VwGH 95/18/0604

VwGH95/18/06049.11.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. Jänner 1995, Zl. SD 833/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (belangte Behörde) vom 16. November 1994, mit welchem gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes (FrG) ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden ist.

Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid damit, daß der Beschwerdeführer im Jahre 1991 in das Bundesgebiet eingereist sei und einen Asylantrag gestellt habe, den er jedoch zurückgezogen habe. Seit diesem Zeitpunkt verfüge er über keine Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer sei am 24. Juni 1993 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen Suchtgiftbesitzes, schwerer Körperverletzung und versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, bedingt auf drei Jahre Probezeit, rechtskräftig verurteilt worden. Er sei zwar mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, auf Grund seines relativ kurzen und zum Großteil illegalen Aufenthaltes in Österreich könne er sich jedoch nicht auf einen hohen Grad seiner Integration berufen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei zum Schutz der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen, zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sowie auch zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dringend geboten. Die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten sowie sein nunmehr mehr als zwei Jahre unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet beeinträchtigten die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit in einem Ausmaß, daß demgegenüber die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers zurückzutreten hätten, sodaß das Aufenthaltsverbot auch angesichts der §§ 19 und 20 FrG gerechtfertigt sei. Die mit zehn Jahren vorgenommene Befristung erscheine notwendig, "um den Berufungswerber dahin zu bringen, daß er die in Österreich geltenden Rechtsvorschriften zu beachten hat".

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof erhoben und nach erfolgter Ablehnung dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten worden ist. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 18 Abs. 1 FrG ist gegen einen Fremden "ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt

  1. 1. die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder
  2. 2. anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft". Als bestimmte Tatsache gemäß Abs. 2 Z. 1 des § 18 FrG hat u.a. zu gelten, wenn ein Fremder zu "einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten" rechtskräftig verurteilt worden ist. Bewirkt ein Aufenthaltsverbot einen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Fremden, so ist es gemäß § 19 FrG nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. § 20 Abs. 1 FrG normiert, daß ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden darf, "wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung". Bei dieser Abwägung ist sowohl auf "1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen", als auch "2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen" Bedacht zu nehmen. Gemäß § 21 Abs. 1 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nur in den Fällen des § 18 Abs. 2 Z. 1 und 5 FrG unbefristet, ansonsten nur für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Nach Abs. 2 der genannten Gesetzesstelle ist bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen.

4. Auch die Beschwerde bekämpft nicht ausdrücklich, daß die belangte Behörde für den vorliegenden Fall den Tatbestand des § 18 Abs. 1 FrG als erfüllt ansah und auf Grund der vom Beschwerdeführer begangenen Straftat sowie seines unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet die Annahme als gerechtfertigt betrachtete, daß sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Auch der Verwaltungsgerichtshof hält dies im vorliegenden Fall deswegen nicht für rechtswidrig, weil der Beschwerdeführer ein - fremdenrechtlich besonders verpöntes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. März 1995, Zl. 95/18/0138) - Delikt der Suchtgiftkriminalität begangen hat. Auch wenn daher der Gesetzgeber im § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG eine Verurteilung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten gerade noch nicht als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 FrG gelten läßt, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig finden, wenn die belangte Behörde die Tatsache der Suchtgiftkriminalität sowie des rechtswidrigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers zu seinen Lasten wertete und die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 FrG als erfüllt ansah. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nämlich auch dann zulässig, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im § 18 Abs. 2 FrG angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 (Z. 1) leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 5. April 1995, Zl. 94/18/0496).

5. Der Hauptvorwurf der Beschwerde geht dahin, die Behörde habe keine den Bestimmungen der §§ 19 und 20 FrG entsprechende Interessenabwägung zwischen den privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers einerseits und den öffentlichen Interessen daran, daß er sich nicht im Bundesgebiet aufhält, andererseits, vorgenommen. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde diesbezüglich vor, sie habe keine geeigneten Feststellungen getroffen und deshalb den Beschwerdeführer "in ihren materiellen aber auch in ihren verfahrensrechtlichen Rechten" verletzt.

Auch diesem Vorwurf kommt im Ergebnis deswegen keine Berechtigung zu, weil die belangte Behörde durchaus in Betracht zog, daß der Beschwerdeführer, der sich zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides etwa bereits drei Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hatte, und zu diesem Zeitpunkt etwa ein Jahr mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war. Aus der Sicht des Verwaltungsgerichtshofes erscheint aber nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers, insbesondere das Suchtgiftdelikt sowie den Widerstand gegen die Staatsgewalt und den mehr als zwei Jahre währenden illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet als ein Verhalten wertete, welches die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 19 FrG zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, aber auch zur Aufrechterhaltung der Ordnung auf dem Gebiete der den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften als dringend geboten erachtete. Der Verwaltungsgerichtshof kann der belangten Behörde auch nicht vorwerfen, sie habe die privaten und familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers gemäß § 20 Abs. 1 FrG rechtswidrig gewertet. Die durch das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers indizierten Gefahren sind nämlich im Lichte des § 20 Abs. 1 FrG nicht als weniger schwer zu betrachten, als die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und die seiner Ehegattin.

Bei der Berücksichtigung der familiären Interessen des Beschwerdeführers und seiner österreichischen Ehegattin ist nämlich in Betracht zu ziehen, daß die Ehe zu einem Zeitpunkt geschlossen wurde, in welchem sich der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt (vgl. dazu etwas das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1994, Zl. 94/18/0876). Dem Akteninhalt zufolge bestehen weiters auch von der Beschwerde nicht zerstreute Zweifel daran, daß der Beschwerdeführer mit seiner Ehegattin in einem gemeinsamen Haushalt wohnt.

6. Wenn der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie habe keine geeigneten Feststellungen hinsichtlich der privaten und familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers getroffen, so ist dieser Vorwurf deswegen nicht stichhältig, weil die Beschwerde jeglichen Hinweis darauf unterläßt, bei Vorliegen welcher, für die Beurteilung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers maßgeblicher Umstände die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.

7. Was schließlich - die mit der gesetzlichen Höchstfrist von zehn Jahren festgesetzte - Geltungsdauer des Aufenthaltsverbotes betrifft, so bringt die Beschwerde auch dagegen nichts vor. Als rechtswidrig vermag der Verwaltungsgerichtshof diese Frist im vorliegenden Fall aber nicht zu erkennen.

8. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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