Normen
BauO NÖ 1976;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z1;
ROG NÖ 1976 §16 Abs2;
VwRallg;
BauO NÖ 1976;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z1;
ROG NÖ 1976 §16 Abs2;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei als Baubehörde erster Instanz vom 11. Juli 1994 wurde der Beschwerdeführerin über deren Ansuchen vom 17. November 1993 bzw. 24. Mai 1994 und auf Grund des Ergebnisses der Bauverhandlung vom 13. Juni 1994 gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 und 2 Nö. Bauordnung 1976, LGBl. 8200-9, die Bewilligung zur Errichtung eines Betriebsobjektes mit Aufzugsanlage auf dem Bauplatz in L, Grundstück Nr. 2215/3, KG L, erteilt. Nach der einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bildenden Baubeschreibung handelt es sich bei dem bewilligten Gebäude um ein Betriebsgebäude für zwei verschiedene Betriebe mit diversen Neben- und Büroräumen. Im Erdgeschoß werden zwei Lagerhallen, die durch eine innere Brandwand unterteilt sind, ausgebildet. Straßenseitig sind je eine Lagerhalle und ein Ausstellungsraum vorgesehen. Zwischen diesen beiden Ausstellungsräumen wird ein brandbeständiges Stiegenhaus, das vom Erdgeschoß bis ins dritte Obergeschoß führt, eingebaut. Im ersten Obergeschoß befinden sich, je durch das Stiegenhaus getrennt, zwei Großraumbüros mit ca. 132 m2 Größe samt angeschlossenen Sanitärräumen, einer Teeküche und einem Vorraum. Im zweiten Obergeschoß sind zum Teil oberhalb der Lagerhalle und über den Büroräumen weitere Büroeinheiten mit integrierter Teeküche, Sanitär- und Naßzelle vorgesehen. Insgesamt sollen in diesem Geschoß sechs Büroeinheiten geschaffen werden. Im dritten Obergeschoß sind auf Grund des genehmigten Einreichplanes ebenfalls Büroräumlichkeiten mit Nebenräumen vorgesehen.
Das Grundstück Nr. 2215/3, KG L, ist im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan als Bauland-Betriebsgebiet ausgewiesen; es liegt in einer größeren Gewerbezone, dem sogenannten "XY-Park".
Mit Ansuchen vom 24. November 1994 beantragte die Beschwerdeführerin in Abänderung des Baubewilligungsbescheides des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 11. Juli 1994 "die Baubewilligung von Dienstnehmerwohnungen im dritten Obergeschoß". Nach dem hiezu vorgelegten Einreichplan sind im dritten Obergeschoß zehn Wohneinheiten in der Größe von rund 33 m2 bis rund 57 m2 vorgesehen, welche aus einem Zimmer, Bad, WC und Vorraum bestehen; für zwei Wohneinheiten ist ein zweites Zimmer vorgesehen.
In der Projektsbeschreibung wird unter anderem ausgeführt:
"...
Im dritten Obergeschoß werden zehn Dienstnehmerwohnungen geschaffen werden, wobei acht Wohnungen aus je einem Zimmer, Kochnische, Waschraum, Bad und WC bestehen, zwei Wohnungen weisen ein zusätzliches Zimmer auf. Die Dienstnehmerwohnungen sollen zur Vermeidung des täglichen Pendlerverkehrs lediglich an Werktagen bewohnt werden und sind diese ausschließlich zu diesem Zweck nicht als ständiger Wohnsitz vorgesehen.
Die Räumlichkeiten im ersten, zweiten und dritten Obergeschoß werden über ein gemeinsames Stiegenhaus erschlossen, welches in die Eingangshalle mit direktem Ausgang ins Freie führt. Weiters ist ein Personenaufzug im Stiegenhaus vorgesehen.
..."
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 3. Februar 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin um baubehördliche Bewilligung zur Änderung der baubehördlichen Bewilligung vom 11. Juli 1994 für die Errichtung von Dienstnehmerwohnungen im dritten Obergeschoß auf dem Bauplatz 2215/3, KG L, ohne Durchführung einer Bauverhandlung gemäß § 98 Nö. Bauordnung 1976 abgewiesen, da gemäß § 16 Abs. 2 NÖ ROG 1976 in Betriebs- und Industriegebieten Wohngebäude nur insoweit zugelassen werden dürfen, als sie mit Rücksicht auf die Nutzung vorhanden sein müssen. Demnach könnten Wohngebäude oder Wohngebäudeteile (Wohnungen bzw. ein Wohngeschoß als Bestandteil der Gebäudesubstanz wie im gegenständlichen Fall) nur für die Unternehmensleitung oder für eine allfälle erforderliche Dienstaufsicht, wie Pförtner- oder Bereitschaftsdienst, nicht aber für sonstige Beschäftigte errichtet werden.
Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 9. Juni 1995 "als unzulässig zurückgewiesen". Aus den Einreichunterlagen gehe nicht hervor, daß die geplanten Wohneinheiten mit Rücksicht auf die Nutzung für die Betriebsgebäude erforderlich seien. Die Notwendigkeit der Wohnmöglichkeit für Dienstnehmer sei durch ein Betriebskonzept nachzuweisen. Die Errichtung von Dienstnehmerwohnungen widerspreche den Bestimmungen des NÖ ROG 1976.
Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 6. Juli 1995 wurde die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 16 Abs. 2 des NÖ ROG 1976 könnten Dienstnehmerwohnungen als Bestandteil des Gebäudes lediglich für die Unternehmensleitung oder für eine allfällige erforderliche Dienstaufsicht, wie Pförtner oder Bereitschaftsdienst, nicht aber für sonstige Beschäftigte errichtet werden. Die Beschwerdeführerin habe nur behauptet, daß diese Wohnungen für ihre Beschäftigten zur Vermeidung des Pendlerverkehrs erforderlich seien. Dafür sehe das NÖ ROG 1976 jedoch das Wohnbauland vor. Die Errichtung einer Betriebswohnung sei im Bauland-Betriebsgebiet nur möglich, wenn dies wegen der typischen Art des Betriebes erforderlich sei. Dies sei im gegenständlichen Fall nicht gegeben.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Erteilung der beantragten Baubewilligung verletzt. § 16 Abs. 2 des NÖ ROG 1976 sei schon deshalb nicht anzuwenden, da es sich beim vorliegenden Projekt um kein Wohngebäude handle. Vielmehr soll ein Betriebsgebäude errichtet werden, in dessen drittem und letzten Stockwerk sich Unterkünfte für die tagsüber beschäftigten Werktätigen befänden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 16 Abs. 1 des NÖ ROG 1976, LGBl. 8000-0, in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. 8000-9 (NÖ ROG 1976), ist das Bauland entsprechend den örtlichen Gegebenheiten in folgende Nutzungsarten zu gliedern:
- 1. Wohngebiete, die für Wohngebäude und die dem täglichen Bedarf der dort wohnenden Bevölkerung dienenden Gebäude sowie für Betriebe bestimmt sind, welche keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können;
...
- 3. Betriebsgebiete, die für Baulichkeiten solcher Betriebe bestimmt sind, die keine übermäßige Lärm- und Geruchsbelästigung und schädliche störenden oder gefährlichen Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können und sich in ihrer Erscheinungsform in das Ortsbild eines Wohn- oder Kerngebietes einfügen;
...
Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen sind in Kern- und Agrargebieten auch Wohngebäude zuzulassen. In Betriebs-, Industrie- und Sondergebieten sowie in Gebieten für Einkaufszentren sind Wohngebäude nur insoweit zuzulassen, als sie mit Rücksicht auf die Nutzung vorhanden sein müssen.
§ 16 Abs. 2 Satz 2 NÖ ROG 1976 sieht demnach in Betriebsgebieten eine Zulässigkeitsbeschränkung für Wohngebäude insoweit vor, als ein zwingender Zusammenhang ("vorhanden sein müssen") mit der Nutzung des jeweiligen Betriebes gefordert wird (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 15. September 1992, Zl. 89/05/0158). Weder die Nö. Bauordnung 1976 noch das NÖ ROG 1976 enthalten eine Definition für den im § 16 NÖ ROG 1976 mehrfach verwendeten Begriff "Wohngebäude". Aus der eigentümlichen Bedeutung des Wortes Wohngebäude ist darunter ein Gebäude zu verstehen, das ausschließlich oder zumindest vorwiegend für Wohnzwecke bestimmt ist.
Auf Grund der vorliegenden Unterlagen besteht kein Zweifel daran, daß die mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 11. Juli 1994 bewilligte bauliche Anlage ein Gebäude im Sinne des § 2 Z. 5 der Nö. Bauordnung 1976 ist, welches - auf Grund der bereits bestehenden Bewilligung - als multifunktionales Gebäude mit Lager-, Ausstellungs- und Büroräumen im Erdgeschoß sowie im ersten und zweiten Obergeschoß (auch weiterhin) verwendet werden soll. Mit der von der Beschwerdeführerin beantragten beschwerdegegenständlichen Änderung des Verwendungszweckes des Gebäudes im dritten Obergeschoß, beinhaltend die Errichtung von zehn "Dienstnehmerwohnungen", wird aber das als bauliche Einheit anzusehende Bauwerk noch nicht zum "Wohngebäude" im oben umschriebenen Sinn, da es nur in einem von vier Geschoßen Wohnzwecken dienen soll und daher offensichtlich nicht vorwiegend für Wohnzwecke bestimmt ist. Auch wenn die bauwerbende Beschwerdeführerin von Anfang an die Wohnungen vorgesehen gehabt hätte, so hätte auch dies unter denselben Sachverhaltsvoraussetzungen am Charakter eines "Betriebsgebäudes" nichts geändert. Mit ihrer Rechtsansicht, "Dienstnehmerwohnungen" der hier zu beurteilenden Art unterlägen den einschränkenden Zulässigkeitsvorschriften des § 16 Abs. 2 zweiter Satz NÖ ROG 1976 auch dann, wenn sie - unabhängig vom Ausmaß der Nutzung für Wohnzwecke - Bestandteil eines Gebäudes sind, entfernen sich die Baubehörden und die belangte Behörde von dem sich aus dem Wortlaut dieser Norm ergebenden objektiven Sinngehalt, da diese Bestimmung ausdrücklich nur die Zulassung von "Wohngebäuden" in Betriebs-, Industrie- und Sondergebieten sowie in Gebieten für Einkaufszentren einschränkt, nicht jedoch auch eine sonstige Wohnnutzung, wie dies nunmehr im § 16 Abs. 2 NÖ ROG 1976 in der Fassung der Novelle LGBl. 8000-10 angeordnet ist.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Im Hinblick auf die bestehende Rechtslage bedarf es somit keiner Erörterung des übrigen Beschwerdevorbringens.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
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