VwGH 95/21/0482

VwGH95/21/048220.3.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde der L in T, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Februar 1995, Zl. 300.015/3-III/11/95, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z2;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (belangte Behörde) vom 28. Februar 1995, mit welchem der Antrag der Beschwerdeführerin, einer kroatischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG, in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) abgewiesen wurde. Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid damit, daß es gerade die Notwendigkeit, in einem ohnedies sensiblen Bereich die weitere Zuwanderung sorgfältig zu steuern, erforderlich mache, strenge Maßstäbe an die Beurteilung der gesicherten Unterhaltsmittel von Zuwanderern anzulegen. Sei der Unterhalt für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert, so dürfe gemäß § 5 Abs. 1 AufG eine Bewilligung nicht erteilt werden. Dem der Beschwerdeführerin für sich selbst, ihrem Ehegatten sowie ihren beiden Töchtern zur Verfügung stehenden Familieneinkommen von netto S 11.858,-- (wie dies seitens des Arbeitgebers des Ehegatten der Beschwerdeführerin bestätigt worden sei) stünden die Lebensunterhaltskosten ihrer Familie zuzüglich der monatlich zu leistenden Miete von S 2.660,-- gegenüber. Bei der Ermittlung des Mindestbedarfes nach dem Sozialhilferichtsatz sei dem monatlichen Nettoeinkommen die Familienbeihilfe nicht zuzurechnen, weil diese bereits durch die Heranziehung des niedrigeren Richtsatzes für Kinder, für die Familienbeihilfe bezogen werde, Berücksichtigung finde. Desweiteren seien Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsremunerationen dem monatlichen Nettoeinkommen nicht zuzurechnen. Unter Berücksichtigung des Sozialhilferichtsatzes nach der geltenden oberösterreichischen Sozialhilfeverordnung sei für die Familie der Beschwerdeführerin von einem Mindestbedarf von S 12.980,-- monatlich auszugehen, dem noch der monatliche Mietzins in der Höhe von S 2.660,-- zuzurechnen sei. Angesichts dieser Differenz könne eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte - unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf eine Bewilligung Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.

Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil der in dem jeweiligen Bundesland geltende Sozialhilferichtsatz für die Verwaltungsbehörden zwar eine praktikable Berechnungsgrundlage darstellen möge, ob der Lebensunterhalt eines Fremden gemäß § 5 Abs. 1 AufG ausreichend gesichert sei, in bezug auf das anzuwendende Aufenthaltsgesetz besitze er jedoch keinen normativen Charakter. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin sei bereits zum Zeitpunkt ihrer Einreise seit mehr als drei Monaten im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltsbewilligung gewesen, er halte sich bereits seit 1972 im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführerin sowie ihren Töchtern sei im Jahre 1992 die Familienzusammenführung durch die Gewährung des Aufenthaltsrechts bewilligt worden. Seit Juli 1992 sei der Beschwerdeführerin von ihrem Ehegatten der ordnungsgemäße Unterhalt tatsächlich geleistet worden; zu keinem Zeitpunkt seien irgendwelche Unterstützungen durch öffentliche Rechtsträger notwendig gewesen. Würde man der Rechtsansicht der belangten Behörde folgen, so könnte jede Familienzusammenführung letztlich wiederum zu einer Familienaufsplitterung führen. Die belangte Behörde habe auch insoferne Verfahrensvorschriften verletzt, als sie nicht berücksichtigt habe, daß die Beschwerdeführerin auch über ein Sparguthaben von S 150.000,-- verfüge, welches für den Fall der Notwendigkeit der Deckung des Unterhaltes der Familie herangezogen werden könne.

Die Beschwerde ist im Ergebnis aus folgenden Gründen berechtigt: Zwar begegnet die Heranziehung des Sozialhilferechtes des betreffenden Bundeslandes für die Beurteilung der Frage, ob der Unterhalt für die Geltungsdauer der Bewilligung im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG gesichert ist, grundsätzlich keinen Bedenken (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 28. September 1995, Zl. 95/18/0668). Im vorliegenden Fall vertrat die belangte Behörde jedoch zu Unrecht die Auffassung, daß "Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsremunerationen dem monatlichen Nettoeinkommen nicht zuzurechnen" seien, und rechnete daher den - aufgrund einer Bestätigung des Arbeitgebers des Ehegatten der Beschwerdeführerin aktenkundigen - Sonderzahlungsanspruch von monatlich etwa S 3.468,-- brutto nicht ein. Vielmehr ging sie von einem monatlichen Gesamtnettoeinkommen der Familie der Beschwerdeführerin von S 11.858,-- aus und stellte dieses Einkommen einem - unter Berücksichtigung des Sozialhilferichtsatzes berechneten - Mindestbedarf von monatlich S 12.980,-- zuzüglich eines monatlichen Mietzinses von S 2.660,-- gegenüber. Die belangte Behörde hielt auch den Hinweis der Beschwerdeführerin, sie verfüge über ein Sparguthaben von S 150.000,-- für die Beurteilung gemäß § 5 Abs. 1 AufG für unbeachtlich. Damit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt, weil grundsätzlich sämtliche zur Verfügung stehenden Mittel der Beurteilung gemäß § 5 Abs. 1 AufG zugrundezulegen sind.

Die belangte Behörde belastete den angefochtenen Bescheid im übrigen auch im Hinblick damit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, daß sie jede Auseinandersetzung mit der Frage unterließ, ob die durch die Versagung der Bewilligung bewirkte Beeinträchtigung der privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK notwendig und angemessen war (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. März 1995, B 2259/94).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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