Normen
AlVG 1977 §27 Abs4;
AlVG 1977 §27 Abs4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin bezog nach der Geburt ihres Sohnes Marco am 13. Dezember 1992 aufgrund ihres Antrages vom 9. Februar 1993 vom 8. Februar 1993 bis 31. August 1994 erhöhtes Karenzurlaubsgeld im Sinne des § 27 Abs. 2 AlVG.
Mit Bescheid des Arbeitsamtes Leoben vom 29. November 1994 wurde die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung unberechtigt empfangenen Karenzurlaubsgeldes in der Höhe von S 49.875,-- mit der Begründung verpflichtet, sie habe dem Arbeitsamt nicht bekanntgegeben, daß der Kindesvater bei ihr wohnhaft sei. Mit einem weiteren Bescheid vom gleichen Tag wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 32a Abs. 2 AlVG zur Zahlung eines Zuschlages in der Höhe von S 8.505,-- verpflichtet. Nach der Begründung dieses Bescheides wurde der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer sozialen Verhältnisse ein Zuschlag von 40 % für den Übergenuß aus 1994 vorgeschrieben.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie bestritt, den Bezug unberechtigt empfangenen Karenzurlaubsgeldes durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt zu haben, und behauptete, alleinstehend im Sinne des Gesetzes zu sein. Der Vater ihres Kindes sei weder zum Antragszeitpunkt noch später bei ihr wohnhaft gewesen. Sie wohne in der F in N, während der Kindesvater bei seinen Eltern an der Adresse M wohne. Eine Kontrolle durch das Arbeitsamt vom 16. November 1994 habe ergeben, daß ihre Wohnung nur 30 m2 groß sei und aus zwei Räumen und einem Badezimmer bestehe. Es hätten sich keinerlei Hinweise ergeben, daß der Kindesvater bei der Beschwerdeführerin wohnhaft sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen die beiden erstinstanzlichen Bescheide keine Folge gegeben. Nach Hinweis auf die anzuwendenden Gesetzesbestimmungen stellte die belangte Behörde folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:
Die Beschwerdeführerin habe aus Anlaß der Geburt ihres Kindes beim Antrag auf Karenzurlaubsgeld angegeben, daß der Vater ihres Kindes an der Adresse M wohnhaft sei. In der Folge sei der Beschwerdeführerin vom 8. Februar 1993 bis 31. August 1994 erhöhtes Karenzurlaubsgeld gewährt worden. Tatsächlich gestalte sich die Beziehung zum Vater des Kindes, der von der Mutter der Beschwerdeführerin mit "Du bzw. seinem Spitznamen P" angeredet werde, so, daß dieser mit dem Fahrrad fahre, um der Beschwerdeführerin sein Auto zur Verfügung stellen zu können, Alimente persönlich übergebe, ohne daß dafür ein Unterhaltsvergleich oder ähnliches vorliege, sowie ferner Eheschließungsabsicht bestehe und daher gemeinsam um eine entsprechende Wohnung bei der Gemeinde angesucht worden sei, die im September bzw. Oktober "laufenden Jahres" (gemeint: 1995) voraussichtlich übergeben bzw. bezogen werde. Von einer gemeinsamen Haushalts- bzw. Lebensführung sei daher auszugehen. Aufgrund des Arbeitsverdienstes des Kindesvaters gebühre kein erhöhtes Karenzurlaubsgeld. In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß "das familienhafte (einschließlich Kind) bzw. paarhafte Auftreten" der Beschwerdeführerin mit dem Kindesvater im Alltag rechtlich als Lebensgemeinschaft zu beurteilen sei. Daher sei die Beschwerdeführerin nicht als alleinstehende Mutter anzusehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die im gegenständlichen Verfahren strittige Frage, ob der Beschwerdeführerin das Karenzurlaubsgeld im Sinne des § 27 Abs. 1 AlVG oder das erhöhte Karenzurlaubsgeld als alleinstehende Mutter im Sinne des § 27 Abs. 2 AlVG zusteht, hängt davon ab, ob die Beschwerdeführerin als "alleinstehend" im Sinne des § 27 Abs. 4 AlVG anzusehen ist.
Gemäß § 27 Abs. 4 AlVG gilt als nicht alleinstehend eine Mutter, die ledig, geschieden oder verwitwet ist und mit dem Vater des Kindes nach den Vorschriften des Meldegesetzes 1972, BGBl. Nr. 30/1973, an der gleichen Adresse angemeldet ist oder anzumelden wäre oder vom Vater des unehelichen Kindes für sich Unterhalt in einem Ausmaß erhält, das den Freibetrag nach § 6 Abs. 3 erster Satz der Notstandshilfeverordnung zuzüglich des Unterschiedsbetrages zwischen § 27 Abs. 1 und 2 AlVG übersteigt.
