VwGH 95/18/0442

VwGH95/18/044223.5.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Dezember 1994, Zl. 103.198/2-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG 1992 §6 Abs3;
AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG 1992 §6 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 30. Dezember 1994 wies der Bundesministers für Inneres (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß §§ 6 Abs. 2 und 13 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, es stehe fest, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes und im Zeitpunkt der Antragstellung über keinen Sichtvermerk verfügt habe. Er sei daher nicht berechtigt, einen Verlängerungsantrag im Sinne des § 13 Aufenthaltsgesetz zu stellen. Der vorliegende Erstantrag hätte gemäß § 6 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz vor der Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus gestellt werden müssen. Es sei daher auch auf das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen persönlichen Verhältnissen nicht weiter einzugehen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bringt vor, daß er noch vor Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Sichtvermerkes (30. April 1993) einen Antrag auf Erteilung eines weiteren Sichtvermerkes gestellt habe. Infolge seiner Adressenänderung sei ihm erklärt worden, daß er den Antrag nunmehr bei einem anderen magistratischen Bezirksamt einzubringen habe. Auf dieses Vorbringen sei die belangte Behörde in keiner Weise eingegangen.

2. Da der Beschwerdeführer somit selbst zugesteht, daß der ihm zuletzt erteilte Sichtvermerk nur bis 30. April 1993 gültig gewesen sei, begegnet die Ansicht der belangten Behörde, daß sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes (1. Juli 1993) nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, keinen Bedenken.

Der Beschwerde ist aus folgenden Gründen dennoch Erfolg beschieden:

Nach Ausweis der Akten hat der Beschwerdeführer den vorliegenden Antrag am 15. Oktober 1993 gestellt.

Unter Zugrundelegung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 16. Juni 1995, B 1611-1614/94, und in der Folge etwa das Erkenntnis vom 29. Juni 1995, B 2688, 2689/94 sind Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung von Fremden, die sich seit vielen Jahren bzw. sogar seit der Geburt rechtmäßig in Österreich aufgehalten haben und die aus welchen Gründen immer über keine Aufenthaltsberechtigung (mehr) verfügen, im Fall relativ geringfügiger Versäumung der Frist zur Antragstellung im Sinne des § 13 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz im Hinblick auf das Gebot verfassungskonformer Auslegung des durch § 6 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz geschaffenen Regelungssystems dem zweiten Satz der zuletzt genannten Vorschrift zu unterstellen. Das heißt, daß solche Bewilligungsanträge - ungeachtet der Fristversäumnis - als rechtzeitig gestellte Anträge auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die auch vom Inland aus gestellt werden können, zu werten sind (vgl. dazu auch etwa das hg. Erkenntnis vom 21. März 1996, Zl. 94/18/1034). Diese Überlegungen gelten auch dann, wenn die Aufenthaltsberechtigung des Fremden zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes (mit 1. Juli 1993) bereits abgelaufen war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1996, Zl. 95/21/0197).

Der Beschwerdeführer hat bereits in der am 28. März 1994 bei der Behörde erster Instanz eingelangten Bekanntgabe ausgeführt, sich seit vier Jahren in Österreich aufzuhalten.

Infolge Verkennung der oben dargelegten Rechtslage unterließ die belangte Behörde die Prüfung, ob der Antrag des Beschwerdeführers ungeachtet der Fristversäumung dem zweiten Satz des § 6 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz zu unterstellen ist.

3. Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des Begehrens (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß die Vorlage einer dritten Ausfertigung der Beschwerde nicht erforderlich war.

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