VwGH 94/16/0292

VwGH94/16/029222.5.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDr. Jahn, über die Beschwerde des Ewald H in E, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 14. Oktober 1994, Zl. MD-VfR - H 5/94, betreffend Haftung für Dienstgeberabgabe und Lohnsummensteuer, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde in einer am 27. November 1989 abgehaltenen Generalversammlung zum "einzelzeichnungsberechtigten" Geschäftsführer der O. GmbH berufen. An der O. GmbH waren nach einer gleichzeitig erfolgten Abtretung eines Geschäftsanteiles Werner O. mit einer Stammeinlage von S 245.000,--, Werner K. mit einer solchen von S 225.000,-- Dr. Georg K. mit einer solchen von S 5.000,-- sowie der Beschwerdeführer mit einer Stammeinlage von S 25.000,-- beteiligt.

Am 24. Jänner 1992 wurde über das Vermögen der O. GmbH das Konkursverfahren eröffnet.

Nach einem entsprechenden Vorhalt gab der Beschwerdeführer in einer Eingabe an den Magistrat der Stadt Wien vom 10. November 1992 bekannt, er sei tatsächlich seit 30. September 1990 nicht mehr Geschäftsführer. Dieser Eingabe waren im wesentlichen gleichlautende Schreiben je vom 21. April 1992 an das Handelsgericht Wien sowie an einzelne Gesellschafter der O. GmbH angeschlossen. Darin wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei noch immer im Firmenbuch als Geschäftsführer der O. GmbH eingetragen, obwohl das gleichzeitig eingegangene Dienstverhältnis seit Ende September 1990 aufgelöst sei. Der Beschwerdeführer habe Ende September 1990 sämtliche Büroschlüssel übergeben und keinen Zutritt zu den Räumen der O. GmbH gehabt. Die dem Beschwerdeführer zugesagte Enthebung als Geschäftsführer sei bisher nicht erfolgt. Er gebe daher die Erklärung ab, unbeschadet des Umstandes, daß er im Tatsächlichen seit 30. September 1990 nicht mehr Geschäftsführer sei, seine Geschäftsführungsbefugnis zurückzulegen.

Nach einem weiteren Vorhalt wurde eine Ablichtung der Lohnsteuerkarte des Beschwerdeführers vorgelegt, aus der hervorgehe, daß der Beschwerdeführer am 30. September 1990 "abgemeldet" worden sei.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 11. Mai 1993 wurde der Beschwerdeführer zur Haftung für Lohnsummensteuer sowie Dienstgeberabgabe für 1989 sowie die Monate Juni bis September 1991 herangezogen. In der Begründung wurde unter anderem darauf hingewiesen, nach einer Einsichtnahme in den Firmenbuch-Akt sei für die Zeit vom 30. September 1990 bis 21. April 1992 kein neuer Geschäftsführer bestellt worden.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde insbesondere ausgeführt, im Haftungszeitraum hätten folgende finanziellen Verpflichtungen nicht bzw. nicht zur Gänze erfüllt werden können: "Krankenkasse, Lieferantenverbindlichkeiten, Anwaltskosten, Kosten des Steuerberaters, Bankverbindlichkeiten, Löhne, Miete, Energiekosten".

Im Zuge des Berufungsverfahrens schaffte die Abgabenbehörde die Firmenbuch-Akten sowie Akten der Gewerbebehörde bei. Darin erlag ein vom Beschwerdeführer unterfertigtes, auf dem Papier der O. GmbH unter Beisetzung eines Stampiglien-Abdrucks der O. GmbH hergestelltes Schreiben an das Amt der Wiener Landesregierung vom 12. Dezember 1991, worin der Beschwerdeführer ausführte, er lege mit sofortiger Wirkung die "gewerberechtliche Geschäftsführung" für die O. GmbH zurück.

Nach einem auf das letztgenannte Schreiben Bezug nehmendem Vorhalt wurden mit einer Eingabe des Beschwerdeführers vom 23. Dezember 1993 Ablichtungen von Vernehmungsprotokollen vor Finanzstrafbehörden vorgelegt. Danach habe Marion L. am 21. August 1991 als Zeugin angegeben, bei der O. GmbH hätten lediglich Herr und Frau O. "etwas zu sagen" gehabt. Der Beschwerdeführer sei für sie nicht weisungsberechtigt gewesen. Ernst B. gab ebenfalls am 21. August 1991 vor dem Finanzamt für den ersten Bezirk an, für ihn sei immer Werner O. "der Chef" gewesen.

