VwGH 93/07/0030

VwGH93/07/003025.4.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1. des Ernst S und 2. des Ulrich S, beide in M, beide vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Obersten Agrarsenates beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 2. Dezember 1992, Zl. 710.919/04-OAS/92, betreffend Servitutenverfahren nach dem Tiroler WWSG (mitbeteiligte Parteien: 1. Karl K in F, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, 2. Hildegard S in M), zu Recht erkannt:

Normen

WWSGG §13;
WWSGG §34 Abs1;
WWSGG §35 Abs1;
WWSGG §4 Abs3;
WWSGG §7;
WWSLG Tir 1952 §3 Abs1;
WWSLG Tir 1952 §39;
WWSLG Tir 1952 §48;
WWSLG Tir 1952 §8 Abs5;
WWSGG §13;
WWSGG §34 Abs1;
WWSGG §35 Abs1;
WWSGG §4 Abs3;
WWSGG §7;
WWSLG Tir 1952 §3 Abs1;
WWSLG Tir 1952 §39;
WWSLG Tir 1952 §48;
WWSLG Tir 1952 §8 Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben zu gleichen Teilen dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der erstmitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Die F-Alpe in EZ 121, GB. M., steht im Miteigentum je zur ideellen Hälfte der erst- und zweitmitbeteiligten Partei. Dieser Alpe stehen verschiedene Nutzungsrechte im Sinne des Tiroler Wald- und Weideservitutengesetzes (WWSG), LGBl. Nr. 21/1952, auf Grundlage und nach Maßgabe der Servitutenregulierungsurkunde vom 19. November 1887 und des Bescheides des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) vom 1. August 1988 zu. Diese Nutzungsrechte sind in EZ 121, GB. M., im A 2-Blatt des Grundbuches unter den laufenden Nrn. 1 bis 3 ersichtlich gemacht. Diese Nutzungsrechte umfassen Holz- und Streubezugsrechte, das Recht des Heubezuges und der Weide (20 Rindergräser und 30 Ziegengräser). Mit diesen Nutzungsrechten sind die Liegenschaften in EZ 134,

GB. M. (ÖBF), sowie EZ 916, GB. M. (Beschwerdeführer), weiters EZ 716 (Gp. 1466/3, Eigentümer J.H.), EZ 717 (Gp. 1466/2 und 1466/6, Eigentümer M-Bergbahnen AG) und EZ 291

(Gp. 1587/2), je KG. M., belastet.

Mit Eingabe vom 9. Oktober 1989 stellten die Beschwerdeführer als Eigentümer der Liegenschaft EZ 916 II, KG. M., bestehend aus dem Grundstück Nr. 1466/5 im Ausmaß von 633 m2, an die AB den Antrag auf Feststellung, daß das Grundstück Nr. 1466/5 von der Ausübung der zugunsten der Liegenschaft F-Alpe eingetragenen Dienstbarkeiten des Bezuges von Brenn-, Nutzholz und Streu nicht betroffen sei, und auf Ablösung der auf diesem Grundstück lastenden Dienstbarkeiten der Weide für Rinder und der "Weide für Schafe", des Bezugs der Grasnutzung sowie allenfalls der Dienstbarkeit des Bezugs von Brenn-, Nutzholz und Streu. Die Beschwerdeführer begründeten ihren Antrag im wesentlichen damit, daß das Grundstück Nr. 1466/5 durch Teilung des Grundstückes Nr. 1466/1 (ursprüngliches Ausmaß 612.262 m2) entstanden sei. Im Zuge der Teilung seien die am Grundstück Nr. 1466/1 haftenden Lasten auf das Grundstück Nr. 1466/5 (bzw. die Liegenschaft EZ 916 II KG. M.) mitübertragen worden. Während der Rechtsvorgänger der zweitmitbeteiligten Partei als seinerzeitiger Hälfteeigentümer der F-Alpe der lastenfreien Abschreibung der Gp. Nr. 1466/5 zugestimmt habe, habe die erstmitbeteiligte Partei als weitere Hälfteeigentümerin ihre Einwilligung verweigert.

