VwGH 96/11/0121

VwGH96/11/012119.12.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des Univ. Prof. Dr. R in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, vertretenen) Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 8. Februar 1996, Zl. B 14/96, betreffend Fondsbeiträge, zu Recht erkannt:

Normen

ÄrzteG 1984 §1 Abs2;
ÄrzteG 1984 §75;
BDG 1979 §155 Abs6;
GehG 1956 §49a;
UOG 1975 §51;
UOG 1975 §54;
UOG 1975 §54b Abs1;
UOG 1993 §46;
UOG 1993 §62;
ÄrzteG 1984 §1 Abs2;
ÄrzteG 1984 §75;
BDG 1979 §155 Abs6;
GehG 1956 §49a;
UOG 1975 §51;
UOG 1975 §54;
UOG 1975 §54b Abs1;
UOG 1993 §46;
UOG 1993 §62;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beitrag des Beschwerdeführers zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien für das Jahr 1994 mit S 350.000,-- festgesetzt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, er sei u.a. Vorstand einer Universitätsklinik an der Universität Wien. Sein als Klinikvorstand bezogener Gehalt sei nicht den Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit zuzurechnen und hätte in die Bemessungsgrundlage für den Fondsbeitrag nicht einbezogen werden dürfen.

§ 75 des Ärztegesetzes 1984 knüpft, was die Bemessung der Fondsbeiträge anlangt, an die Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit an, wobei nach § 75 Abs. 6 bei Festsetzung des Beitrages für Kammerangehörige, die den ärztlichen Beruf ausschließlich in einem Dienstverhältnis ausüben, als Bemessungsgrundlage jedenfalls der monatliche Bruttogrundgehalt dient. Zu diesem gehören nicht die Behilfen, Zulagen und Zuschläge im Sinne des § 68 EStG 1988 und die sonstigen Bezüge nach § 67 EStG 1988.

Gemäß § 1 Abs. 2 ÄrzteG umfaßt die Ausübung des ärztlichen Berufes jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird; es folgt eine acht Punkte umfassende demonstrative Aufzählung.

Gemäß § 155 Abs. 1 BDG umfassen die Aufgaben der Hochschullehrer Forschung (Erschließung der Künste), Lehre und Prüfungstätigkeit sowie zusätzlich Verwaltungstätigkeit. Gemäß § 155 Abs. 6 BDG haben Hochschullehrer, die an der Universität als Ärzte (§ 1 Abs. 2 des Ärztegesetzes 1984) verwendet werden, außerdem an der Erfüllung der Aufgaben mitzuwirken, die den Universitätseinrichtungen im Rahmen des öffentlichen Gesundheitswesens und der Krankenbehandlung obliegen und im § 54 UOG genannt sind.

Gemäß § 54 Abs. 1 erster Satz UOG sind Universitätskliniken jene Institute der Medizinischen Fakultäten, in denen im Rahmen einer Krankenanstalt auch ärztliche Leistungen unmittelbar am Menschen erbracht werden. Nach dem ersten Satz des § 54a Abs. 1 UOG sind Universitätsklinken zugleich Teile der Krankenanstalt und der Universitäts-Organisation.

Dementprechend obliegen ihnen gleichermaßen die Aufgaben im Rahmen der Krankenanstalt sowie die Erfüllung aller mit der Vorbereitung und Durchführung der wissenschaftlichen Lehre und Forschung zusammenhängenden Aufgaben; weiters obliegt ihnen die mit der Erfüllung ihrer wissenschaftlichen Aufgaben zusammenhängende Verwaltungstätigkeit, soweit sie nicht anderen Einrichtungen der Universität anvertraut sind. Nach dem ersten Satz des § 54b Abs. 1 UOG entspricht der Wirkungsbereich des Klinikvorstandes dem des § 51. Im § 51 UOG sind die Aufgaben des Institutsvorstandes geregelt, in der demonstrativen Aufzählung des Abs. 2 scheinen u.a. die Führung der laufenden Geschäfte des Instituts, die Vorsorge für die Sicherstellung der Ausübung der Lehrbefugnis und Unterrichtsbefugnis sowie der Benützung der Institutseinrichtungen für wissenschaftliche Arbeiten, die Ausarbeitung der Vorschläge zum Budget und zum Dienstpostenplan, die Durchführung der Beschlüsse der Institutskonferenz, die Wahrnehmung der Funktion des Vorgesetzten für das Institutspersonal, die Vertretung des Instituts, die Sicherstellung der Zusammenarbeit des Instituts mit anderen Universitätseinrichtungen, die Erstattung von Vorschlägen für die Ausschreibungstexte und für die Besetzung der dem Institut zugewiesenen Planstellen auf. Die erwähnten Bestimmungen des UOG sind mit Wirkung vom 1. Oktober 1994 an durch den § 46 bzw. die §§ 62ff UOG 1993, BGBl. Nr. 805, mit im wesentlichen gleichem Inhalt ersetzt worden.

