VwGH 95/11/0087

VwGH95/11/008730.1.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des C in D, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 7. Februar 1995, Zl. UVS 30.8-192/94-3, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AZG §28 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;
VStG §9;
AZG §28 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;
VStG §9;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 11. November 1994 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Bevollmächtigter des Arbeitgebers Österreichisches Rotes Kreuz, Landesverband Steiermark, Bezirksstelle Deutschlandsberg, in seiner Eigenschaft als Bezirksrettungskommandant und Bezirkssekretär nicht dafür Sorge getragen, daß an näher bezeichneten Tagen im Februar und März 1992 durch sechs namentlich genannte Arbeitnehmer die Höchstgrenze der täglichen Arbeitszeit eingehalten werde und durch zwei namentlich genannte Arbeitnehmer die erforderliche ununterbrochene Ruhezeit nicht unterschritten werde. Der Beschwerdeführer habe hiedurch in den erstgenannten sechs Fällen die Bestimmungen des § 9 erster Satz in Verbindung mit § 28 Abs. 1 des Arbeitszeitgesetzes und in den beiden letztgenannten Fällen die Bestimmungen des § 12 erster Satz in Verbindung mit § 28 Abs. 1 des Arbeitszeitgesetzes übertreten, weshalb über ihn insgesamt acht Geldstrafen zu je S 2.000,-- (und Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt wurden. Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. Februar 1995 wurde der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung in Ansehung des Schuldspruches keine Folge gegeben und der Ausspruch der Behörde erster Instanz bestätigt; in Ansehung der Höhe der Strafen wurde der Berufung jedoch insoweit Folge gegeben, als die Strafen gemäß § 28 Abs. 1 AZG zu sämtlichen acht Übertretungen auf je S 600,-- (und auch die Ersatzfreiheitsstrafen) herabgesetzt wurden.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Zunächst ist dem Beschwerdeführer, insoweit er den Eintritt von Verjährung mangels einer rechtzeitigen gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlung geltend macht, weil die Behörde ihm die Eigenschaft "als Bevollmächtigter" nicht rechtzeitig vorgeworfen habe, folgendes zu entgegnen:

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen wird. Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung beträgt die Verjährungsfrist sechs Monate.

§ 32 Abs. 2 leg. cit. bestimmt, daß Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung und dergleichen) ist, und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Es ergibt sich daher, daß die Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG von einer Behörde auszugehen und sich gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten zu richten hat, das heißt gegen eine Person, die im Verdacht einer konkret bestimmten Verwaltungsübertretung steht. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Begriff "Beschuldigter" in § 32 Abs. 1 VStG, sondern auch aus der Erwägung, daß die vom Gesetz als Beispiele einer Verfolgungshandlung angeführten Amtshandlungen (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung etc.) das Wissen der Behörde um eine bestimmte Verwaltungsübertretung bzw. den Verdacht einer solchen strafbaren Handlung voraussetzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. September 1988, Zl. 88/08/0146, mit weiterem Judikaturhinweis). Der Umstand, ob der Beschuldigte die Tat in der Eigenschaft als Arbeitgeber, als zur Vertretung nach außen Berufener, als gewerberechtlicher Geschäftsführer, als verantwortlicher Beauftragter ODER ALS BEVOLLMÄCHTIGTER zu verantworten hat, ist nicht Sachverhaltselement der ihm angelasteten Tat, sondern ein die Frage der Verantwortlichkeit der von Anfang an als Beschuldigter angesprochenen Person betreffendes Merkmal (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1992, Zl. 90/19/0527, mit weiterem Judikaturhinweis).