Mit Eingabe vom 24. November 1989 beantragten die ÖBF als Eigentümer der Liegenschaft EZ 134 II die Einleitung eines Neuregulierungsverfahrens.

Mit Bescheid vom 30. November 1989 wurde von der AB gemäß § 39 in Verbindung mit § 8 Abs. 5 WWSG festgestellt, daß ein gültiger Antrag vorliege und die Einleitung des Servitutenverfahrens "betreffend die mit der Liegenschaft EZ 121 GB. M. verbundenen, unter A 2-LNr. 1, 2 und 3 ersichtlich gemachten Nutzungsrechte auf Grundstücken in EZ 134 und 916 GB. M." verfügt. Dieser Bescheid wurde gegenüber den Eigentümern der herrschenden Liegenschaft (erst- und zweitmitbeteiligte Partei), den Beschwerdeführern sowie den ÖBF erlassen. Die erstmitbeteiligte Partei erhob gegen diesen Bescheid Berufung. Mit Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung (LAS) vom 8. März 1990 wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen und - ungeachtet eines im Spruch aufgetretenen Schreibfehlers betreffend das Datum des erstinstanzlichen Bescheides - auch rechtskräftig.

In der Folge wandten sich noch zwei weitere Parteien, an die von den ÖBF gleichfalls Teilflächen abverkauft wurden, mit dem Wunsch auf Ablösung der Nutzungsrechte bzw. Neuregulierung derselben an die AB.

Mit Bescheid vom 30. September 1990 wurde von der AB unter Spruchpunkt 1 festgestellt, daß das Grundstück Nr. 1587/2 in EZ 291, GB. M. mit den verfahrensgegenständlichen Dienstbarkeiten nicht belastet ist und diese daher im Grundbuch zu löschen sind; die Belastung betreffe vielmehr das Grundstück Nr. 1587/1.

Unter Spruchpunkt 2 wurden die in

a) EZ 716, GB. M. (H.J.) unter C-LNr. 4-7 auf Grundstück Nr. 1466/3,

b) EZ 717, GB. M. (M-Bergbahnen AG) unter C-LNr. 4-7 und 10-13 auf Grundstück Nr. 1466/2 und 1466/6,

c) EZ 916, GB. M. (Beschwerdeführer) unter C-LNr. 1-4 auf Grundstück Nr. 1466/5

einverleibten Dienstbarkeiten des Bezuges von Brenn- und Nutzholz sowie Streu, der Weide mit 20 Rindergräsern und 30 Ziegen und der Grasnutzung für die F-Alpe in EZ 121 aufgehoben.

Unter Spruchpunkt 3 wurden die jeweiligen Eigentümer der Grundstücke Nrn. 1466/2, 1466/3, 1466/5 und 1466/6 gegenüber den Eigentümern der F-Alpe verpflichtet, an der Grenze der genannten Grundstücke zu dem mit dem Weiderecht zugunsten der F-Alpe belasteten Grundstück Nr. 1466/1 auf eigene Kosten einen zur Abhaltung des Weideviehs geeigneten Zaun zu errichten und zu erhalten. Die Eigentümer der F-Alpe wurden hingegen zur Abhaltung des Weideviehs von den weidefrei gestellten Grundstücken ausdrücklich nicht verpflichtet. Unter Spruchpunkt 4 wurden den Eigentümern der F-Alpe Schwendungen auf den Restweideflächen des Servitutsgebietes gestattet.

