VwGH 95/07/0020

VwGH95/07/002011.7.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde der B Gesellschaft m.b.H. in P, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 19. Dezember 1994, Zl. 512.634/01-I5/94, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (Bauvollendungsfrist), zu Recht erkannt:

Normen

VwRallg;
WRG 1959 §105 Abs1;
WRG 1959 §112 Abs1;
WRG 1959 §112 Abs6;
WRG 1959 §112;
WRG 1959 §21 Abs1;
WRG 1959 §31b Abs5;
WRG 1959 §31b;
VwRallg;
WRG 1959 §105 Abs1;
WRG 1959 §112 Abs1;
WRG 1959 §112 Abs6;
WRG 1959 §112;
WRG 1959 §21 Abs1;
WRG 1959 §31b Abs5;
WRG 1959 §31b;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 26. April 1994 erteilte der Landeshauptmann von Niederösterreich (LH) der Beschwerdeführerin gemäß den §§ 31b, 99, 105 und 111 WRG 1959, unter näher ausgeführten Auflagen, die wasserrechtliche Bewilligung für die

Als Fristen nach § 112 WRG 1959 wurden für den Beginn des gegenständlichen Vorhabens der 1. Jänner 1995, für dessen Vollendung der 1. Jänner 2005 (inkl. Rekultivierung) bestimmt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung und führte aus, daß der Bescheid des LH ausschließlich hinsichtlich der im Spruch festgelegten Fristen für die Vollendung des gegenständlichen Vorhabens mit 1. Jänner 2005 (inkl. Rekultivierung) angefochten werde.

Die Beschwerdeführerin stellte den Antrag, den Bescheid des LH vom 26. April 1994 dahingehend abzuändern, daß als Frist nach § 112 WRG 1959 für die Bauvollendung "die bauliche Fertigstellung und Errichtung des Abschnittes 2 mit 31.12.1996 und die bauliche Fertigstellung der Errichtung des Abschnittes 3 binnen zwei Jahren nach Verfüllung des Abschnittes 2 festgelegt werde". Die Verfüllmenge für den Abschnitt 2 soll 38.000 m3 und für den Abschnitt 3 19.000 m3 betragen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des LH vom 26. April 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, unter "Betrieb" einer Mülldeponie sei im allgemeinen zweifellos das "Betreiben" bis zum Abschluß der Beschickung oder bis zur Erschöpfung der Kapazität der Deponie zu verstehen. Es sei jedoch in Betracht zu ziehen, was Inhalt einer wasserrechtlichen Bewilligung im Hinblick auf eine Deponieerrichtung sei. Im verfahrensgegenständlichen Fall handle es sich um eine Endablagerung für Produktionsschutt und produktionsspezifisches Material. Inhalt der vorliegenden wasserrechtlichen Bewilligung sei letztlich das Recht, Abfälle endzulagern.

Diese Endlagerung setze jedoch voraus, daß der Deponiekörper bescheidmäßig hergestellt werde. Erst mit der Herstellung des Deponiekörpers, einschließlich der Rekultivierungsmaßnahmen, sei das Projekt verwirklicht und für die dauernde Ablagerung fertiggestellt. In diesem Zusammenhang dürfe nicht übersehen werden, daß ein offener Deponiekörper für die Umwelt und das Grundwasser ein höheres Gefahrenpotential darstelle als ein rekultivierter Deponiekörper.

Die Frist für den Baubeginn sei mit 1. Jänner 1995 und die Bauvollendung für das gesamte Vorhaben mit 1. Jänner 2005 bestimmt worden. Es sei daher der Beschwerdeführerin überlassen, wann sie den Bau für die Errichtung der Abschnitte 2 und 3 vollende. Das gesamte Vorhaben müsse lediglich innnerhalb der festgelegten Frist durchgeführt werden. Sollte aber die Frist für die Bauvollendung mit 1. Jänner 2005 nicht ausreichen oder aus sonstigen Gründen nicht tunlich sein, so stehe es der Beschwerdeführerin frei, einen Verlängerungsantrag gemäß § 112 Abs. 2 WRG 1959 vor Ablauf der Bauvollendungsfrist zu stellen.

Seitens der belangten Behörde werde keine Veranlassung gesehen, die festgelegten Baufristen abzuändern.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten insoweit verletzt, als ihr ohne gesetzliche Grundlage eine Frist für die Gesamtverfüllung der gegenständlichen Deponie samt anschließender Rekultivierung gesetzt worden sei.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 31b Abs. 1 erster Satz WRG 1959 bedarf die Ablagerung von Abfällen - ausgenommen solcher, bei deren ungeschützter Lagerung eine Verunreinigung der Gewässer einschließlich des Grundwassers nicht zu besorgen ist - sowie die Errichtung und der Betrieb der hiezu dienenden Anlagen einer wasserrechtlichen Bewilligung durch den Landeshauptmann.

Nach § 31b Abs. 5 erster und zweiter Satz WRG 1959 sind die vorübergehende oder dauernde Einstellung des Deponiebetriebes sowie die Auflassung der Deponie und der zugehörigen Anlagen spätestens vier Wochen vorher der Wasserrechtsbehörde anzuzeigen. Dabei hat der Wasserberechtigte die zur dauernden Vermeidung einer Gewässergefährdung nach dem Stand der Technik erforderlichen Maßnahmen vorzusehen und der Wasserrechtsbehörde bekanntzugeben.

Gemäß § 31b Abs. 6 WRG 1959 hat die Wasserrechtsbehörde zur Überwachung der Einhaltung der Vorschriften und Bescheide einschließlich jener nach Abs. 5 auf Kosten des Wasserberechtigten geeignete Aufsichtsorgane mit Bescheid zu bestellen. § 120 findet sinngemäß Anwendung.

