VwGH 92/17/0291

VwGH92/17/029123.2.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Gruber, Dr. Höfinger und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftsführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der XY-GesmbH in L, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 22. Oktober 1992, Zl. BauR - 010864/1 - 1992 Pe/Vi, betreffend Beitrag zu den Kosten der Herstellung der Fahrbahn öffentlicher Verkehrsflächen (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO OÖ 1976 §20 Abs9 litc idF 1988/033;
VwRallg;
BauO OÖ 1976 §20 Abs9 litc idF 1988/033;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der Landeshauptstadt Linz Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz erteilte mit Bescheid vom 23. Dezember 1991 der Beschwerdeführerin für die Grundstücke "325/7 gemeinsam mit .682" der KG U nach § 4 O.ö. BauO die Bauplatzbewilligung.

In weiterer Folge schrieb der Magistrat der Landeshauptstadt Linz gemäß § 20 O.ö. BauO einen Beitrag zu den Kosten der Herstellung der öffentlichen Verkehrsfläche "R-Straße" in der Höhe von S 56.140,-- vor. Hinsichtlich des Einwandes der Beschwerdeführerin, daß durch die beabsichtigte Sanierung des Hauses die Wohn- bzw. Nutzfläche des bestehenden Objektes durch diverse Zubauten nur um 26,64 m2 vergrößert werde, weshalb der Beitrag auf Grund des § 20 Abs. 9 O.ö. BauO zu entfallen habe, heißt es in der Begründung, daß der der Errichtung des zweistöckigen Wohnhauses zugrundeliegende Bauplan im Dachraum keine bestimmte Nutzung aufgewiesen habe. Vielmehr sei in diesem dargestellt, daß der durch die Dachform gebildete Raum lediglich durch Holzkonstruktionen abgeteilt worden sei. Durch den nunmehrigen, den gesamten Dachboden umfassenden Einbau einer selbständigen Wohneinheit entstehe ein weiteres Geschoß. Es werde durch diesen Umbau die bisherige Wohn- bzw. Nutzfläche um ca. 138 m2 vergrößert.

Der gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung gab der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz keine Folge. Zum Vorwurf des Fehlens der materiellen Voraussetzungen für die Beitragsvorschreibung im Hinblick auf § 20 Abs. 9 lit. c O.ö. BauO wurde in der Begründung die Auffassung vertreten, daß das nicht ausgebaute Dachgeschoß nicht zur bereits bisher bestehenden Nutzfläche des Hauses gerechnet werden könne. Da ein nicht ausgebautes Dachgeschoß weder zur Wohn- noch zur Nutzfläche eines Hauses zu zählen sei, werde durch den geplanten Dachgeschoßausbau die Wohnfläche des Hauses um ca. 120 m2 vergrößert und sei daher der Ausnahmetatbestand des § 20 Abs. 9 lit. c O.ö. BauO nicht verwirklicht.

Der gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorstellung wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben. Dies im wesentlichen mit der Begründung, bei der Auslegung des § 20 Abs. 9 lit. c O.ö. BauO müsse davon ausgegangen werden, daß diese Gesetzesstelle sowohl Wohn- als auch sonstige Gebäude zum Gegenstand habe (arg.: "Gebäudes"). Damit werde auch der vom Gesetzgeber in dieser Bestimmung verwendete Terminus "Wohn- bzw. Nutzfläche" klar: Eine teleologische Auslegung könne daher nur zu dem Ergebnis führen, daß bei rein zu Wohnzwecken genützten Gebäuden bei einer geringfügigen Änderung der Wohnfläche die Befreiung von der Beitragspflicht - zur Vermeidung von Härtefällen - zur Anwendung kommen solle. Hingegen stelle bei nicht für Wohnzwecke bestimmten Gebäuden (z.B. Büro- oder Lagerräume) das Ausmaß der bei einem Umbau "gewonnen" Nutzfläche das korrespondierende Tatbestandsmerkmal dar. Der Berufungsinstanz könne daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - beim Umbau eines Wohngebäudes die Fläche eines nicht ausgebauten und damit zu Wohnzwecken jedenfalls nicht verwendeten Dachgeschoßes nicht als "bisher zur Verfügung stehende Wohnfläche" qualifiziert habe. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage habe die Berufungsbehörde ihren Bescheid auch durch das Unterlassen von näheren Erhebungen über die bisherige Nutzung des gegenständlichen Dachbodens nicht mit einer Rechtswidrigkeit behaftet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht "auf Entfall des Beitrages zu den Kosten der Herstellung der Fahrbahn öffentlicher Verkehrsflächen gemäß § 20 Abs. 9 lit. c O.ö. BauO (des gesetzlich gewährleisteten Rechtes, nicht entgegen den Bestimmungen der O.ö. BauO einen Beitrag zur Herstellung der Fahrbahn öffentlicher Verkehrsflächen leisten zu müssen)" verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Partei hat in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist allein strittig, ob die Tatbestandsvoraussetzungen der Ausnahmebestimmung des § 20 Abs. 9 lit. c O.ö. BauO vorliegen.