Gegen diesen Bescheid erhob die erstmitbeteiligte Partei Berufung. Mit Bescheid vom 9. April 1992 wurde vom LAS der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit behoben.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde, in der sie unter anderem ausführten, der LAS sei nicht berechtigt, den Bescheid der AB auch hinsichtlich getroffener Verfügungen über die auf Gp. Nr. 1466/5 in EZ 916, GB. M., lastenden Rechte, über die ein Servitutenregulierungsverfahren rechtskräftig eingeleitet worden sei, aufzuheben.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 2. Dezember 1992 wies die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 1 AgrVG die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet ab. In der Begründung führte die belangte Behörde unter anderem aus, daß eine genaue Bezeichnung der Grundstücke im Spruch des Einleitungsbescheides insofern bestimmte Rechtswirkungen nach sich ziehe, als dann nur die genannten Grundstücke in rechtswirksamer Weise Gegenstand des folgenden Verfahrens sein können. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Einleitungsbescheides sei der Behörde nicht bekannt gewesen, daß von der belasteten Liegenschaft der ÖBF bestimmte Grundstücke mitsamt den Dienstbarkeiten abgeschrieben und neue Einlagezahlen eröffnet worden seien. Diese Unkenntnis habe dazu geführt, daß hinsichtlich der unter EZ 716, 717 und 291 registrierten belasteten Liegenschaften kein Einleitungsbescheid ergangen sei. Das Verfahren zur Ablösung der auf diesen Liegenschaften lastenden Dienstbarkeiten sei daher nicht rechtmäßig eingeleitet worden. Unter Hinweis auf die Bestimmung des § 8 Abs. 5 zweiter Halbsatz WWSG, wonach die Servitutlast nicht drückender werden dürfe, sei es, um zu einer sachgerechten und auch entsprechend sachverständig untermauerten Neuregelung und Ablösung zu gelangen, notwendig, daß das entsprechende Verfahren "hinsichtlich aller mit der betreffenden Dienstbarkeit belasteten Liegenschaften eingeleitet" werde. Diese Notwendigkeit der Einleitung des Regulierungsverfahrens bezüglich aller belasteten Grundstücke ergebe sich auch schon dann, wenn nur einer von mehreren belasteten einen entsprechenden Ablöse- oder Neuregulierungsantrag stelle. Auch aus § 48 Abs. 1 WWSG, wonach die Eigentümer der berechtigten und verpflichteten Liegenschaften Verfahrensparteien seien, ergebe sich die Notwendigkeit zur umfassenden Einbeziehung der belasteten Liegenschaften.

Im gegenständlichen Fall sei jedoch das Verfahren - aus welchen Gründen immer - nicht hinsichtlich aller mit den Dienstbarkeiten belasteten Liegenschaften eingeleitet worden. Die ordnungsgemäße Einleitung im Sinne des § 39 WWSG sei aber Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des darauf folgenden Servitutenverfahrens.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machen. Im wesentlichen wenden die Beschwerdeführer ein, aus der Rechtskraft des Einleitungsbeschlusses folge für sie das Recht, daß die Frage der Rechtmäßigkeit der Einleitung des Verfahrens nicht neuerlich aufgerollt werde. § 8 Abs. 5 WWSG könne nicht so ausgelegt werden, daß alle belasteten Grundstücke in das Verfahren einbezogen werden müssen, insbesondere weil die Rechtsstellung von Eigentümern dienender Grundstücke, die nicht ins Servitutenregulierungsverfahren einbezogen werden, nicht verändert - also auch nicht verschlechtert - werde. Die ÖBF seien bereit gewesen, die Servitutslast für die Beschwerdeführer zu übernehmen; Rechtspositionen Dritter seien nicht berührt worden. § 48 Abs. 1 WWSG könne nicht im Sinne der Ausführungen der belangten Behörde ausgelegt werden, weil - abgesehen von näher ausgeführten verschiedenen Möglichkeiten des Umfangs der Parteien des Verfahrens - bei einer Vielzahl von Rechtsbeziehungen der Kreis der Parteien "völlig uferlos" werden könnte.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die erstmitbeteiligte Partei hat gleichfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 8 Abs. 5 des Tiroler Wald- und Weideservitutengesetzes (WWSG), LGBl. Nr. 21/1952, kann eine Regulierung oder Ablösung nur für einen Teil der Berechtigten oder Verpflichteten auf Antrag dieser Berechtigten oder Verpflichteten stattfinden, doch darf der Ertrag der Nutzungsrechte der übrigen Berechtigten dadurch nicht geschmälert oder die Servitutslast dadurch nicht drückender werden.

