Normen
AufG 1992 §5 Abs1;
MRK Art8;
AufG 1992 §5 Abs1;
MRK Art8;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 16.700,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 18. Juli 1995 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung jeweils gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden im wesentlichen gleichlautend aus, gemäß § 5 Abs. 1 AufG dürfe eine Bewilligung nicht erteilt werden, wenn der Unterhalt des Fremden für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert sei. Die Beschwerdeführer hätten aufgrund einer Aufforderung der belangten Behörde als zur Deckung ihres Unterhaltes verfügbare Mittel lediglich das Einkommen des Erstbeschwerdeführers in der Höhe von S 9.939,-- netto monatlich bescheinigt. Dieses sei nicht geeignet, den Lebensunterhalt für die aus zwei Erwachsenen und vier Kindern bestehende Familie zu sichern.
Zu den persönlichen Verhältnissen des Erstbeschwerdeführers führte die belangte Behörde aus, dieser habe zwar arbeitsrechtlich in Österreich einigermaßen Fuß gefaßt, es bestünden "jedoch sonst keine nennenswerten Bindungen zur Republik Österreich". Aus diesen Gründen sei den öffentlichen Interessen an der Versagung der Aufenthaltsbewilligung Priorität einzuräumen gewesen.
In Ansehung der persönlichen Verhältnisse der Zweitbeschwerdeführerin führte die belangte Behörde aus, durch den Aufenthalt ihrer Familie im Bundesgebiet bestünden unabsprechbare private Beziehungen "zu Österreich". Dennoch sei aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes den öffentlichen Interessen "absolute Priorität" einzuräumen. Hinsichtlich der Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer führte die belangte Behörde aus, den öffentlichen Interessen sei im Rahmen des Art. 8 MRK gegenüber den privaten Interessen der Vorzug zu geben.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende, erkennbar Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, sie aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer machen geltend, daß das von ihnen über Aufforderung der belangten Behörde bescheinigte Einkommen des Erstbeschwerdeführers von netto "ca. S 9.939,-- monatlich" nur dem Grundlohn ohne Überstunden und Nebenleistungen enstpreche. Tatsächlich bringe der Erstbeschwerdeführer etwa S 13.000,-- netto monatlich ins Verdienen. Dieses Vorbringen verstößt gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschende Neuerungsverbot, zumal seitens der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren lediglich das von der belangten Behörde angenommene monatliche Nettoeinkommen behauptet und bescheinigt wurde.
Ausgehend von diesem Einkommen von S 9.939,-- begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, der Unterhalt der Beschwerdeführer in Österreich sei für die Dauer des Aufenthaltes nicht gesichert, selbst bei Richtigkeit der Beschwerdebehauptung, daß durch die anteilsmäßige Berücksichtigung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld das monatliche Nettoeinkommen um etwa S 2.000,-- höher wäre, keinen Bedenken, weil sich unter Zugrundelegung der Richtsätze nach § 1 der aufgrund des NÖ Sozialhilfegesetzes, LGBl. 9200-0, ergangenen Verordnung LGBl. 9200/1-24, als Orientierungswert ein Monatsbedarf der Familie von S 13.870,-- errechnet. Dieser könnte auch nicht mit einem Einkommen von S 11.939,-- gedeckt werden.
Die im Verwaltungsakt enthaltenen Hinweise auf das gemeinsame Familienleben der Beschwerdeführer und auf ihre Integration in Österreich zeigen eine auch von Amts wegen wahrzunehmende inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Würde die Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz mangels Sicherung des Lebensunterhaltes in das durch Art. 8 MRK geschützte Recht des Fremden auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingreifen, so gebietet eine verfassungskonforme Auslegung des § 5 Abs. 1 AufG eine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen des Bewilligungswerbers derart, daß eine Versagung der Bewilligung nur zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen notwendig ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. März 1995, B 2259/94, und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Mai 1996, Zlen. 95/21/0429 bis 0431).
Die Beschwerdeführer haben in ihren Berufungen vorgebracht, daß sie als Familie bereits seit dem Jahre 1989 - die Viertbeschwerdeführerin seit ihrer Geburt - in Österreich lebten und hier vollständig integriert seien. Die belangte Behörde hat es unterlassen, zu diesem entscheidungswesentlichen Vorbringen entsprechende Feststellungen zu treffen.
Dabei ging sie in Ansehung des Erstbeschwerdeführers offenbar rechtsirrtümlich davon aus, daß im Rahmen der durch Art. 8 Abs. 2 MRK gebotenen Abwägung lediglich die arbeitsrechtlichen, nicht jedoch die familiären Bindungen des Fremden im Inland zu berücksichtigen seien. In dem die Zweitbeschwerdeführerin betreffenden Bescheid wurde zwar der Aufenthalt ihrer Familie im Bundesgebiet erwähnt, Feststellungen über dessen Dauer und über das Ausmaß der Integration der Familie in Österreich wurden jedoch nicht getroffen, weil die belangte Behörde ihrem Bescheid rechtsirrtümlich die Auffassung zugrundelegte auch bei Einbeziehung der behaupteten intensiven privaten und familiären Interessen der Zweitbeschwerdeführerin in Österreich in ihre Güterabwägung zu keinem anderen Ergebnis gelangen zu können. Was nun die Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer betrifft, hat sich die belangte Behörde überhaupt nur mit dem in keiner Weise nachvollziehbaren Hinweis begnügt, daß bei Abwägung der privaten und der öffentlichen Interessen den letzteren der Vorzug zu geben gewesen sei. Damit wurde in Wahrheit keine Interessenabwägung vorgenommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/18/0826).
Aus diesen Gründen waren die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Zur zweckmäßigen Rechtsverfolgung war lediglich die Vorlage der angefochtenen Bescheide sowie der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 10. August 1995 erforderlich. Die Vorlage der übrigen Urkunden unterlag dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschenden Neuerungsverbot.
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