VwGH 94/05/0015

VwGH94/05/001519.11.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des M in K, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 29. November 1993, Zl. 8 BauR1-415/2/1993, betreffend Zwangsstrafe in einer Bausache, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10 Abs2;
BauO Krnt 1992 §31 Abs5;
VVG §10 Abs2;
ZustG §7;
ZustG §9 Abs1;
AVG §10 Abs2;
BauO Krnt 1992 §31 Abs5;
VVG §10 Abs2;
ZustG §7;
ZustG §9 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

In der Wohnhausanlage in Klagenfurt, A-Straße 9-15, befindet sich im Erdgeschoß ein Geschäftslokal, welches im Wohnungseigentum der E. Sch. steht. Die Widmung "Geschäftslokal" entspricht dem Konsens, der sich aus der mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt (im folgenden: Baubehörde) erteilten Änderungsbewilligung vom 22. Juni 1971 ergibt.

Der Beschwerdeführer ist Bestandnehmer des Geschäftslokales; über sein Ansuchen erließ die Gewerbebehörde am 21. Juli 1992 den Feststellungsbescheid, wonach seine Betriebsanlage am gegenständlichen Standort zur Ausübung eines Gastgewerbebetriebes in der Betriebsart "Buffet" (Sperrstunde 22 Uhr) die im § 359b GewO 1973 genannten Bedingungen aufweise, sodaß der Feststellungsbescheid als Genehmigungsbescheid für die Anlage gelte.

Aufgrund von Interventionen der anderen Wohnungseigentümer und zufolge behördlicher Feststellungen, daß entgegen dem Konsens das Geschäftslokal als Gaststätte verwendet werde, trug die Baubehörde dem Beschwerdeführer zunächst mit Mandatsbescheid vom 4. August 1992 die Einstellung dieser konsenswidrigen Verwendung auf. Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung - er war damals durch Dr. M. vertreten -, wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 3. Dezember 1992 unter Hinweis auf § 57 Abs. 2 AVG zurück (diesem Bescheid ist nicht zu entnehmen, wieso die belangte Behörde von ihrer Zuständigkeit ausging).

Mit Bescheid vom 7. September 1992 verhängte der Bürgermeister der Landeshauptstadt Klagenfurt (im übertragenen Wirkungsbereich; im folgenden: Vollstreckungsbehörde) gemäß § 5 VVG wegen Nichterfüllung des Mandatsbescheides vom 4. August 1992 eine Zwangsstrafe in Höhe von S 3.000,--. In seiner dagegen erhobenen Berufung teilte der Beschwerdeführer mit, daß er nunmehr Dr. B (das ist auch sein Vertreter im verwaltungsgerichtlichen Verfahren) "unbeschränkte" Vollmacht erteilt habe. Diese Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 3. Dezember 1992 als unbegründet ab.

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens gemäß § 57 Abs. 3 AVG stellte die Baubehörde am 2. und am 15. September 1992 fest, daß das Geschäftslokal weiterhin als Buffet benützt werde. Bei einem Ortsaugenschein am 22. Oktober 1992 wurde festgestellt, daß im Lokal eine Entlüftungsanlage konsenslos eingebaut wurde. Die Abluft werde an der Nordseite in der Höhe der Unterkante der Decke ausgeblasen und nicht über Dach geführt. Da sich Wohnungsfenster über dem Lokal und in der Nähe desselben befänden, könnten Menschen in ihrer Sicherheit und Gesundheit gefährdet werden.

Mit Schreiben vom 29. Oktober 1992 hielt die Baubehörde dem Beschwerdeführer das Ergebnis dieses Ortsaugenscheines vor und gab ihm die Möglichkeit, binnen drei Tagen nach Erhalt dieses Schreibens dazu Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben vom 4. November 1992 teilte der Beschwerdeführer der Baubehörde mit, daß er Dr. B.

unbeschränkte Vollmacht erteilt habe und daß er beantrage, ihm bzw. seinem Rechtsvertreter Akteneinsicht zu gewähren und eine angemessene Frist von zwei Wochen zur Stellungnahme zum Schreiben vom 29. Oktober 1992 einzuräumen.