Nach § 3 Abs. 1 WWSG bleiben bei Teilung verpflichteter Grundstücke die Nutzungsrechte auf allen Teilstücken bestehen, außer die Ausübung der Dienstbarkeit beträfe ein abgetretenes Teilstück nicht (§§ 485 und 847 ABGB).

Nach § 48 Abs. 1 leg. cit. sind die Eigentümer der berechtigten und der verpflichteten Liegenschaften Parteien.

Gemäß § 39 WWSG werden Verfahren zur Regulierung oder Ablösung mit einem Bescheid eingeleitet, der feststellt, ob ein gültiger Antrag oder die Voraussetzungen für ein Verfahren von Amts wegen vorliegen, und die Einleitung des Verfahrens verfügt.

Der Einleitungsbescheid der Agrarbehörde erster Instanz vom 30. November 1989 enthält - wie die belangte Behörde zutreffend feststellt - hinsichtlich der verpflichteten Liegenschaften die eindeutige Einschränkung auf EZ 134 (Eigentum der ÖBF) und EZ 916 (Eigentum der Beschwerdeführer). Entgegen der Auffassung der erstmitbeteiligten Partei bezog sich auch die Berufungsentscheidung des Landesagrarsenates vom 8. März 1990 unzweifelhaft auf diesen Bescheid vom 30. November 1989, wie unschwer aus der Begründung des Bescheides des LAS ersehen werden kann, und ist daher der offensichtliche Schreibfehler betreffend die Wiedergabe des Datums dieses Bescheides im Spruch des Berufungsbescheides vom 8. März 1990 ("7.11.1989") unbeachtlich. Es liegt daher eine rechtskräftige Einleitung des Ablöse- und Neuregulierungsverfahrens in dem dargestellten eingeschränkten Umfang vor.

Unbestritten ist, daß die von der verpflichteten Liegenschaft der ÖBF abgetrennte Liegenschaft der Beschwerdeführer mit den zugunsten der F-Alpe bestehenden Nutzungsrechten in vollem Umfang grundbücherlich belastet wurde. Voraussetzung für eine positive Abwicklung eines Regulierungs- oder Ablösungsverfahrens ist nach § 8 Abs. 5 letzter Teilsatz WWSG, daß "die Servitutslast dadurch nicht drückender" wird. Selbst wenn die ÖBF bereit und in der Lage sind, die volle Servitutslast auf ihre Liegenschaft zu übernehmen, läßt der rechtskräftige Einleitungsbescheid in der dargestellten Form eine solche Lösung nicht zu, weil auch Liegenschaften Dritter aufgrund grundbücherlicher Eintragung mit den dargestellten Nutzungsrechten belastet sind und diese Liegenschaften die durch Ausscheiden der Liegenschaft der Beschwerdeführer entstehende Mehrbelastung zusätzlich solidarisch tragen müßten. Ein Schutz der Liegenschaften dieser dritten Personen vor einer Mehrbelastung ist jedoch rechtlich erst möglich, sobald die Einleitung des Regulierungs- und Ablösungsverfahrens auch auf diese belasteten Grundstücke (mit ergänzendem Bescheid) erstreckt wird.

Da § 8 Abs. 5 WWSG keine Einschränkung in bezug auf die dem Verfahren beizuziehenden Parteien vorsieht, sind im Sinne des § 48 Abs. 1 leg. cit. - unbeschadet der Rechtskraft eines Einleitungsbescheides - sowie im Hinblick auf die mögliche Berührung von Rechten der Berechtigten und Verpflichteten sämtliche Eigentümer der berechtigten und verpflichteten Liegenschaften bei einem solchen Verfahren als Parteien beizuziehen.

Die Beschwerde erwies sich somit als unbegründet und war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Das Mehrbegehren der erstmitbeteiligten Partei war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist.

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