VwGH 96/16/0136

VwGH96/16/01363.10.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDDr. Jahn, über die Beschwerde der E. und G. B OEG in G, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 28. Mai 1996, Zl. B1-7/96, betreffend Schenkungs- und Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §21 Abs1;
EGG §1;
ErbStG §1;
ErbStG §7 Abs1;
EVHGB 04te Art7 Nr10;
EVHGB 04te Art7 Nr11;
EVHGB 04te Art7 Nr15 Abs1;
EVHGB 04te Art7 Nr16;
EVHGB 04te Art7 Nr9;
HGB §107;
HGB §124;
HGB §138;
VwRallg;
WEG 1975 §8;
BAO §21 Abs1;
EGG §1;
ErbStG §1;
ErbStG §7 Abs1;
EVHGB 04te Art7 Nr10;
EVHGB 04te Art7 Nr11;
EVHGB 04te Art7 Nr15 Abs1;
EVHGB 04te Art7 Nr16;
EVHGB 04te Art7 Nr9;
HGB §107;
HGB §124;
HGB §138;
VwRallg;
WEG 1975 §8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerdeschrift ergibt sich im Zusammenhalt mit der vorgelegten Ausfertigung der angefochtenen Berufungsentscheidung folgender unstrittige Sachverhalt:

Dr. Eleonore J hatte Wohnungseigentum an diversen Objekten der EZ 533 KG St. L (wozu insbesondere die Grazer Operngarage gehört). Ihre Absicht, ihre Position als Wohnungseigentümerin GLEICHTEILIG auf ihre beiden Söhne Univ.Doz. Dr. E B und Mag. G B zu übertragen, scheiterte an der Bestimmung des § 8 WEG, die (außer zur Begründung des gemeinsamen Wohnungseigentums von Ehegatten) vorschreibt, daß bei aufrechtem Wohnungseigentum der mit dem Wohnungseigentum verbundene Mindestanteil nicht geteilt werden darf.

Aus diesem Grund gründeten die beiden Söhne der Wohnungseigentümerin die Beschwerdeführerin, an der sie sich mit Vermögenseinlagen von je 50 % beteiligten. Die Beschwerdeführerin wurde am 11. März 1993 zu FN xxxx9 p im Firmenbuch des Landesgerichtes für ZRS Graz protokolliert.

Mit Übergabsvertrag vom 1. April 1993 übertrug daraufhin Dr. Eleonore J die in Rede stehenden Wohnungseigentumsobjekte an die Beschwerdeführerin, wobei sie sich das lebenslange Fruchtgenußrecht vorbehielt. Am 21. Mai 1993 verstarb Dr. Eleonore J.

Mit vorläufigem Bescheid vom 5. Oktober 1994 setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz gegenüber der Beschwerdeführerin Grunderwerb- und Schenkungssteuer fest, wobei in der Schenkungssteuer die Steuerklasse V grundgelegt wurde.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung mit dem Argument, das Rechtsgeschäft sei unter Berücksichtigung der Vertragsabsicht zu besteuern, das Vermögen den beiden Söhnen der Dr. Eleonore J zuzuwenden. Die gewählte Rechtsgestaltung sei nur auf die zwingende Bestimmung des § 8 WEG zurückzuführen.

Gegen die abweisliche Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht einen Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Die belangte Behörde gab der Berufung keine Folge und sprach aus, daß die Vorläufigkeit der Abgabenvorschreibung aufrecht bleibt. Dazu vertrat die belangte Behörde (soweit dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren noch von Bedeutung ist) im wesentlichen die Rechtsauffassung, die Zwischenschaltung der Offenen Erwerbsgesellschaft sei im vorliegenden Fall ähnlich einer Treuhandschaft zu besteuern. Es bestünde kein Grund dafür, den stattgefundenen Erwerb nicht der Offenen Erwerbsgesellschaft sondern unmittelbar den beiden Gesellschaftern zuzurechnen. Die Offene Erwerbsgesellschaft sei daher als Erwerberin iS des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes anzusehen.

