VwGH 95/20/0153

VwGH95/20/015316.1.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des T in I, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. September 1994, Zl. 4.342.212/3-III/13/94, betreffend Feststellung gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 AsylG 1991, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §11;
AsylG 1991 §5 Abs1 Z3;
AVG §39 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnC;
AsylG 1991 §11;
AsylG 1991 §5 Abs1 Z3;
AVG §39 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnC;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem Beschwerdeführer - einem türkischen Staatsangehörigen - wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. April 1993, Zl. 4.342.212/1-III/13/93, gemäß § 3 AsylG 1991 in Österreich Asyl gewährt. Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. September 1994 wurde jedoch in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21. Juli 1994 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Z. 3 AsylG 1991 festgestellt, daß hinsichtlich seiner Person der im Art. 1 Abschnitt C, Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention genannte Tatbestand eingetreten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Abtretung mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Februar 1995,

B 2166/94-10, erwogen hat:

In der Begründung des angefochtenen Bescheides geht die belangte Behörde - ebenso wie auch das Bundesasylamt - von der weder in der Berufung noch in der Beschwerde bestrittenen Tatsache aus, daß der Beschwerdeführer am 3. Februar 1994 mit einem Flugzeug der Fluglinie Turkish Airlines von München aus via Istanbul nach Adana geflogen sei, um seine in der Nähe von Adana lebende schwer erkrankte Mutter zu besuchen. Probleme seitens der türkischen Behörden habe er während seines mehr als dreimonatigen Aufenthaltes in seinem Heimatland nicht gehabt, doch sei diesen auch sein Aufenthalt nicht bekannt gewesen. Er selbst habe sich bei einem Arzt wegen seiner Hepatitis B behandeln lassen. Auch die Rückreise von Adana nach Österreich sei - abgesehen von einem mit einem gefälschten türkischen Reisepaß bewerkstelligten Grenzübertritt nach Rumänien - problemlos erfolgt. Darin sah die belangte Behörde - "abgesehen davon, ob darin nicht sogar schon eine Unterschutzstellung unter die Souveränität Ihres Heimatstaates gesehen werden kann" - jedenfalls als "dokumentiert" an, daß sich der Beschwerdeführer zumindest subjektiv nicht mehr davor fürchte, der Hoheitsgewalt seines Heimatstaates - wenn auch nur temporär - "ausgeliefert" zu sein. Da auch der subjektive Umstand des Vorliegens von Furcht für die damalige Anerkennung als Flüchtling ausschlaggebend gewesen sei und dieser Umstand offensichtlich nicht mehr bestehe oder zumindest nicht in bezug auf das gesamte türkische Staatsgebiet bestehe, könne er es nicht weiterhin ablehnen, sich unter den Schutz seines Heimatlandes zu stellen.

Dem ist zu entgegnen, daß die Schlußfolgerung der belangten Behörde in dem sich aus dem Akt ergebenden Ermittlungsergebnis keine hinreichende Deckung findet. In seinem Erkenntnis vom 31. Mai 1995, Zl. 94/01/0795, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, auch die mehrmalige, nicht unter Umgehung der Grenzkontrolle erfolgte Einreise in das Heimatland - ob dies auch schon bei einmaliger Einreise der Fall wäre, könne unerörtert bleiben - stelle gewöhnlich eine Unterschutzstellung unter das Heimatland dar, sofern nicht vom Beschwerdeführer ein Sachverhalt dargebracht würde, der jeweils eine davon abweichende Beurteilung erfordere. In umgekehrtem Licht betrachtet bedeutet dies aber, daß jeweils im Einzelfall zu prüfen ist, ob nicht ein Sachverhalt behauptet wurde, der in Abweichung zu dieser generellen Aussage konkret die Annahme einer der in Art. 1 Abschnitt C GFK genannten Tatbestände verbietet. Im vorliegenden Fall hatte der Beschwerdeführer nicht nur die Behauptung aufgestellt, er sei von den heimatlichen Behörden deswegen unbehelligt geblieben, weil diesen sein Aufenthalt nicht bekannt geworden sei, sondern auch, daß seine Rückreise nur infolge Bestechung bzw. durch Verwendung eines gefälschten Reisepasses problemlos verlaufen sei, daß sich aber grundsätzlich an seiner Verfolgungssituation im Hinblick auf die derzeitigen politischen Verhältnisse in seinem Heimatland keineswegs etwas geändert habe. Die belangte Behörde hat wohl selbst die Problematik ihrer Vorgangsweise erkannt, indem sie eine "Unterschutzstellung" nicht zur juristischen Grundlage ihrer Entscheidung machen wollte, sondern meinte, der Beschwerdeführer sei nicht mehr Flüchtling, weil die subjektive Furcht vor Verfolgung offenkundig nicht mehr vorgelegen sei.

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 1991 verliert ein Flüchtling u.a. das Asyl, wenn festgestellt wird, daß

"3. hinsichtlich seiner Person eine der in Art. 1 Abschnitt C oder F lit. a oder c oder Art. 33 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Tatbestände eingetreten ist."

Nach dem hier maßgeblichen Art. 1 Abschnitt C GFK wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet werden, wenn sie

"1. sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat; oder

2. die verlorene Staatsangehörigkeit freiwillig wieder erworben hat; oder

3. eine andere Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz ihres neuen Heimatlandes genießt; oder

4. sich freiwillig in dem Staat, den sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen oder nicht betreten hat, niedergelassen hat; oder

5. wenn die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.".

Die belangte Behörde hat sich also lediglich auf die Z. 5 leg. cit. gestützt. Es wäre daher das Vorliegen einer nach wie vor bestehenden subjektiven Furcht vor (neuerlicher) Verfolgung im Zuge des Ermittlungsverfahrens nicht nur zu vermuten, sondern durch Befragung des Beschwerdeführers insbesondere über seine Vorkehrungen zur Hintanhaltung seiner Entdeckung während seiner medizinischen Behandlung, bzw. allfällig zu erwartender Paßkontrollen bei der Einreise in Istanbul festzustellen gewesen. Gerade der Umstand, daß der Beschwerdeführer bekundet hatte, nach wie vor subjektiv Furcht vor Verfolgung in seinem Heimatland zu haben, sowie daß sein Aufenthalt den dortigen Behörden nicht bekannt geworden und die Dauer seines Aufenthaltes offenbar krankheitsbedingt gewesen sei, läßt die davon abweichende Vermutung der belangten Behörde, subjektive Furcht könne nicht mehr vorliegen, als zumindest zweifelhaft erscheinen.

Da den Erwägungen der belangten Behörde sohin eine ausreichende Sachverhaltsgrundlage fehlt und sie daher der Schlüssigkeitsprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht standhalten, war der darauf gestützte angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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