In einer Eingabe vom 3. März 1994 wurde der Antrag auf Beischaffung des Konkursaktes der O. GmbH und des Strafaktes betreffend Werner O. sowie auf Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Buchprüfungsfach gestellt.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Haftung auf die Lohnsummensteuer und Dienstgeberabgabe für die Monate Juni bis September 1991 eingeschränkt. Im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides vertrat die belangte Behörde unter anderem die Auffassung, daß die Beendigung des Dienstverhältnisses (am 30. September 1990) nicht zwingend die Beendigung der Organfunktion bedinge. Durch die vom Beschwerdeführer vorgelegten Schriftstücke sei nicht erwiesen, daß der Beschwerdeführer vor dem 21. April 1994 gegenüber allen Gesellschaftern seinen Rücktritt als Geschäftsführer erklärt habe. Aus den Zeugenaussagen der Marion L. und des Ernst B., dem Gesellschafterbeschluß und der Lohnsteuerkarte des Beschwerdeführers ergebe sich, daß der Beschwerdeführer zwar gegen seine Geschäftsführerbestellung (bei gleichzeitiger Übernahme eines Geschäftsanteils) nichts einzuwenden hatte, aber auch daß er eine "Strohmann"-Funktion in Kauf genommen habe. Der Beschwerdeführer sei offensichtlich nicht befugt gewesen, die von ihm übernommene Geschäftsführung auszuüben. Dagegen habe er rechtzeitig nichts unternommen. Er habe auch schon vor dem 30. September 1990 keinen Einfluß auf die laufenden Zahlungen des Unternehmens gehabt. Von einer Ungleichbehandlung der Gläubiger zu Lasten des Abgabengläubigers könne deswegen ausgegangen werden, weil nach der Darstellung des Beschwerdeführers Forderungen anderer Gläubiger zumindest teilweise aus Gesellschaftsmitteln befriedigt wurden, die Abgabenschuldigkeiten aber überhaupt nicht beglichen wurden.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 WAO in der auf den Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 40/1992, haften die in den §§ 54 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 54 Abs. 1 WAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Zu den im § 54 Abs. 1 WAO genannten Personen gehören auch die Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten haben (siehe z.B. das Erkenntnis vom 25. Juni 1990, Zl. 89/15/0159).

Der Geschäftsführer einer GmbH, der infolge tatsächlicher Beschränkungen seine Rechtspflichten gegenüber Dritten nicht mehr wahrnehmen kann, hat entweder sofort alles ihm rechtlich zu Gebote Stehende zu unternehmen, um diesen Zustand abzustellen, oder die Geschäftsführungsbefugnis zurückzulegen; andernfalls verletzt der weiterhin als Geschäftsführer Tätige auch seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Entrichtung der die GmbH treffenden Abgaben. Ein für die Haftung der in Rede stehenden Art relevantes Verschulden liegt auch dann vor, wenn sich ein Geschäftsführer schon bei der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw. eine solche Beschränkung in Kauf nimmt, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung, insbesondere auch den Abgabenbehörden gegenüber, unmöglich macht (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 13. März 1992, 92/17/0057, und vom 24. Mai 1993, 91/15/0063, jeweils mit weitern Hinweisen).

Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde nach dem Ergebnis des von ihr durchgeführten, umfangreichen Ermittlungsverfahrens zur Feststellung gelangt, daß der Beschwerdeführer über den Zeitpunkt der Auflösung des zur O. GmbH eingegangenen Dienstverhältnisses zum 30. September 1990 hinaus weiterhin Geschäftsführer der GmbH geblieben ist. Auch der Beschwerdeführer selbst ist vom Fortbestand seiner Geschäftsführerfunktion über diesen Zeitpunkt hinaus ausgegangen. Erstmals mit einer an die Gewerbebehörde gerichteten Eingabe vom 12. Dezember 1991 - also nach Fälligkeit der in Rede stehenden Abgaben - hat der Beschwerdeführer auf die von ihm behauptete Beschränkung seiner Funktion reagiert. (Den Behauptungen des Beschwerdeführers über die Beschränkung seiner Funktion widersprechenden Umstand der Verwendung von Briefpapier und Stampiglie der O. GmbH hat die belangte Beörde in ihre Sachverhaltswürdigung nicht einbezogen.) Erst am 21. April 1992 schließlich hat der Beschwerdeführer die Geschäftsführerfunktion tatsächlich zurückgelegt. Darüber hinaus hat die belangte Behörde aus den vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten Beweismitteln (Vernehmungsprotokolle der Finanzstrafbehörde) zutreffend den Schluß gezogen, daß der Beschwerdeführer schon seit der Übernahme der Geschäftsführerfunktion bloßer "Strohmann" des Gesellschafters O. gewesen ist und damit tatsächlich die Geschäftsführerfunktion nicht ausgeübt hat. Damit hat die belangte Behörde aber zu Recht ein Verschulden des Beschwerdeführers im hier maßgeblichen Sinne angenommen.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde den Vorwurf macht, sie sei seinen Beweisanträgen (Beischaffung des Konkursaktes der O. GmbH und des Strafaktes des Werner O., Einholung eines Sachverständigengutachtens, Vernehmung der Zeugen Ernst B. und Marion L.) nicht nachgekommen, ist ihm entgegenzuhalten, daß er schon im Verwaltungsverfahren kein Beweisthema angeführt hat. Auch vor dem Verwaltungsgerichtshof wird vom Beschwerdeführer nicht dargelegt, welche Umstände durch eine solche Beweisaufnahme nachgewiesen worden wären; insbesondere enthält die Verfahrensrüge keine Darlegung darüber, zu welchem anderen Bescheid die belangte Behörde bei Durchführung einer solchen Beweisaufnahme hätte gelangen können. Einem allfälligen Verfahrensfehler mangelt es in diesem Zusammenhang daher an Relevanz.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wobei es sich erübrigte, auf die unsubstantiierten und mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht im Einklang stehenden Ausführungen des Beschwerdeführers näher einzugehen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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