Aufgrund eines Vorhaltes der Baubehörde vom 21. Dezember 1992, gerichtet an den Beschwerdeführer persönlich, wonach eine Entlüftungsanlage konsenslos eingebaut worden sei, übermittelte der Beschwerdeführer, vertreten durch Dr. B., abermals seinen Antrag, ihm bzw. seinem Rechtsvertreter Akteneinsicht zu gewähren und verwies neuerlich auf die Dr. B. erteilte unbeschränkte Vollmacht.

Ob in der Folge Akteneinsicht gewährt oder verweigert wurde, läßt sich dem Akt nicht entnehmen.

Mit Bescheid der Baubehörde vom 1. März 1993, gerichtet an den Beschwerdeführer persönlich, wurde ihm gemäß § 31 Abs. 2 der Kärntner Bauordnung in Verbindung mit § 64 Abs. 2 AVG aufgetragen, die abweichende Verwendung des Geschäftslokales sofort einzustellen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer persönlich sowie seinem früheren Rechtsvertreter Dr. M. zugestellt.

In seiner dagegen erhobenen Berufung wies der Beschwerdeführer neuerlich darauf hin, daß er von Dr. B. vertreten sei und daß die Bevollmächtigung durch Dr. M. beendet sei. Inwieweit diese Berufung erledigt wurde, läßt sich aus den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten nicht entnehmen.

In Aktenvermerken vom 31. März 1993 und vom 26. April 1993 wurde festgestellt, daß das Gastlokal weiterhin konsenslos in Benützung sei.

Mit Schreiben vom 5. April 1993 drohte die Vollstreckungsbehörde an, die Einhaltung der mit Bescheid vom 1. März 1993 genannten Verpflichtung durch eine Zwangsstrafe in Höhe von S 10.000,-- zu erzwingen. Diese Androhung wurde dem Beschwerdeführer z.H. Dr. M. zugestellt. Dr. M. teilte daraufhin mit Schreiben vom 13. April 1993 mit, daß er den Beschwerdeführer nicht mehr rechtsfreundlich vertrete.

Gegenstand des hier angefochtenen Berufungsbescheides war der Bescheid der Vollstreckungsbehörde vom 17. Juni 1993, mit welchem über den Beschwerdeführer eine Zwangsstrafe in der Höhe von S 10.000,-- verhängt und eine weitere Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- angedroht wurde. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer persönlich zugestellt. Der Beschwerdeführer erhob dagegen, vertreten durch Dr. B., Berufung. In der Berufung wird der angefochtene Bescheid mit Datum und Geschäftszahl bezeichnet, allerdings nicht darauf eingegangen, ob der Bescheid dem Vertreter des Beschwerdeführer zugekommen ist. Die Nichtzustellung an den Beschwerdeführervertreter wird zwar nicht ausdrücklich gerügt, aber Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend gemacht. Auch wurde in der Berufung vorgebracht, daß der Titelbescheid nicht ausreichend konkretisiert sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde gemäß § 10 Abs. 2 VVG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG der Berufung keine Folge. Für den Beschwerdeführer hätte kein Zweifel daran bestehen können, daß er aufgrund des Bescheides vom 1. März 1993 dafür Sorge zu tragen habe, daß die mit der baubehördlich genehmigten Verwendung als "Geschäft" nicht übereinstimmende Verwendung des Geschäftslokales zu unterlassen sei. Ein formelles Recht auf Parteiengehör bestehe im Verwaltungsvollstreckungverfahren nicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf ersatzlose Behebung des Bescheides vom 17. Juni 1993 und in seinem Recht auf Gehör im Sinne des Art. 6 MRK verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zum Argument des Beschwerdeführers, die Vollstreckungsbehörde hätte die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers durch Dr. B. ignoriert, räumt auch die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift ein, nach § 9 Abs. 1 des Zustellungsgesetzes sei im Falle der Existenz eines Zustellbevollmächtigten eine rechtswirksame Zustellung nur an diesen selbst und nicht an die Partei zulässig. Aufgrund der Einbringung der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid durch den Rechtsanwalt des Beschwerdeführers sei aber davon auszugehen, daß ihm der genannte Bescheid zugekommen und damit eine Heilung des Zustellmangels eingetreten sei.