Der hier noch (vgl. nunmehr O.ö. BauO 1994) anzuwendende § 20 Abs. 9 O.ö. BauO, LGBl. Nr. 35/1976 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 33/1988, hatte folgenden Wortlaut:

"(9) Der Beitrag zu den Kosten der Herstellung der Fahrbahn öffentlicher Verkehrsflächen entfällt:

  1. a) wenn auf dem Bauplatz der Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden, die nicht für Wohnzwecke bestimmt sind und baurechtlich nur untergeordnete Bedeutung haben (wie kleine Kapellen, Garten- und Gerätehütten, Boots- und Badehütten, Umspann-, Umform- und Schaltanlagen, mit Schutzdächern versehene Abstellplätze und Garagen im Sinne des § 30 Abs. 6 lit. a) geplant ist,
  2. b) wenn auf dem Bauplatz ein Zubau an ein bestehendes Gebäude bis zu einer Gesamthöhe von höchstens 5 m und einer verbauten Fläche von höchstens 50 m2 geplant ist, oder
  3. c) wenn auf dem Bauplatz ein Umbau eines bestehenden Gebäudes geplant ist, durch den die bisher zur Verfügung stehende Wohn- bzw. Nutzfläche höchstens um 50 m2 vergrößert wird."

Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei die Ausnahmebestimmung des § 20 Abs. 9 lit. c O.ö. BauO auf Grund einer (von der belangten Behörde gewonnenen) dem Wortlaut widersprechenden, aber auch die Systematik und den Zweck dieser Bestimmung verkennenden Interpretation zu Unrecht nicht angewendet worden. Der Wortlaut des § 20 Abs. 9 lit. c O.ö. BauO differenziere nicht zwischen "reinen Wohngebäuden" und "sonstigen" bestehenden Gebäuden (z.B. Büro- oder Geschäftsgebäuden). Er stelle vielmehr darauf ab, daß ein Beitrag zu den Kosten der Herstellung der Fahrbahn öffentlicher Verkehrsflächen nicht zu entrichten ist, wenn die bisher zur Verfügung stehende (Wohn- UND Nutz-)Fläche um nicht mehr als 50 m2 vergrößert werde. Die von der belangten Behörde getroffene "teleologische" Interpretation des § 20 Abs. 9 lit. c O.ö. BauO würde insbesondere in den - relativ häufigen - Fällen eines Umbaues von Gebäuden, der sowohl Nutz- als auch Wohnflächen erfaßte, zu Ergebnissen führen, die der Absicht des Gesetzgebers widersprächen. Nach Wortlaut, systematischer Stellung und Zweck des § 20 Abs. 9 lit. c O.ö. BauO sei vielmehr die Grundfläche eines nicht ausgebauten, somit nicht zu Wohnzwecken, wohl aber als Trocken- und Lagerraum benützten Dachgeschosses unter den Begriff "bisher zur Verfügung stehende Nutzfläche" zu subsumieren und der bereits bisher zur Verfügung stehenden Wohnfläche hinzuzurechnen.

Es ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die O.ö. BauO eine (Legal-)Definition weder des Begriffes "Wohnfläche" noch des Begriffes "Nutzfläche" kennt.

Wollte man nun der Auffassung der Beschwerdeführerin folgen, wonach im Ergebnis durch das Wort "Nutzfläche" die gesamte (irgendwie) nützbare Fläche eines Hauses erfaßt wäre, so würde dies dazu führen, daß dieser Ausnahmeregelung weitestgehend ein Anwendungsbereich genommen wäre. Wie die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei in ihren Gegenschriften zutreffend darauf hinweisen, kann § 20 Abs. 9 lit. c O.ö. BauO nur dann zur Anwendung kommen, wenn (durch Umbaumaßnahmen) keine Vergrößerung eines Gebäudes der Höhe, der Länge oder der Breite nach eintritt, weil solche Sachverhalte in der lit. b des § 20 Abs. 9 O.ö. BauO abschließend geregelt sind (vgl. die Begriffsbestimmungen für Zubauten und Umbauten in § 41 Abs. 2 lit. d und e O.ö. BauO). Bei der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung, daß mit "Nutzflächen" die gesamten (irgendwie) nützbaren Flächen eines Hauses (abgesehen von den "Wohnflächen") erfaßt wären, würde eine Überschreitung des 50 m2-Wertes nur in ganz besonders gelagerten Sonderfällen zum Tragen kommen (etwa Beseitigung von Mauern und/oder Verminderung deren Stärken um mehr als 50 m2). Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, daß dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, die Grenze von 50 m2 sollte - bei einer Durchschnittsbetrachtung - ohne Anwendungsfall bleiben. Dies würde auch insoweit zu sachwidrigen Ergebnissen führen, als bei Umbauten fast ausnahmslos die Befreiungsregel des § 20 Abs. 9 lit. c zum Tragen käme, während Zubauten nur bis zu den in der lit. b des § 20 Abs. 9 O.ö. BauO normierten Grenzen von der Beitragspflicht befreit sind.