Zur Vorläufigkeit der Abgabenvorschreibung gemäß § 200 BAO führte die belangte Behörde unter anderem aus, es seien noch Ermittlungen betreffend den Wert des übergebenen Betriebsvermögens notwendig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich betreffend die Schenkungssteuer - aus dem Beschwerdeinhalt erkennbar - in ihrem Recht darauf verletzt, daß die Steuerklasse I anzuwenden ist; überdies insgesamt in ihrem Recht darauf, daß die Steuerfestsetzung nicht vorläufig erfolgt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 (1) ErbStG werden nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser (Geschenkgeber) fünf Steuerklassen unterschieden. In der Steuerklasse I befinden sich u.a. die Kinder des Erblassers bzw. Geschenkgebers (Z 2 dieser Steuerklasse); in der Steuerklasse V befinden sich (abgesehen von "anderen Zweckzuwendungen") "alle übrigen Erwerber", das heißt alle Erwerber, die nicht in den begünstigen Steuerklassen I bis IV genannt sind (vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band III, 4. Teil, Erbschafts- und Schenkungssteuer Rz 18 zu § 7 ErbStG).

Den weitwendigen Beschwerdeausführungen, die im Ergebnis darauf hinauslaufen, die Übertragung des Vermögens durch die Geschenkgeberin auf die Offene Erwerbsgesellschaft habe nach dem maßgeblichen Parteiwillen nur den Zuwendungszweck verfolgt, die beiden Söhne der Geschenkgeberin gleichteilig zu bereichern, die Gesellschaft sei nur wegen der Bestimmung des § 8 WEG formal dazwischengeschaltet worden, was aber gemäß § 21 BAO wegen der tatsächlichen wirtschaftlichen Gestaltung unbeachtlich sei, ist folgendes entgegenzuhalten:

Es ist zwar kein Abgabenrechtsbereich von vornherein zur Gänze von der Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ausgeschlossen, jedoch tritt dieses Instrument zur Feststellung abgabenrechtlicher Tatbestände bei den Verkehrsteuern immer dort und insofern in den Hintergrund, als die Steuervorschriften die Abgabenpflicht an bestimmte, in der Außenwelt in Erscheinung tretende Tatbestände knüpft (vgl. die bei Fellner a.a.O. Rz 32 Abs. 1 zu § 1 ErbStG referierte Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts). Insbesondere dort, wo Tatbestände des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes an zivilrechtliche Erscheinungsformen der Rechtsgestaltung anknüpfen, ist nicht von den wirtschaftlichen Gegebenheiten auszugehen, sondern von den zivilrechtlich geregelten Tatbeständen (vgl. Fellner a.a.O. Rz 32 Abs. 2 bis 4 und Rz 33 zu § 1 ErbStG sowie die dort jeweils angeführte zahlreiche Judikatur).

Bei der im vorliegenden Fall maßgeblichen Frage der Anwendung der Steuerklasse I oder V geht es darum, ob (unter Beachtung der persönlichen Verhältnisse zwischen Geschenkgeberin und Erwerber) der stattgefundene Erwerb durch Kinder (iS der Steuerklasse I Z 2) oder durch einen der "übrigen Erwerber" der Steuerklasse V erfolgt ist.