§ 9 Abs. 1 ZustG lautet:

"Zustellungsbevollmächtigter

§ 9. (1) Ist eine im Inland wohnende Person gegenüber der

Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt, so hat die Behörde, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Eine Partei, die in einer Verwaltungsrechtssache einem Rechtsanwalt eine allgemeine Vertretungsvollmacht erteilt, ermächtigt diesen auch zur Empfangnahme der in dieser Sache ergehenden Bescheide und sonstigen behördlichen Erledigungen (Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, Seite 153, E 42 zu § 10 AVG). Im vorliegenden Fall war die Bevollmächtigung Dris. B. sowohl im Bauauftragsverfahren als auch im Vollstreckungsverfahren bereits mehrfach ausgewiesen. Trotzdem wurde der Bescheid der Vollstreckungsbehörde vom 17. Juni 1993 an den Beschwerdeführer persönlich gerichtet und diesem persönlich zugestellt.

Ein Zustellungsfehler gilt im Bereich des ZustG als geheilt, wenn und sobald der dem Vertretenen zu Unrecht übermittelte Bescheid dem Zustellungsbevollmächtigten TATSÄCHLICH zukommt. Weder die bloße Kenntnisnahme des Bescheides noch die private Anfertigung einer Fotokopie davon bewirkten, daß das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten im Sinne des § 9 Abs. 1 ZustG tatsächlich zugekommen ist. Auch die gegen den erstinstanzlichen Bescheid durch den Parteienvertreter erhobene Berufung erweist noch nicht, daß der Bescheid dem Rechtsanwalt tatsächlich zugekommen ist. Eine Heilung des Zustellmangels läge nur dann vor, wenn im Verwaltungsverfahren Anhaltspunkte dafür hervorgekommen sind, daß der Bescheid "auch tatsächlich zugekommen ist" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1992, Zl. 92/05/0067 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall hätte daher die belangte Behörde vorweg die Frage prüfen müssen, ob der an den Beschwerdeführer persönlich andressierte erstinstanzliche Bescheid dem Vertreter des Beschwerdeführer tatsächlich zugekommen ist. Diesbezüglich hat sie jedoch keine Ermittlungen durchgeführt, sodaß der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf.

Für das fortgesetzte Verfahren sei jedoch darauf hingewiesen, daß Rechtswidrigkeiten, die im Titelverfahren unterlaufen sind, im Vollstreckungsverfahren nicht mehr bekämpft werden können. Das gilt aber nicht für einen Mangel, der zugleich eine ordnungsgemäße Zustellung des Titelbescheides hinderte (siehe das hg. Erkenntis vom 18. Mai 1995, Zl. 94/06/0191). Auch der Titelbescheid wurde im vorliegenden Verfahren trotz ausgewiesener Vollmacht an den Beschwerdeführer persönlich zugestellt. Sollte auch diesbezüglich keine Sanierung eingetreten sein, so ist davon auszugehen, daß dieser Bescheid mangels Zustellung nicht erlassen wurde. Liegt jedoch kein Titelbescheid vor, dann ist die Vollstreckung unzulässig (Hauer-Leukauf a.a.O., 1186, Anmerkung 3a zu § 10 Abs. 2 Z. 1 VVG).

In der Sache selbst soll nicht unerwähnt bleiben, daß gemäß § 31 Abs. 5 der Kärntner Bauordnung 1992, LBGl. Nr. 64, der Grundeigentümer, falls der Inhaber der Baubewilligung eine von diesem verschiedene Person ist, die aufgetragene Maßnahme zu dulden hat. Daß ein Bestandnehmer, der weder Inhaber der Baubewilligung noch Grundeigentümer ist, Adressat einer Einstellungsverfügung sein könne, läßt sich dem § 31 Kärntner BauO keinesfalls entnehmen. Das von der belangten Behörde in ihrer Berufungsentscheidung vom 3. Dezember 1992 herangezogene hg. Erkenntnis vom 23. April 1926, Slg. Nr. 14.277, erging zur Wiener Bauordnung in der damals geltenden Fassung.

Jedenfalls belastete die belangte Behörde dadurch, daß sie ohne Erhebungen von einer Sanierung des Zustellvorganges hinsichtich des bei ihr angefochtenen Bescheides ausging, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. In Anbetracht der durch Gesetz und Judikatur eindeutig geklärten Rechtslage konnte die Entscheidung durch einen gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Aufwand für nicht erforderliche Stempelgebühren.

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