Normen
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §21 Abs1;
KFG 1967 §64 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §21 Abs1;
KFG 1967 §64 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 8. Juni 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 und §§ 19, 20 und 21 FrG ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren erlassen. Die belangte Behörde ging davon aus, daß der Beschwerdeführer sich seit 9. Mai 1988 im Bundesgebiet aufhalte. Er sei mit einer seit 1985 in Österreich aufhältigen jugoslawischen Staatsbürgerin verheiratet. Der Ehe entstamme ein am 29. Juni 1989 geborenes Kind und die am 26. Juli 1992 geborenen Zwillinge. Der Beschwerdeführer sei seit seiner Einreise im Bundesgebiet als Hilfsarbeiter im Gastgewerbe "herumzigeunert".
Am 7. Jänner 1989 sei der Beschwerdeführer wegen Übertretung des Paßgesetzes 1969 mit einer Geldstrafe rechtskräftig bestraft worden, weil er am 9. Mai 1988 ohne den erforderlichen Arbeitssichtvermerk nach Österreich eingereist sei und hier eine Beschäftigung aufgenommen habe.
Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 2. Dezember 1992 sei der Beschwerdeführer wegen Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt worden, weil er am 5. September 1992 seiner Ehegattin dadurch die persönliche Freiheit entzogen habe, indem er die Wohnungstüre versperrt und seine Gattin in den Würgegriff genommen habe.
Am 27. Oktober 1993 habe das Landesgendarmeriekommando Tirol den Beschwerdeführer und einen weiteren Staatsbürger aus dem ehemaligen Jugoslawien wegen des Verdachtes des Vergehens der Urkundenfälschung angezeigt. Der Beschwerdeführer sei dringend verdächtig, im März 1992 einen total gefälschten jugoslawischen Führerschein der Teilrepublik Slowenien um S 10.000,-- gekauft zu haben.
Von der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel sei der Beschwerdeführer am 24. Februar 1993 (in einem Fall) und am 22. September 1993 (in zwei Fällen) wegen der Verwaltungsübertretung nach § 64 Abs. 1 KFG rechtskräftig bestraft worden.
Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 7. Jänner 1993 sei der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen Übertretung des Meldegesetzes bestraft worden, weil er am 3. September 1992 seine Unterkunft in O aufgegeben und es unterlassen habe, "sich fristgerecht innerhalb von drei Tagen vor oder nach Aufgabe der Unterkunft polizeilich abzumelden".
Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 10. März 1993 sei der Beschwerdeführer wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes rechtskräftig bestraft worden, weil er sich "seit mindestens 5. August 1992 im Bundesgebiet der Republik Österreich aufgehalten und seit 1. August 1992 im Betrieb Pension F in O, als Hilfsarbeiter gearbeitet hat, ohne im Besitz eines Sichtvermerkes gewesen zu sein".
Die dreimalige Bestrafung nach § 64 Abs. 1 KFG und die rechtskräftigen Bestrafungen wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes sowie des Meldegesetzes erfüllten den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG. Die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme sei gerechtfertigt.
Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers. Dieser Eingriff sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele des Schutzes der Rechte anderer und der öffentlichen Ordnung dringend geboten.
Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes. Der Beschwerdeführer sei bereits seit sechs Jahren im Bundesgebiet aufhältig und dementsprechend integriert; seine Gattin samt ihrer Verwandtschaft sei seit dem Jahre 1985 im Bundesgebiet, die Kinder des Beschwerdeführers seien 1989 bzw. 1992 im Bundesgebiet geboren worden. Auch der Vater und die Geschwister des Beschwerdeführers seien in Österreich und lebten alle zusammen in nächster Umgebung des Verwaltungsbezirkes Kitzbühel. Das Aufenthaltsverbot stelle daher zweifellos einen schweren Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers dar. Dieser Eingriff müsse aufgrund des schwerwiegenden öffentlichen Interesses am Nichtaufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet in Kauf genommen werden.
Die belangte Behörde sei aufgrund der aus dem Sachverhalt ersichtlichen Neigung des Beschwerdeführers zu Straftaten der Ansicht, daß bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes das Verstreichen von zehn Jahren vonnöten sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen; auf die Erstattung einer Gegenschrift wurde verzichtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde meint, der Spruch des angefochtenen Bescheides sei unvollständig und unrichtig, weil der Umstand, ob der Beschwerdeführer überhaupt als Fremder anzusehen sei, nicht klar hervorgehe. Der Beschwerdeführer werde als Staatsbürger der früheren Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien bezeichnet, einen solchen Staat gebe es aber nicht mehr.
