VwGH 95/18/1313

VwGH95/18/131321.12.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des T in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. August 1995, Zl. SD 455/95, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
SGG;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
SGG;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 24. August 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer, der sich seit 1979 durchgehend im Bundesgebiet aufhalte, sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. Juli 1991 wegen Suchtgifthandels und -besitzes zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten sowie mit rechtskräftigem Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 13. November 1994 wegen fahrlässiger (schwerer) Körperverletzung gemäß § 88 Abs. 1 und Abs. 4 StGB, unbefugten Besitzes oder Führens von Faustfeuerwaffen und Überlassens von Faustfeuerwaffen an unbefugte Personen gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 und Z. 5 Waffengesetz 1986 zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG sei somit erfüllt.

Der Beschwerdeführer sei am 20. Juni 1989 wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes und am 10. September 1993 wegen Übertretung des Fremdengesetzes rechtskräftig bestraft worden. Darüberhinaus schienen im "Verwaltungsstrafkataster der Magistratsabteilung 63" sechs Verwaltungsstrafen auf. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers rechtfertige die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme.

Es könne kein Zweifel bestehen, daß mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes ein "sehr schwerwiegender" Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden sei, weil dieser seit 1979 im Bundesgebiet lebe, hier verheiratet sei, zwei Kinder habe und sich auch seine Eltern in Österreich aufhielten. Dessen ungeachtet sei aber die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen, zum Schutz der Rechte Dritter sowie zum Schutz der Gesundheit - dringend geboten und daher (im Grunde des § 19 FrG) zulässig.

Aufgrund der Straftaten des Beschwerdeführers wögen die öffentlichen Interessen (an der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität sowie der in diesem Zusammenhang besonders deutlich in Erscheinung tretenden organisierten Kriminalität) ungleich höher, als die im Hinblick auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie zweifellos beträchtlichen privaten und familiären Interessen, zumal bei Suchtgiftdelikten selbst bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht rechtswidrig sei.

Der Umstand, daß sich der Beschwerdeführer seit der letzten Verurteilung wohlverhalten habe, verringere das Gewicht der ihm zur Last fallenden Straftaten nicht, weil seither nur wenige Monate verstrichen seien. Es sei zu bedenken, daß sich der Beschwerdeführer auch nach der Verurteilung im Jahre 1991 nicht "an die Normen des österreichischen Strafrechts" gehalten habe.

Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei auch im Grunde des § 20 Abs. 2 FrG zulässig. Dafür sei entscheidend, ob der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Rechtskraft der vorletzten von der Behörde herangezogenen Verurteilung, somit vor der Verurteilung vom 13. November 1994 die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 erfüllt habe. Dies sei zu verneinen, weil aufgrund der Verurteilung vom 9. Juli 1991 zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe diese Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen seien.

Aufgrund der mit Suchtgiftdelikten verbundenen Wiederholungsgefahr könne jener Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes weggefallen sein werde, nicht vorhergesehen werden. Das Aufenthaltsverbot sei daher in Übereinstimmung mit § 21 FrG auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesem Grunde aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Auffassung der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt und die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, begegnet keinen Bedenken. Die Beschwerde enthält dazu auch keine Ausführungen.

2. Daß mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes ein "sehr schwerwiegender" Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinne des § 19 FrG verbunden ist, wurde von der belangten Behörde berücksichtigt. Ihre Beurteilung, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen, nämlich zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Rechte anderer und zum Schutz der Gesundheit, dringend geboten sei, entspricht schon im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 28. September 1995, Zl. 95/18/1212).

3. Gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde durchgeführten Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG führt der Beschwerdeführer ins Treffen, daß er seit 16 Jahren in Österreich lebe, verheiratet sei und zwei Kinder habe. Da sich auch seine Eltern im Inland befänden, ergebe sich, "daß sämtliche familiäre Bezugspersonen hier in Österreich sind". Im Falle einer "Abschiebung" in die Türkei käme es zu großen "existenziellen und familiären Problemen" weil er nicht mehr für den Lebensunterhalt seiner Familie sorgen könne. Auch sei es für ihn unmöglich, "nach 16 Jahren in der Türkei wieder sozial integriert zu werden", da er dort keine Bezugspersonen mehr habe. Weiters sei zu berücksichtigen, daß er sich "mittlerweile" mehr als ein Jahr wohlverhalten habe. Dies zeige, daß er die Absicht habe, sich in Zukunft wohlzuverhalten und nicht mehr gegen die Gesetze des österreichischen Staates zu verstoßen.

Den seit 1979 bestehenden inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers sowie seine familiären Bindungen hat die belangte Behörde ohnehin berücksichtigt. Die aus dem langen Aufenthalt des Beschwerdeführers abzuleitende Integration wird jedoch gemindert, weil die dafür wesentliche soziale Komponente durch die Straftaten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt wird (vgl. auch dazu etwa das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 95/18/1212). Auch das Gewicht der Beziehung zu den Eltern wird schon im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer erwachsen ist, relativiert (vgl. auch dazu das mehrfach zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 95/18/1212). Daß ungeachtet dessen eine besonders enge Beziehung zu den Eltern bestehe, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Die Unterhaltsleistungen für seine Familie kann der Beschwerdeführer auch aus dem Ausland erbringen (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis, Zl. 95/18/1212). Das Vorbringen betreffend die Schwierigkeiten, sich in der Türkei zu integrieren, ist unbeachtlich, weil mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht die Verpflichtung zur Ausreise in ein bestimmtes Land ausgesprochen wird.

Im Hinblick darauf, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Falle von Suchtgiftdelikten auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden nicht rechtswidrig ist (vgl. etwa das von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom 14. April 1994, Zl. 94/18/0027), begegnet das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 20 Abs. 1 FrG durchgeführten Interessenabwägung keinen Bedenken, zumal im vorliegenden Fall die öffentlichen Interessen an der Erlassung dieser Maßnahme aufgrund der von der belangten Behörde festgestellten weiteren gerichtlich strafbaren Handlungen und Verwaltungsübertretungen des Beschwerdeführers verstärkt werden. Das vom Beschwerdeführer behauptete Wohlverhalten seit der letzten Verurteilung vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern, weil der zwischen der bisher letzten gerichtlichen Verurteilung und der Erlassung des angefochtenen Bescheides liegende Zeitraum von nicht einmal zehn Monaten viel zu kurz ist, um die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die von der belangten Behörde genannten öffentlichen Interessen auszuschließen oder als nur gering einzuschätzen.

4. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Im Hinblick auf die vorliegende Entscheidung in der Hauptsache erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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