VwGH 95/14/0140

VwGH95/14/014021.11.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über den Antrag des Mag. J in I, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in I, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungsentscheidung) vom 3. Februar 1995, Zl. 80.020-8/95, betreffend Jahresausgleich für das Kalenderjahr 1993, den Beschluß gefaßt:

Normen

ABGB §1332;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;
ABGB §1332;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

Mit hg. Beschluß vom 19. September 1995 wurde das Verfahren über die oben angeführte, zur Zl. 95/14/0089 protokollierte Beschwerde eingestellt, weil dem Auftrag vom 14. Juli 1995, den Verbesserungsschriftsatz dreifach vorzulegen, durch die Vorlage des Schriftsatzes in einfacher Ausfertigung nicht entsprochen worden war.

Im vorliegenden Antrag wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Mängelbehebung begehrt und ausgeführt, den Vertreter des Antragstellers treffe an der Versäumung kein Verschulden. Er habe fristgerecht die mit Verfügung vom 14. Juli 1995 aufgetragene Mängelbehebung verfaßt und auch diktiert, daß diese in dreifacher Ausfertigung abzufertigen sei. Einer namentlich genannten Mitarbeiterin der Rechtsanwaltskanzlei sei dabei ein Hör- bzw. Übertragungsfehler unterlaufen, als sie nur "einfach" statt "dreifach" auf dem Deckblatt dieses Schriftsatzes vermerkt habe. Die Postorganisation in der Kanzlei sei so eingerichtet, daß die Schriftstücke nach Diktat dem Rechtsanwalt zur Unterschrift vorgelegt und anschließend von Mitarbeitern zur Abfertigung vorbereitet werden, was auch die Beifügung von Kopien, weiteren Ausfertigungen, Beilagen etc. beinhalte. Der Vertreter des Antragstellers habe nach Durchsicht den Schriftsatz unterfertigt und zur Postabfertigung freigegeben. Die an sich äußerst zuverlässige und in keiner Weise sorglose Mitarbeiterin habe auf Grund des Diktates den Schriftsatz einfach abgefertigt. Darin liege nur ein geringgradiges Versehen, das kein Verschulden darstelle.

Zur Glaubhaftmachung dieses Vorbringes wurde eine eidesstättige Erklärung mit folgendem Inhalt vorgelegt:

"Ich, unten gefertigte C, bin in der Kanzlei der Rechtsanwälte Dr. W und Dr. Z seit nunmehr fünf Jahren beschäftigt. Ich verrichte meine Arbeit mit größter Sorgfalt und bin insbesondere bei der Abfertigung von fristgebundenen Schriftstücken äußerst gewissenhaft.

In der Angelegenheit des Mag. J betreffend seine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zu 95/14/0089, habe ich am 16.8.1995 nach Tonbanddiktat von RA Dr. W den Schriftsatz zur Mängelbehebung verfaßt.

Ich habe dabei am Band verstanden, der Schriftsatz sei einfach vorzulegen, dabei muß mir ein Diktat- oder Hörfehler bzw. Übertragungsfehler unterlaufen sein. Am Schriftsatz jedenfalls war nur der Vermerk "einfach" angebracht.

Ich habe den Ausdruck dieses Schriftsatzes RA Dr. W vorgelegt, wobei dieser den Schriftsatz auf seine inhaltliche Richtigkeit durchgelesen und unterfertigt hat.

Bei der Abfertigung des Poststückes habe ich dann nur noch gesehen, daß der Schriftsatz einfach vorzulegen ist und nicht nochmals die Aufforderung in der Verfügung vom 14.7.1995, den Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung vorzulegen, gelesen.

Ich ersuche höflich, dieses mein Versehen zu entschuldigen. Innsbruck, am 6.11.1995"

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei (siehe unter anderem den hg. Beschluß vom 14. April 1994, Zlen. 94/18/0113, 0141 bis 0143). Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen.

Auf dem Boden dieser Rechtslage wird im Wiedereinsetzungsantrag kein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund dargetan, und zwar selbst dann nicht, wenn man im Sinne des zunächst erstatteten Antragsvorbringens davon ausgeht, daß der auf dem Mängelbehebungsschriftsatz enthaltene Vermerk "einfach" auf einen Hör- oder Schreibfehler der Kanzleikraft und nicht auf einen Diktatfehler des Antragstellervertreters zurückzuführen ist, was nach dem Inhalt der eidesstättigen Erklärung auch möglich erscheint, zumal dort diesbezüglich nicht Wahrnehmungen der Kanzleikraft, sondern Schlüsse ("muß ... unterlaufen sein") wiedergegeben werden und auch von einem Diktatfehler die Rede ist. Bei Anlegung des bei beruflichen rechtskundigen Parteienvertretern gebotenen strengeren Maßstabes hätte es die dem Vertreter des Antragstellers obliegende Sorgfaltspflicht erfordert, sich anläßlich der Unterfertigung von der ordnungsgemäßen Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages zu vergewissern. Dabei hätte ihm auffallen müssen, daß die Vorlage des ergänzenden Schriftsatzes entgegen dem ausdrücklichen Hinweis in der hg. Verfügung vom 14. Juli 1995 nicht in dreifacher, sondern nur in einfacher Ausfertigung vorbereitet war. Das Außerachtlassen der im gegebenen Fall erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt ist als ein den Grad minderen Versehens überschreitendes Verschulden des Antragstellervertreters zu werten (siehe dazu die hg. Beschlüsse vom 19. Mai 1994, Zl. 94/18/0226, und vom 5. Oktober 1994, Zlen. 94/03/0236, 0237).

Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher nicht stattzugeben.

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