Gerade bei der Einordnung in die abgabenrechtlich bevorzugten Steuerklassen I bis IV des § 7 Abs. 1 ErbStG ist aber allein das nach dem bürgerlichen Recht bestehende Abstammungs-, Verwandtschafts- bzw. familienrechtliche Naheverhältnis zwischen Schenkendem und Beschenktem maßgeblich (Fellner, a.a.O. Rz 1 Abs. 4 zu § 7 ErbStG und die dort referierte hg. Judikatur). Eine Anwendung des Grundsatzes der wirtschaftlichen Betrachtungsweise gemäß § 21 BAO scheidet hier demnach aus, weil allein nach bürgerlichem Recht zu beurteilen ist, ob der Beschenkte Kind des Zuwendenden ist oder nicht. Folgerichtig fallen daher auch Erwerber, denen die für eine Einordnung in eine der begünstigten Steuerklassen I bis IV maßgebliche persönliche Eigenschaft (im Beschwerdefall die erforderliche Qualifikation eines Kindes der Geschenkgeberin) fehlt, in die Klasse der "übrigen Erwerber", was unter anderem auch für Offene Erwerbsgesellschaften gilt (vgl. Fellner a.a.O. Rz 18 zu § 7 ErbStG).

Dies ist insbesondere folgerichtig, wenn man den maßgeblichen Leitgedanken des § 7 Abs. 1 ErbStG berücksichtigt, wonach es auf die persönlichen Verhältnisse zwischen Erblasser/Geschenkgeber und Erwerber ankommt. Das für die Anwendung einer der begünstigten Steuerklassen erforderliche persönliche Verhältnis (im Beschwerdefall das zwischen Elternteil und Kind) kann zwischen einer natürlichen Person, die Geschenkgeber ist, und einer Offenen Erwerbsgesellschaft auch dann nicht bestehen, wenn die beiden Gesellschafter der beschenkten Gesellschaft Kinder der Geschenkgeberin sind.

Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß die gesellschaftsrechtliche Organisationsform einer Eingetragenen Erwerbsgesellschaft nach dem gesetzlich vorgegebenen Konzept dazu gedient hat, eine Personengesellschaft mit weitgehender rechtlicher Selbständigkeit zu schaffen, wozu u.a. das Merkmal der Vermögensfähigkeit gehört (vgl. Krejci, MKK EGG Rz 2 der Vorbem). Dieses ist im Rahmen der Eingetragenen Erwerbsgesellschaft - so wie bei den Personengesellschaften des Handelsrechtes - in Gestalt der einem eigenen Rechtssubjekt weitgehend angenäherten Gesamthandschaft (sog. teilrechtsfähige Gesamthandschaft) verwirklicht (vgl. Krejci a.a.O. Rz 15 bis 17 zu § 1 EGG mit zahlreichen Nachweisen aus der Literatur).

Die Konstruktion des Gesellschaftsvermögens als Gesamthandschaft wird ungeachtet des Umstandes, daß der Gesellschaft keine umfassende Rechtspersönlichkeit zukommt, so gesehen, daß Personengesellschaften des Handelsrechtes (und damit auch Eingetragene Erwerbsgesellschaften) im Rechtsverkehr wie juristische Personen in Erscheinung treten und daß sie mit ihren Gesellschaftern nicht identifiziert werden dürfen. Eine Rechtsübertragung von einem Gesellschafter auf die Gesellschaft und umgekehrt ist deshalb eine echte Übertragung von einem auf einen anderen Rechtsträger (vgl. dazu insbesondere OGH 10. Juli 1986, 7 Ob 583/86 HS 16073 unter Berufung auf zahlreiche Vorjudikatur und Literatur). Das Gesellschaftsvermögen der OHG/KG und damit auch das der EEG ist als ein vom Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter getrenntes Vermögen zu behandeln (vgl. OGH HS 10355 uva; vgl. dazu auch Koppensteiner in Straube, HGB-Kommentar I2 Rz 20 zu § 124 HGB - Art. 7 Nr 9-11 EVHGB).

Daraus folgt u.a. auch, daß eine Eingetragene Erwerbsgesellschaft (wie eine OHG/KG) unter ihrer Firma Erbschaften annehmen und antreten kann (vgl. Krejci, a.a.O. Rz 18 zu § 1 EGG; ebenso zur Personengesellschaft des Handelsrechtes Koppensteiner in Straube a.a.O. Rz 19 zu § 124 HGB - Art. 7 Nr 9-11 EVHGB).