Dem ist zu entgegnen, daß zur Auslegung des Spruches die Begründung heranzuziehen ist. In der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt es, daß der Beschwerdeführer Fremder im Sinne des Fremdengesetzes sei, weil er die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt. Im Zusammenhang mit dieser Begründung kann die im Spruch ausgedrückte Bezeichnung der Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers (offenbar dem von ihm vorgelegten Reisepaß entnommen) nicht als relevante Rechtswidrigkeit erkannt werden.
Auf das Vorbringen des Beschwerdeführers zur rechtskräftigen Bestrafung wegen Übertretung des Paßgesetzes 1969 ist nicht einzugehen, weil diese Bestrafung von der belangten Behörde nicht zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogen worden ist. Gleiches gilt für die Ausführungen zu dem im angefochtenen Bescheid erwähnten Freispruch des Beschwerdeführers durch das Landesgericht Innsbruck.
Die Auffassung des Beschwerdeführers, die rechtskräftigen Bestrafungen wegen § 64 Abs. 1 KFG dürften ihm nicht zur Last gelegt werden, ist nicht nachvollziehbar. Die Auffassung der belangten Behörde, daß die rechtskräftigen verwaltungsbehördlichen Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen Übertretungen des § 64 Abs. 1 KFG (dreimal) den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG und in der Folge jenen des § 18 Abs. 1 leg. cit. verwirklichten, entspricht der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. Februar 1995, Zl. 95/18/0064).
Die Auffassung des Beschwerdeführers, die rechtskräftigen Bestrafungen wegen Übertretung des Meldegesetzes und des Fremdenpolizeigesetzes könnten nicht gemäß § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG berücksichtigt werden, ist unrichtig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfüllt die mehr als einmal erfolgte rechtskräftige Bestrafung wegen eines der im § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG genannten Gesetze jedenfalls den Tatbestand dieser Bestimmung. Eine Bestrafung nach dem Fremdenpolizeigesetz entspricht einer solchen nach dem Fremdengesetz (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. März 1994, Zl. 94/18/0077).
Die Ausführungen in der Beschwerde sind nicht geeignet, Bedenken gegen die zutreffende Rechtsanschauung der belangten Behörde, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG zulässig sei, zu erwecken.
Die Beschwerde hält die von der belangten Behörde gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung für rechtswidrig, weil hiebei auf die Erkrankung der Ehefrau des Beschwerdeführers und seiner Kinder keine Rücksicht genommen worden sei.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg. Die belangte Behörde hat zwar die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers, seiner Familie und seiner Angehörigen sowie das Ausmaß seiner Integration berücksichtigt, sie ist jedoch nicht auf die in der Berufung behauptete Erkrankung der Ehegattin des Beschwerdeführers eingegangen. In der Berufung wurde darauf hingewiesen, daß die Ehegattin des Beschwerdeführers seit einiger Zeit unter starken Depressionen leide. Dies im Zusammenhang mit dem aktenkundigen geringen Alter der Kinder des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde veranlassen müssen, zu prüfen, ob die Gattin des Beschwerdeführers in der Lage ist, die umfassende Obsorge der Kleinkinder wahrzunehmen oder nicht. Weiters wäre zu ermitteln gewesen, ob aufgrund der behaupteten schweren Erkrankung die Gattin des Beschwerdeführers selbst einer wesentlichen Obsorge durch den Beschwerdeführer bedürfe. Erst nach Feststellung dieser Umstände (Notwendigkeit der wesentlichen Obsorge für die Gattin und/oder die Kleinkinder des Beschwerdeführers) kann die gemäß § 20 Abs. 1 FrG gebotene Interessenabwägung umfassend und vollständig erfolgen.
Da - unbeschadet des Gewichtes der für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen - nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde, hätte sie die dargestellten privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers entsprechend berücksichtigt, zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Ergänzend ist anzumerken, daß die belangte Behörde nicht ausreichend begründet hat, warum die der Erlassung des Aufenthaltsverbotes zugrundgelegten Umstände die gesetzlich vorgesehene Höchstdauer von zehn Jahren erforderlich erscheinen lassen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994. Die begehrte Umsatzsteuer zu dem gesetzlichen Pauschbetrag (in dem sie bereits enthalten ist) war ebenso abzuweisen wie die über den notwendigen Aufwand (dreimal S 120,-- für Beschwerde und S 60,-- für Bescheid) hinaus verlangten Stempelgebühren.
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