VwGH 95/20/0271

VwGH95/20/027118.4.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des M in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. März 1995, Zl. 4.329.346/8-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §63 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §63 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 7. Dezember 1991 in das Bundesgebiet ein und stellte am darauffolgenden Tag den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Anläßlich seiner am 19. März 1992 erfolgten niederschriftlichen Befragung vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg gab er im wesentlichen an, er gehöre in seiner Heimat der kurdischen Minderheit an. Wie allgemein bekannt sei, würden die Kurden von den türkischen Machthabern unterdrückt. Er persönlich sei im Jahr 1986 von der Hauptschule in Polatli entfernt worden, da er dort des öfteren kurdisch gesprochen habe. Dies, obwohl seine Noten nicht schlecht gewesen seien. In Polatli sei es gang und gäbe gewesen, daß er auf der Straße ohne Grund von Polizisten zur Ausweisleistung verhalten worden sei. Bei einer solchen Kontrolle im Jahr 1987 habe er eine Hand in seiner Hosentasche behalten, was für die Polizisten Grund genug gewesen sei, ihn auf die Wachstube mitzunehmen, wo er von Polizisten mit Händen auf den Körper und auf den Kopf geschlagen worden sei. Für diese Mißhandlungen habe er keine Beweise und keine ärztlichen Bestätigungen. Nach dieser Befragung sei er wieder in Freiheit entlassen worden. In seiner Heimat habe er keiner politischen Bewegung angehört, nur wegen seiner Volkszugehörigkeit sei er verfolgt worden. Später sei er nicht mehr verhaftet worden, die ständigen Kontrollen auf der Straße seien jedoch weitergegangen. Da sich die Lage in der Türkei für Kurden immer mehr zugespitzt habe, habe er sich entschlossen, nach Österreich zu fliehen und um Asyl anzusuchen. Daß dieser Entschluß richtig gewesen sei, zeigten die derzeitigen Zustände in seiner Heimat.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 18. April 1992 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine Berufung, in der er keine vom erstinstanzlichen Vorbringen abweichenden Umstände geltend machte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, Österreich gewähre ihm kein Asyl.

Sie begründete ihren Spruch im wesentlichen dahingehend, er habe im Verwaltungsverfahren keine Umstände glaubhaft gemacht, die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, daß er sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befinde und nicht gewillt sei, sich wieder unter dessen Schutz zu stellen. Er habe im Asylverfahren keine relevanten Verfolgungshandlungen vorzubringen vermocht. Weder der Schulverweis im Jahre 1986 noch seine kurzfristige Festnahme samt Mißhandlungen im Jahr 1987 noch die allgemeine Unterdrückung und Belästigung durch "ständige Ausweiskontrollen" stellten derart gravierende Eingriffe in die Grundrechte des Beschwerdeführers dar, "um dem im AsylG 1991 angesprochenen Sachverhalt zugrundegelegt werden zu können".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Zunächst rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe nach Aufhebung des die Berufung des Beschwerdeführers zurückweisenden Bescheides der belangten Behörde mit Erkenntnis vom 10. Oktober 1994, Zl. 94/20/0073, kein weiteres Ermittlungsverfahren durchgeführt und habe dem Beschwerdeführer auch keine Möglichkeit eingeräumt, sein Berufungsvorbringen zu ergänzen. Der Beschwerdeführer ist aber darauf hinzuweisen, daß die Aufhebung des zuvor genannten Bescheides der belangten Behörde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit darauf beruhte, daß der Verwaltungsgerichtshof - anders als die belangte Behörde - davon ausging, daß ein begründeter Berufungsantrag in der vom Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 8. April 1992 erhobenen Berufung enthalten war. Es handelte sich bei dieser Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit keineswegs um einen jener Fälle, die im Zusammenhang mit der Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 standen. Die Möglichkeit zu einer - vorher nicht zusinnbaren - Berufungsergänzung hätte daher der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall jederzeit gehabt (Zustelldatum des aufhebenden Erkenntnisses 25. November 1994, Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides 3. April 1995). Im Hinblick darauf, daß sowohl zum Zeitpunkt der Zustellung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes als auch im Zeitpunkt der Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1994 schon längst kundgemacht war (BGBl. Nr. 610/1994) bestand auch für die belangte Behörde keine Veranlassung, den Beschwerdeführer auf die dadurch entstandene geänderte Rechtslage hinzuweisen. Da aber Verfahrensmängel im Sinne des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 in der Fassung nach Kundmachung des Verfassungsgerichtshofserkenntnisses, BGBl. Nr. 610/1994, nicht geltend gemacht wurden, bestand auch für die belangte Behörde kein Anlaß, das Ermittlungsverfahren erster Instanz ergänzen bzw. wiederholen zu lassen. Auch der Verwaltungsgerichtshof kann aus dem Akteninhalt Anhaltspunkte für die Annahme, einer der Fälle des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 läge vor, nicht erkennen. Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991, der durch das bereits vielfach zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes keine Änderung erfahren hat, von den Ermittlungsergebnissen erster Instanz ausgegangen ist und sie ihrer rechtlichen Beurteilung zugrundegelegt hat. Daher erweisen sich die ausführlichen Darlegungen des Beschwerdeführers zur Frage einer möglichen "Musterungsdesertion" als mit dem Neuerungsverbot des § 41 VwGG unvereinbar und unbeachtlich. Auch den sich daran anschließenden weitwendigen Ausführungen zur allgemeinen Lage der Kurden in der Türkei antwortend wird - der Kürze halber und um Wiederholungen zu vermeiden - darauf verwiesen, daß nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht die allgemeine Situation von Minderheiten asylrelevant ist, sondern immer die konkreten Umstände des Einzelfalles, wobei allerdings nicht verkannt werden soll, daß die konkrete Einzelsituation vor dem Hintergrund allgemeiner Verhältnisse in einer Gesamtschau zu beurteilen ist.

Im vorliegenden Fall kann aber der belangten Behörde beigepflichtet werden, wenn sie die vom Beschwerdeführer in erster Instanz geschilderten Umstände als nicht derart gravierend beurteilt hat, um im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention und der hg. Judikatur eine wohlbegründete Furcht vor erheblichen Eingriffen in die Grundrechte des Beschwerdeführers durch staatliche Organe als glaubhaft anzusehen.

Aus diesem Grunde war die Beschwerde als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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