Das Arbeitsinspektorat Graz hat seine Anzeige vom 18. Mai 1992 in Ansehung der gegenständlichen Straftaten gegen die nach außen berufenen Organe, verantwortlichen Beauftragten, aber auch gegen die Bevollmächtigten des Arbeitgebers gerichtet. Dem Beschwerdeführer wurde, wie sich aufgrund des Aktenvermerkes der Erstbehörde vom 25. Mai 1992 ergibt, der Inhalt dieser Anzeige vorgehalten, er nahm diesen zur Kenntnis und erklärte, daß er innerhalb von drei Wochen dazu schriftlich eine Äußerung abgeben werde. Sodann wurde der Beschwerdeführer am 22. Juni 1992 vor der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg nach Vorhalt der Anzeige vom 18. Mai 1992 als Beschuldigter vernommen, er äußerte hiebei erneut, daß er den Inhalt der Anzeige zur Kenntnis nehme und innerhalb der "kommenden 14 Tage" hiezu eine schriftliche Stellungnahme abgeben werde, welche er schließlich mit Schriftsatz vom 24. Juli 1992 erstattete. Daß dem Beschwerdeführer hiebei klar war, daß der Tatvorwurf an ihn als Beschuldigten gerichtet war, geht schon daraus hervor, daß er in seinem Schriftsatz vom 24. Juli 1992 unter anderem erklärte "...der in der Anzeige des

AI Graz vom 18. Mai 1992 ... mir zur Last gelegte Tatbestand

trifft rein formal zu".

Die Auffassung des Beschwerdeführers, die Behörde habe seine Eigenschaft als Bevollmächtigter des Arbeitgebers anläßlich der Verfolgungshandlung nicht hinreichend konkretisiert, vermag der Beschwerde daher nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil die Behörde - wie aus dem zuvor geschilderten Sachverhalt ersichtlich ist - den Beschwerdeführer innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist als Beschuldigten angesprochen hat und eine nähere Präzisierung seiner Verantwortlichkeit im Sinne der vorgenannten Judikatur nicht Sachverhaltselement der angelasteten Tat ist.

Dennoch ist die Beschwerde begründet: Die belangte Behörde ging in der wesentlichen Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, daß der Beschwerdeführer Bezirksrettungskommandant (Bezirkssekretär) des Österreichischen Roten Kreuzes sei, und damit Bevollmächtigter des Arbeitgebers. In der Arbeitsausschußsitzung vom 30. Juli 1989 habe das Österreichische Rote Kreuz eine "Dienstordnung" beschlossen, worin unter II Punkt 3 (unter anderem) ausgeführt werde, daß der Bezirksrettungskommandant, soweit die Satzungen eines Landesverbandes nichts anderes vorsehen, vom Präsidenten des Landesverbandes über Vorschlag der Bezirksstelle ernannt und abberufen werde und in der Regel mit dem Bezirkssekretär identisch sei. Er leite unter Mitarbeit des im Abschnitt A Abs. 3/3. genannten Personenkreises (Bezirksstelle) den Dienstbetrieb des Roten Kreuzes im Bereich der Bezirksstelle, wobei ihm folgende Aufgaben obliegen würden:

"Überwachung des laufenden Betriebes sowie Dienstaufsicht über die Mitarbeiter der Dienststelle, Diensteinteilung, Überprüfung der Tätigkeiten der Mitarbeiter, Überwachung der Ausrüstung der Sanitätseinsatzwagen sowie der Dienststelle. Überwachung der Funktionstüchtigkeit, Pflege und Wartung der Geräte, sowie Überwachung der Verkehrs- und Betriebssicherheit, Pflege und Wartung der Sanitätseinsatzwagen. Aus- und Weiterbildung des Personals, eigene Fortbildung...". Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Aufgabenbereich des Bezirksrettungskommandanten (Bezirkssekretärs) in einer satzungsgemäßen Ordnung geregelt sei, und diesem die Diensteinteilung sowie die Dienstaufsicht übertragen worden sei, könne - nach Auffassung der belangten Behörde - von einer Bevollmächtigung im Sinne des Arbeitszeitgesetzes gesprochen werden. Der Beschwerdeführer habe konkludent durch Übernahme dieser Position vom Arbeitgeber die Wahrung der Diensthoheit in einer Bezirksstelle übernommen. Des weiteren komme ihm nicht nur die Anordnungs- und Weisungsbefugnis zu, vielmehr liege es in seinem Aufgabenbereich, die ihm beigestellten Mitarbeiter der Bezirksstelle zum Dienst einzuteilen. Im Zuge dieser Einteilung habe er auf die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes Bedacht zu nehmen.