Es ist vielmehr davon auszugehen, daß unter "Nutzfläche" im Sinne des § 20 Abs. 9 O.ö. BauO nur eine Fläche für einen SPEZIFISCHEN Verwendungszweck zu verstehen ist, und somit nicht ganz allgemein jeder Verwendungszweck, der einer Fläche zukommen kann, genügt. Dafür spricht auch, daß die Wohnnutzung ("Wohnfläche") einer sonstigen Nutzung ("Nutzfläche"), und zwar im Sinne von spezifischer Nutzung, wie z.B. für ein Geschäft, gegenübergestellt ist. Dem Wort "bzw." kommt hiebei die Bedeutung von "und/oder" zu; letzteres gerade im Hinblick auf den Beschwerdehinweis, daß es einerseits "reine Wohngebäude" sowie "sonstige" bestehende Gebäude (z.B. Büro- oder Geschäftsbauten) gebe, andererseits aber auch "Mischformen" (Gebäude mit sowohl Wohnungen als auch Büros und/oder Geschäften).

Daraus ergibt sich für den Beschwerdefall, daß Dachbodenräume (aber etwa auch Kellerräume), soweit sie ihrer Ausstattung nach nicht für Wohn- oder z.B. Geschäftszwecke geeignet sind, nicht unter die "Wohn- bzw. Nutzfläche" nach § 20 Abs. 9 O.ö. BauO fallen.

Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Verfahrensrüge weiters vor, die Behörden hätten keine Erhebung über die bisherige Nutzung des Dachbodens und des Kellers des Hauses Rosenauerstraße 29 durchgeführt. Der Dachboden und der Keller würden derzeit als Nutzfläche (Trocken- und Lagerraum) verwendet und seien vormals sogar als Wohnflächen in Verwendung gestanden.

Aus dem im Akt erliegenden "Auszug aus dem Hausakt" ist nun, worauf die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift hinweist, ersichtlich, daß - in Übereinstimmung mit den Begründungsdarlegungen im erstinstanzlichen Abgabenbescheid - der Dachboden nicht ausgebaut und weder zu Wohn- noch zu anderen (spezifischen) Zwecken bestimmt war. Dafür, daß der Dachboden nicht als solcher, sondern als Wohnraum baubehördlich bewilligt war, findet sich nach der Aktenlage kein Anhaltspunkt. Von der Beschwerdeführerin wird auch gar nicht behauptet, daß nach dem Konsensplan der in Frage stehende Dachboden als Wohnung genehmigt gewesen sei.

§ 62 Abs. 1 O.ö. BauO bestimmte (u.a.), daß bauliche Anlagen nur entsprechend den für sie geltenden baurechtlichen Vorschriften benützt werden dürfen. Insbesondere dürfen bauliche Anlagen, für die eine Baubewilligung erteilt wurde, nur entsprechend den Bedingungen und Auflagen der Baubewilligung benützt werden. Dies ist eine Folge des Umstandes, daß durch die Baubewilligung dem Bauwerber das subjektive öffentliche Recht erwächst, den Bau nach Maßgabe der Baubeschreibung und der Baupläne herzustellen und zu benützen. Die Tatsache einer anderweitigen Benützung von Räumen kann nicht bewirken, daß die geänderte Benützungsart als die bewilligte Benützungsart angesehen werden muß (vgl. dazu sinngemäß das zur Bauordnung für Wien ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. April 1962, Slg. N.F. Nr. 5777/A). Derart zeigt aber das auf die bloße Tatsache einer anderweitigen Benützung von Räumen, soweit nicht überhaupt die behauptete Nutzung als Trocken- und Lagerraum mit der (unspezifischen) Nutzung als Dachboden ident ist, einen entscheidungswesentlichen Verfahrensmangel nicht auf.

Der belangten Behörde kann daher im Ergebnis nicht entgegengetreten werden, wenn sie die in Frage stehende Fläche als Dachboden nicht dem Tatbestandselement "bisher zur Verfügung stehende Wohn- bzw. Nutzfläche" unterstellte und deshalb wegen Überschreitung der Grenze von "höchstens um 50 m2" das Vorliegen des Befreiungstatbestandes nach § 20 Abs. 9 lit. b c O.ö. BauO verneinte.

Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.

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