Besonders deutlich wird die Trennung des Gesellschaftsvermögens von der Vermögensposition des einzelnen Gesellschafters dann, wenn man an die vermögensrechtlichen Konsequenzen des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer weiter bestehen bleibenden Gesellschaft denkt. In diesem Fall verbleibt nämlich das Gesellschaftsvermögen bei der Gesellschaft, indem gemäß § 138 HGB - Art. 7 Nr 15 Abs. 1 EVHGB der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters den übrigen zuwächst, ohne daß es eines Übertragungsaktes bedarf (Koppensteiner a.a.O. Rz 5 zu § 138 HGB - Art. 7 Nr 15 und 16 EVHGB). Gleichermaßen nimmt ein in die Gesellschaft (z.B. an Stelle des Ausscheidenden) neu eintretender Gesellschafter an der Gesamthandschaft teil, ohne daß es dazu betreffend das Gesellschaftsvermögen eines Übertragungsaktes auf ihn bedarf (Koppensteiner a.a.O. Rz 16 zu § 124 HGB - Art. 7 Nr 9-11 EVHGB); es ist dazu vielmehr lediglich der Abschluß eines Aufnahmevertrages und die (nicht konstitutive) Anmeldung zum Firmenbuch gemäß § 107 HGB erforderlich.

Insbesondere der Fall des Mitgliederwechsels im Wege einer (entweder durch den Gesellschaftsvertrag vorgesehenen oder von der ad hoc-Zustimmung der übrigen Gesellschafter getragenen) Veräußerung der Mitgliedschaft durch einen Gesellschafter an einen Dritten spricht gegen die von der Beschwerdeführerin angestrebte Lösung: Wäre der schenkungsweise Erwerb durch eine Offene Erwerbsgesellschaft, an der die Kinder der Geschenkgeberin beteiligt sind, in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Anwendung der Steuerklasse I zugänglich, dann käme z.B. im Falle eines Gesellschafterwechsels durch die Veräußerung der Beteiligung eines der Kinder an einen außenstehenden Dritten letztlich dieser Dritte (dem jegliches persönliche Naheverhältnis zur seinerzeitigen Geschenkgeberin fehlen kann) in den Genuß der Steuerbegünstigung, weil er ja im Wege des Erwerbs der Mitgliedschaft ohne weiteres in die Gesamthandschaft eintritt.

Aus diesen Gründen kann der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin nicht gefolgt werden, wobei steuerrechtlich unerheblich ist, daß die Geschenkgeberin und ihre Söhne den gewählten Weg der Vermögenszuwendung an eine Offene Erwerbsgesellschaft mit Rücksicht auf § 8 WEG eingeschlagen haben. Sie haben vielmehr die steuerlichen Konsequenzen der von ihnen gewählten formalen Transaktion ohne Rücksicht auf die damit verfolgten Motive zu tragen. Da sich somit der Ansatz der Beschwerdeargumentation, nämlich die Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, aus den vorstehenden Gründen als untauglich erweist, ist jedes Eingehen im Detail auf die darauf gegründete Beschwerdeargumentation entbehrlich.

Was schließlich das gegen die Vorläufigkeit der Abgabenvorschreibung ins Treffen geführte Argument anlangt, übersieht die Beschwerdeführerin, daß sich die belangte Behörde diesbezüglich nicht nur auf eine allfällige Fortschreibung der Einheitswerte berufen hat, sondern auch auf die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen betreffend den Wert des übergebenen Betriebsvermögens. Allein deshalb, weil die Beschwerde dem letzteren Argument mit keinem Wort entgegentritt, ergibt sich bereits, daß der angefochtene Bescheid diesbezüglich nicht mit Rechtswidrigkeit belastet ist.

Da sich sohin insgesamt bereits aus dem Beschwerdeinhalt zeigte, daß die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, konnte die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abgewiesen werden.

Mit Rücksicht auf diese Entscheidung erübrigte sich ein gesonderter Abspruch durch den Berichter über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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