Der Beschwerdeführer wendet demgegenüber insbesondere ein, daß er erst am 29. November 1993 (und somit erst nach den im vorliegenden Fall angelasteten Taten) eine Erklärung gemäß § 9 Abs. 4 VStG gefertigt habe und somit erst ab diesem Zeitpunkt als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher anzusehen sei. Die Dienstordnung des Österreichischen Roten Kreuzes sei erst zu einem Zeitpunkt beschlossen worden, als der Beschwerdeführer die Funktion eines Bezirkssekretärs und Bezirksrettungskommandanten bereits über Jahre ausgeübt habe. Seine konkludente Zustimmung zu den darin enthaltenen Regelungen über die Dienstaufsicht und Diensteinteilung habe der Beschwerdeführer nicht gegeben und diese Agenden auch nicht wahrgenommen, weil sie "seit jeher" nicht vom Bezirkssekretär und Bezirksrettungskommandanten wahrgenommen worden seien. Es sei zu keinem (konkludenten) Abschluß eines Bevollmächtigungsvertrages zwischen dem Arbeitgeber "Österreichisches Rotes Kreuz, Landesverband Steiermark" und dem Beschuldigten gekommen. Im übrigen sei von Anordnungs- und Entscheidungsbefugnissen zur Durchsetzung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen in der Dienstordnung keine Rede. Zum Beweise dafür, daß die Diensteinteilung und Dienstaufsicht in der Bezirksstelle Deutschlandsberg nicht durch den Bezirkssekretär erfolge, habe sich der Beschwerdeführer auch auf Zeugen berufen, deren Einvernahme, wie auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die belangte Behörde unterlassen habe.

Die Arbeitgebereigenschaft des Landesverbandes Steiermark des Österreichischen Roten Kreuzes wie auch die Eigenschaft des Beschwerdeführers als Bezirksrettungskommandanten sind unbestritten. Die satzungsgemäße Zuständigkeit des Beschwerdeführers als Arbeitnehmer des genannten Arbeitgebers für einen bestimmten Aufgabenbereich allein begründet jedoch noch nicht seine Stellung als Bevollmächtigter im Sinne des § 28 Abs. 1 AZG. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1989, Zlen. 89/08/0081 - 0094, mit weiterem Judikaturhinweis), müssen bei der Bestellung eines Bevollmächtigten im Sinne des § 28 Abs. 1 AZG (bzw. § 31 Abs. 2 ASchG) die strengen Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 VStG (etwa die nachweisliche Zustimmung des Beauftragten) nicht eingehalten werden und besteht demnach keine Identität zwischen dem verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG und dem Bevollmächtigten nach § 28 Abs. 1 AZG, durch den demgemäß im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG insofern anderes bestimmt wird. Aus Sinn und Zweck der Regelungen, nach denen ein Bevollmächtigter für die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist, ergibt sich aber, daß damit eine Person gemeint ist, die MIT IHREM EINVERSTÄNDNIS vom Arbeitgeber mit der Überwachung der Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen betraut und von diesem mit den entsprechenden Anordnungs- und Entscheidungsbefugnissen zu ihrer Durchsetzung ausgestattet wurde. Die Zuständigkeit eines Arbeitnehmers für einen bestimmten Aufgabenbereich begründet noch nicht seine Stellung als Bevollmächtigter im Sinne des § 28 Abs. 1 AZG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. März 1993, Zl. 91/19/0158).

Da somit entgegen der Rechtsauffassung der belangten Behörde nicht von der Bestellung des Beschwerdeführers als "Bevollmächtigter" im Sinne des § 28 Abs. 1 AZG ausgegangen werden kann, und die belangte Behörde insofern die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 im Rahmen des gestellten Begehrens.

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