Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 10. Dezember 1993 wurde die Beschwerdeführerin für schuldig erkannt, es unterlassen zu haben, die Vergnügungssteuer für ein näher beschriebenes Bildschirmgerät für die Monate Juni 1990 bis März 1991 mit dem richtigen Steuersatz von S 14.000,-- einzubekennen und zu entrichten. Sie habe dadurch § 19 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 14 Abs. 2 und 17 Abs. 3 des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1987 (in der Folge VGSG 1987) verletzt. Über sie wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 88.000,-- verhängt. Die Behörde verfügte die Zustellung des Straferkenntnisses an der Adresse J-Straße 66-94, 1210 Wien. Aufgrund einer Nachsendung erfolgte der Zustellversuch an der Adresse X-Straße 34/2, 1220 Wien. Nach dem Inhalt des Rückscheines wurde die Verständigung über die Hinterlegung am 16. Dezember 1993 in das Hausbrieffach eingelegt; die Hinterlegung erfolgte beim Postamt 1229 Wien. Beginn der Abholfrist war der 17. Dezember 1993. Eine Abholung der hinterlegten Sendung durch die Adressatin erfolgte nicht. Die Sendung wurde am 4. Jänner 1994 dem Magistrat der Stadt Wien rückgeleitet.
Am 4. März 1994 wurde von der Bediensteten der Strafbehörde erster Instanz, S, ein Amtsvermerk folgenden Inhaltes aufgenommen:
"Telefonat mit Fr. R
Fr. R gibt bekannt, daß sie erst mit Erhalt der Mahnung (gestern) Kenntnis vom Verfahren erlangt hat. Das Straferkenntnis hat sie nie erhalten, obwohl sie im Dez. 1993 (Datum der Zustellung/Hinterlegung wurde ihr mitgeteilt) nicht ortabwesend war. Nach Klärung der Rechtslage, gab sie an, sich in den nächsten Tagen schriftlich zum gegenständlichen Verfahren zu äußern."
Mit ihrer am 5. April 1994 zur Post gegebenen Eingabe erhob die Beschwerdeführerin unter anderem Berufung gegen das genannte Straferkenntnis. Darin vertrat sie die Auffassung, der Bescheid sei ihr bislang nicht zugestellt worden. Die Zustellung des Bescheides an ihrer Wohn-, statt ihrer Geschäftsanschrift sei unzulässig gewesen. Der Bescheid sei ihr auch nicht zugekommen. Ein wirksamer Bescheid liege daher nicht vor. Berufung werde aus Gründen der äußersten prozessualen Vorsicht erhoben.
Mit ihrer Berufung hat die Beschwerdeführerin, ebenfalls aus Gründen der äußersten prozessualen Vorsicht, einen Wiedereinsetzungsantrag in den vorigen Stand verbunden. In diesem Antrag erwähnte sie erstmals, daß sie an ihrer Privatadresse "nicht ortsanwesend gewesen sei".
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 12. April 1994 zurückgewiesen. Einer dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 14. Oktober 1994 nicht Folge gegeben.
Mit dem hier - allein - angefochtenen Bescheid vom 14. Oktober 1994 hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien zurückgewiesen. Die belangte Behörde nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
Die Berufungswerberin sei im Dezember 1993 an der Adresse W, X-Straße 34/2, wohnhaft gewesen. Sie sei weder am 16. noch am 17. Dezember 1993 ortsabwesend gewesen. Das angefochtene Straferkenntnis sei von der Behörde erster Instanz mit W, J-Straße 66-94, adressiert und im Wege eines Nachsendeauftrages an die Wohnadresse der Empfängerin weitergeleitet worden.
Die Wohnung der Beschwerdeführerin stelle eine taugliche Abgabestelle im Sinne des § 4 ZustellG dar. Eine Ortsabwesenheit der Berufungswerberin zum Zeitpunkt der Zustellung sei nach ihren eigenen Angaben nicht vorgelegen. Selbst in der Berufung werde keine Ortsabwesenheit der Beschwerdeführerin behauptet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung der Behandlung an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Sachentscheidung über ihre Berufung verletzt.
Die Verwaltungsbehörde legte die Akten vor und beantragte
die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt die Beschwerdeführerin, die Behörde habe es unterlassen, den Aussteller des Aktenvermerkes vom 4. März 1994 als Zeugen zu vernehmen. Dieser Vorwurf ist unzutreffend. Eine zeugenschaftliche Einvernahme S ist erfolgt (vgl. S. 41 des Verwaltungsaktes). Dabei hat die Zeugin die Richtigkeit des Inhaltes ihres Aktenvermerkes bestätigt.
Wenn die Beschwerdeführerin weiters rügt, die belangte Behörde habe es unterlassen, sie einzuvernehmen, so ist ihr zunächst zu entgegnen, daß sie zur Verhandlung vor der belangten Behörde vom 14. Oktober 1994 trotz ausgewiesener Zustellung unentschuldigt nicht erschienen ist. Gemäß § 51h Abs. 1 VStG 1991 ist das Verfahren möglichst in einer Verhandlung abzuschließen. Wenn sich die Einvernahme des von der Verhandlung ausgebliebenen Beschuldigten oder die Aufnahme weiterer Beweise als notwendig erweist, dann ist die Verhandlung zu vertagen. Eine Einvernahme der Beschuldigten erwies sich hier nicht notwendig. Die Beschwerdeführerin hat - wie die belangte Behörde richtig feststellt - in ihrer BERUFUNG keine Ortsabwesenheit behauptet, wohl aber in dem mit der Berufung verbundenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Damit ist für die Beschwerdeführerin aber nichts gewonnen. Mit der bloßen Behauptung einer Ortsabwesenheit (ohne nähere Angaben und Anbot von Beweismitteln) kann das Vorliegen einer unwirksamen Zustellung durch Hinterlegung nicht dargetan werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 11. September 1985, 85/03/0056, vom 17. September 1986, 86/03/0100, und vom 22. September 1988, 88/08/0182). Die Durchführung eines Beweisverfahrens zur Frage der Ortsanwesenheit der Beschwerdeführerin war daher entbehrlich.
Im übrigen tritt die Beschwerde der Rechtsauffassung der belangten Behörde, wonach es sich bei ihrer Wohnung um eine taugliche Abgabestelle im Sinne des § 4 ZustellG gehandelt habe, ebensowenig entgegen wie ihrer Tatsachenannahme, wonach die Weiterleitung an die Wohnadresse der Beschwerdeführerin aufgrund eines Nachsendeauftrages erfolgt sei.
Ausgehend von den als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens getroffenen Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde bestehen gegen deren rechtliche Schlußfolgerung, das hinterlegte Straferkenntnis gelte mit 17. Dezember 1993 gemäß § 17 Abs. 3, dritter Satz, ZustellG als zugestellt, auch unter Bedachtnahme auf § 18 Abs. 1 ZustellG, § 205 PostO beim Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken. Die erst am 5. April 1994 zur Post gegebene Berufung ist daher verspätet (§ 24 VStG, § 63 Abs. 5 AVG).
Die Frage, ob der Beschwerdeführerin die Erhebung einer Berufung gegen einen mangels Zustellung noch gar nicht erlassenen Bescheid überhaupt zustünde, kann daher dahingestellt bleiben.
Die Beschwerde war aus den dargelegten Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Damit erübrigt sich eine Erledigung des Antrages, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
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