Dieser Bestimmung liegt - wie der Verwaltungsgerichtshof unter anderem in seinem Erkenntnis vom 16. Oktober 1990, Zl. 89/08/0286 - ausgesprochen hat, die Vermutung zugrunde, daß die dem Meldegesetz 1972 entsprechende Meldung der Mutter an derselben Adresse wie der Kindesvater nach der Lebenserfahrung einen gewissen Grad einer Hausgemeinschaft indiziert, wobei die Wirtschaftskraft eines solchen Haushaltes über jener einer gänzlich alleinstehenden Mutter steht (so auch das Erkenntnis vom 15. Oktober 1984, Zl. 84/08/0202, zur gleichlautenden Bestimmung des § 39 Abs. 2 AlVG im Zusammenhang mit der Sondernotstandshilfe).
Da der Kindesvater nicht an der Adresse der Beschwerdeführerin gemeldet war, hängt die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides davon ab, ob er nach den "Vorschriften des Meldegesetzes 1972" anzumelden gewesen wäre.
Es kann auf sich beruhen, ob sich seit Inkrafttreten des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992 (gemäß dessen § 23 Abs. 2 das Meldegesetz 1972 gleichzeitig mit dem Inkrafttreten des Meldegesetzes 1991 am 1. März 1992 außer Kraft getreten ist), die Verweisung in § 27 Abs. 4 AlVG nunmehr auf die Bestimmungen des Meldegesetzes 1991 bezieht, weil die wesentliche Voraussetzung für eine "Meldung nach den Bestimmungen des Meldegesetzes" (von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen) in beiden Fällen gleich ist: Danach ist zu melden, wer in einer Wohnung oder in einem Beherbergungsbetrieb Unterkunft nimmt oder eine solche Unterkunft aufgibt (§ 1 Abs. 1 Meldegesetz 1972, § 2 Abs. 1 Meldegesetz 1991).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist der Ansatz der belangten Behörde verfehlt, den Anspruch der Beschwerdeführerin auf erhöhtes Karenzurlaubsgeld aufgrund des von ihr festgestellten vertrauten Umganges der Beschwerdeführerin bzw. ihrer Mutter mit dem Kindesvater und einer zwischen der Beschwerdeführerin und dem Kindesvater (daher) bestehenden "Lebensgemeinschaft" zu verneinen, weil es auf diese Umstände nach der klaren Gesetzeslage nicht ankommt. Feststellungen in der Richtung, daß der Kindesvater bei der Beschwerdeführerin auch Unterkunft genommen habe - was die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung auch unter Hinweis auf die geringe Größe ihrer Wohnung entschieden bestreitet - hat die belangte Behörde nicht getroffen.
Die belangte Behörde hat auch - im Sinne des zweiten Tatbestandes des § 27 Abs. 4 AlVG - nicht festgestellt, daß der Kindesvater der Beschwerdeführerin Unterhalt in einem Ausmaß bezahlt, welches den Freibetrag nach § 6 Abs. 3 erster Satz NHV zuzüglich des Unterschiedsbetrages zwischen § 27 Abs. 1 und 2 AlVG übersteigt.
Damit hat die belangte Behörde aber zu Unrecht den Anspruch der Beschwerdeführerin auf erhöhtes Karenzurlaubsgeld für den maßgebenden Zeitraum verneint und auch schon deshalb zu Unrecht einen Zuschlag im Sinne des § 32a Abs. 2 AlVG verhängt (zur Unzulässigkeit der Verhängung eines solchen Zuschlages aufgrund eines vor dem 1. Jänner 1994 gesetzten Verhaltens vgl. im übrigen das Erkenntnis vom 14. November 1995, Zl. 95/08/0172).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Es bedarf daher aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles auch keiner Erörterung des Umstandes, daß der erstinstanzliche Bescheid im Spruch lediglich eine Verpflichtung zur Zahlung des Rückforderungsbetrages, nicht aber auch einen Widerruf für einen bestimmten Bezugszeitraum enthält.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Im Hinblick auf das ausdrückliche, auf den Schriftsatzaufwand in der Höhe von S 12.500,-- beschränkte Begehren konnte ein Ersatz der Stempelgebühren nicht zugesprochen werden.
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