Aus der dargestellten Rechtslage ergibt sich zunächst, daß der Gehalt eines Leiters einer Universitätsklinik keinesfalls zur Gänze als Entgelt für eine Tätigkeit gewertet werden kann, die nichts mit ärztlicher Tätigkeit zu tun hat. Der betreffende Universitätslehrer ist sowohl Mitglied einer Medizinischen Fakultät, also Universitätslehrer, als auch Arzt. Als solcher erbringt er (auch) ärztliche Leistungen an Menschen. Ärztliche Leistung des Leiters einer Klinik ist es darüber hinaus, wenn er die Erbringung ärztlicher Leistungen durch Mitarbeiter der Klinik überwacht, koordiniert, insbesondere durch Weisungen gestaltet. Diese Tätigkeit ist naturgemäß mit der Ausbildung der in der Klinik beschäftigten Ärzte untrennbar verbunden. Auch wenn der Leiter der Klinik organisatorische Entscheidungen trifft und - als Dienstvorgesetzter - Anweisungen gibt, handelt es sich um - mittelbar erbrachte - ärztliche Leistungen. All das erfolgt in Verfolgung des übergeordneten Zieles, der menschlichen Gesundheit zu dienen. Auch die Erfüllung der Pflichten des Leiters einer Klinik als Institutsvorstand wie sie im § 51 Abs. 2 UOG definiert sind (seit 1. Oktober 1994 in § 46 Abs. 1 UOG 1993) - auf welche der Beschwerdeführer speziell hinweist - ist ärztliche Tätigkeit.

Dasselbe gilt für die Lehre: Auch die Vermittlung von medizinischem Wissen und Fertigkeiten für die künftige Entfaltung ärztlicher Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 ÄrzteG durch einen Arzt muß als ärztliche Tätigkeit angesehen werden.

Der Hinweis des Beschwerdeführers auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. September 1984, (richtig zitiert:) Zl. 84/08/0066, geht insofern am Thema vorbei, als es sich dort darum gehandelt hat, ob "kaufmännisch-unternehmerische Hilfstätigkeiten" - wie das Anbieten von Heilbehandlungen - zu den den Ärzten vorbehaltenen Tätigkeiten zählen. Im gegenständlichen Zusammenhang ist vielmehr davon auszugehen, daß organisatorische und wirtschaftende Tätigkeiten auch von jedem selbständig praktizierenden Arzt entfaltet werden und - wenn sie nicht auf eine inhaltlich anders geartete Haupttätigkeit gerichtet sind (wie etwa auf die Ausübung eines Gewerbes neben der ärztlichen Tätigkeit; vgl. das Erkenntnis vom 25. April 1988, Slg. Nr. 12714/A) - von der ärztlichen Tätigkeit nicht trennbar sind. Daß sich ein Arzt etwa Ordinationsräumlichkeiten verschafft, diese einrichtet und ausstattet, Personal anstellt und dieses leitet, Partnerschaften mit anderen Ärzten eingeht, Kraftfahrzeuge anschafft etc., welchen Aufwand er durch seine ärztlichen Honorare abdeckt, macht letztere auch nicht teilweise zu Einnahmen aus nichtärztlicher Tätigkeit.

Daraus folgt weiters, daß der Gehalt eines Leiters einer Klinik grundsätzlich eine Einnahme aus ärztlicher Tätigkeit ist. Eine Ausnahme davon kann nur dann angenommen werden, wenn - klar trennbare - Bestandteile des Gehaltes ausdrücklich als Entgelt für andere als ärztliche Tätigkeiten bezeichnet werden. Dies ist etwa hinsichtlich der Hochschullehrern nach § 49a des Gehaltsgesetzes zustehenden Dienstzulage der Fall. Diese wird als (pauschale) Abgeltung aller zeitlichen und mengenmäßigen Mehrleistungen außer ärztlichen Journal- und Bereitschaftsdiensten sowie Dienstleistungen im Rahmen dieser Dienste bezeichnet. Eine weitere Ausnahme könnte in den im § 51b des Gehaltsgesetzes geregelten Amtszulagen erblickt werden.

Die belangte Behörde hat die vom Beschwerdeführer zu entrichtenden Fondsbeiträge - soweit es um seine unselbständige Tätigkeit als Leiter einer Klinik geht - auf der Basis des "Bruttogrundgehaltes" berechnet. In welcher Höhe sie diesen angenommen hat und auf welche Weise sie zu dieser Annahme gekommen ist, ist der Aktenlage nicht zu entnehmen. Der einzige Anhaltspunkt hiefür wäre allenfalls eine handschriftliche Eintragung auf der Beitragserklärung des Beschwerdeführers aus dem Juni 1994. Inwieweit in diesem "Bruttogrundgehalt" auch Bestandteile aus nichtärztlicher Tätigkeit im oben dargestellten Sinn enthalten sind, läßt sich ebenfalls dem Akt nicht entnehmen, sodaß dem Verwaltungsgerichtshof auch in dieser Hinsicht die Prüfung der inhaltlichen Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht möglich ist.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich - abschließend - nicht veranlaßt, an den Verfassungsgerichtshof zum Zweck der Prüfung der Gesetzmäßigkeit von Bestimmungen der Beitragsordnung der Ärztekammer für Wien heranzutreten. Der Beschwerdeführer stellt in diesem Zusammenhang teilweise nur Vermutungen an ("unklar bleibt auch, ob ... "), andererseits wurde der Höchstbetrag von 350.000 S im Sinne des Abschnittes I Abs. 4 erster Satz der Beitragsordnung für den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien, die am 1. Jänner 1994 in Kraft getreten ist (Beschluß der Vollversammlung vom 14. Dezember 1993), nicht als Reaktion auf die Nichtvorlage von Unterlagen seitens des Beschwerdeführers, sondern im Gegenteil auf Grund seiner Angaben vorgeschrieben.

Da der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften verletzt wurden, bei deren Einhaltung die Behörde zu einem anders lautenden Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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