerdeführer hat im verwaltungsbehördlichen Verfahren - wie die belangte Behörde zutreffend feststellt - ein Familienleben in Österreich nicht behauptet; er hat - wie aus den übermittelten Verwaltungsakten ersehen werden kann - lediglich angegeben, daß er "in Österreich vollkommen integriert und sein Lebensunterhalt durch die Verpflichtungserklärung seines Bruders" gesichert sei. Das Vorbringen, daß auch eine Schwester des Beschwerdeführers in Österreich wohnhaft sei, erfolgte erst in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und stellt somit eine für das verwaltungsgerichtliche Verfahren unbeachtliche Neuerung dar (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).

Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen ist der Verfahrensrüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe "auch kein Ermittlungsverfahren zu der Frage durchgeführt, ob durch die Abschiebung (gemeint ist wohl: Ausweisung) in (sein) Familien- und Privatrecht (gemeint ist wohl: Privat- und Familienleben) eingegriffen wird", der Boden entzogen.

Die Beschwerdeausführungen zur Lage in der Republik Bosnien-Herzegowina gehen im Zusammenhang mit einer Ausweisung gemäß § 17 FrG ins Leere, da mit einer solchen nicht darüber abgesprochen wird, daß der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder daß er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. April 1996, Zl. 96/18/0193).

3. Da nach dem Gesagten dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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