Nach § 112 Abs. 1 erster Satz WRG 1959 sind zugleich mit einer Bewilligung einer Wasseranlage angemessene Fristen für den Baubeginn und Bauvollendung, bei Wasserbenutzungsanlagen unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 27 Abs. 1 lit. f, kalendermäßig zu bestimmen.

Gemäß § 112 Abs. 6 erster und zweiter Satz WRG 1959 hat der Unternehmer der Wasserrechtsbehörde den Baubeginn und die Bauvollendung der ganzen Anlage oder wesentlicher Anlageteile (Abs. 1) anzuzeigen. Erst nach der Anzeige über die Bauvollendung ist er berechtigt, mit dem Betrieb zu beginnen.

§ 112 Abs. 1 WRG 1959 regelt somit die im Bewilligungsbescheid festzusetzenden Fristen für den Baubeginn und die Bauvollendung für Wasseranlagen. Nach § 31b Abs. 1 WRG 1959 bedarf nicht nur die Ablagerung von näher charakterisierten Abfällen, sondern auch die Errichtung und der Betrieb der hiezu dienenden "Anlagen" einer wasserrechtlichen Bewilligung durch den Landeshauptmann. Die im § 31b Abs. 1 leg. cit. genannten Anlagen stellen, weil sie dem Schutz der Gewässer einschließlich des Grundwassers vor Verunreinigung aus der Abfalldeponie dienen sollen, Wasseranlagen i.S.d. § 112 Abs. 1 leg. cit. dar. Mit dem Begriff Baubeginn und Bauvollendung in § 112 Abs. 1 leg. cit. wird auf die unmittelbare Errichtung einer Anlage (hier Deponieanlage) abgestellt. Wie aus § 31b Abs. 1 leg. cit. hervorgeht, ist jedoch zwischen der Errichtung und dem Betrieb der Anlage zu unterscheiden.

§ 112 Abs. 6 WRG 1959 sieht vor, daß der Wasserrechtsbehörde sowohl der Baubeginn als auch die Bauvollendung einer Wasseranlage anzuzeigen ist. Demgemäß darf erst nach der Anzeige über die Bauvollendung mit dem Betrieb der Anlage begonnen werden. Daraus ergibt sich, daß die Bauvollendung dem Betrieb der Anlage voranzugehen hat.

Der Bescheid des LH vom 26. April 1994 versteht unter Betrieb der Deponie die "Einbringung bzw. Ablagerung der Materialien" (vgl. Auflage 11 des Bescheides vom 26. April 1994). Voraussetzung für den Betriebsbeginn ist nach Auflage 9 des Erstbescheides "die Freigabe der Deponie für die Schüttung mit dem Deponiegut" durch das wasserrechtlich bestellte Aufsichtsorgan. Unter Betrieb einer Deponie ist somit die Beschickung derselben mit Deponiegut bis zur Erschöpfung der Kapazität einer solchen Deponie zu verstehen.

Die Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach erst mit der Herstellung des Deponiekörpers - einschließlich der Rekultivierungsmaßnahmen - das Projekt verwirklicht und für die dauernde Ablagerung fertiggestellt - somit vollendet - sei, würde - wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt - dazu führen, daß mit dem Betrieb einer Deponie erst zu einem Zeitpunkt begonnen werden dürfte, zu dem die Deponie verfüllt und rekultiviert worden ist. Dies würde jedoch ergeben, daß mit dem Betrieb der Deponie erst mit der Einstellung des Deponiebetriebes begonnen werden könnte, was einen Widerspruch in sich darstellt.

Die Beendigung der Ablagerungstätigkeit in der Deponie löst die in Auflagen des Bewilligungsbescheides vorgesehenen Rekultivierungsmaßnahmen aus. Gerade diese Beendigung der Ablagerungstätigkeit stellt die "vorübergehende oder dauernde Einstellung des DEPONIEBETRIEBES sowie die Auflassung der Deponie und der zugehörigen Anlagen" i.S.d. § 31b Abs. 5 WRG 1959 dar.

Den Beschwerdeausführungen kommt noch aus einem weiteren Grund Berechtigung zu:

Die Gleichsetzung der "Bauvollendung" im Sinne des § 112 WRG 1959 mit der Rekultivierung der Deponie nach Betriebseinstellung würde letztlich zu einer Befristung der wasserrechtlichen Bewilligung ohne gesetzliche Grundlage führen.

Da Abfalldeponien nach § 31b WRG 1959 Wasseranlagen und keine WASSERBENUTZUNGSANLAGEN sind, können die auf Bewilligungen zur Benutzung eines Gewässers abstellenden Befristungen des § 21 Abs. 1 WRG 1959 weder dem Wortlaut nach noch durch eine analoge Anwendung auf diese Bestimmung gestützt werden. Da jedoch auch Anhaltspunkte dafür fehlen, daß das WRG 1959 unter Auflagen auch Befristungen versteht, kann eine Befristung nicht unter den Begriff der Auflage im § 105 Abs. 1 WRG 1959 subsumiert werden, wogegen auch der Umstand spricht, daß in § 21 WRG 1959 eigene Bestimmungen über Befristungen enthalten sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1994, 93/07/0153).

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand, da die Beschwerde lediglich in zweifacher Ausfertigung (S 240,--) und der angefochtene Bescheid in einfacher Ausfertigung (S 60,--) vorzulegen war (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 682, dargestellte

hg. Judikatur).

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