VwGH 94/03/0236

VwGH94/03/02365.10.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Anträge des W in A, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in S, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von der Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 4. November 1993, Zl. VwSen-120001/20/Br, betreffend Übertretung des Luftfahrtgesetzes, anhaftenden Mängel und auf Wiederaufnahme des diese Beschwerde betreffenden hg. Verfahrens Zl. 94/03/0081, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Gemäß §§ 45 und 46 VwGG wird den Anträgen nicht stattgegeben.

Begründung

Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. April 1994, Zl. 94/03/0081, wurde der Vertreter des Beschwerdeführers aufgefordert, die vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 4. November 1993 in mehreren Punkten zu ergänzen. Gleichzeitig erging der Auftrag, den ergänzenden Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung vorzulegen. Innerhalb der gesetzten Frist von zwei Wochen brachte der Vertreter des Beschwerdeführers einen ergänzenden Schriftsatz ein, der aber entgegen dem Auftrag in zweifacher Ausfertigung vorgelegt wurde. Mit Beschluß vom 29. Juni 1994, Zl. 94/03/0081-5, wurde daher das Verfahren über die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 VwGG eingestellt.

1.

Mit dem vorliegenden Antrag begehrt der Antragsteller, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Mängelbehebung zu bewilligen. Begründet wird dieser Antrag damit, die Beschwerde sei mit ergänzendem Schriftsatz auftragsgemäß ergänzt worden und dieser Schriftsatz auch in dreifacher Ausfertigung vom Rechtsvertreter des Antragstellers unterfertigt worden. Sein Rechtsvertreter habe die drei Ausfertigungen unterschrieben der Kanzleiangestellten zur Postabfertigung übergeben. Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände sei es dann in der Folge zur Absendung von nur zwei anstelle der aufgetragenen und auch unterschriebenen drei Ausfertigungen gekommen. Die bisher fehlerfrei arbeitende Kanzleiangestellte habe sich dadurch irritieren lassen, daß auf dem Schriftsatz in der rechten unteren Ecke "2-fach, 1 HS" angeführt gewesen sei. Bei dieser fehlerhaften Anführung betreffend die Anzahl der Ausfertigungen des Schriftsatzes habe es sich offensichtlich um einen Tippfehler gehandelt, der sich beim Abschreiben des Bandes eingeschlichen habe, aber vom Rechtsvertreter des Antragstellers unbemerkt geblieben sei, weil der ergänzende Schriftsatz diesem von der Schreibkraft tatsächlich in dreifacher Ausfertigung zur Unterschrift vorgelegt worden sei. Erst bei der Postabfertigung habe die Kanzleiangestellte den Widerspruch zwischen den Angaben auf dem Schriftsatz einerseits und der Anzahl der ihr übergebenen Ausfertigungen andererseits entdeckt und sie habe fälschlicherweise angenommen, daß es sich bei den drei ihr zur Postabfertigung übergebenen Ausfertigungen um einen Irrtum handeln müsse. Sie habe daraufhin - allerdings ohne vorher mit dem Rechtsvertreter oder dessen Konzipienten Rücksprache gehalten zu haben - eigenmächtig und entsprechend den Angaben auf dem Schriftsatz nur zwei Ausfertigungen an den Verwaltungsgerichtshof abgefertigt. Die dritte unterfertigte Ausfertigung sei im Akt abgelegt worden. Nach den bisherigen Erfahrungen des Rechtsvertreters habe die in Rede stehende Kanzleiangestellte bisher immer verläßlich und absolut korrekt gearbeitet, vor allem habe sie noch niemals eigenmächtig irgendwelche Anweisungen ihrer Vorgesetzten nicht befolgt oder anders durchgeführt, als ihr aufgetragen worden sei. Ihre Arbeitsweise habe bis zu diesem Vorfall daher auch noch niemals Anlaß zu irgendwelchen Beanstandungen gegeben.

Es trifft zwar zu, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die anwaltliche Sorgfaltspflicht nicht die näheren Umstände der Postaufgabe bzw. der Kuvertierung von Schriftsätzen umfaßt, solange der Rechtsanwalt nicht durch Fälle von Unzuverlässigkeit zur persönlichen Aufsicht und zu besonderen Kontrollmaßnahmen genötigt wird (vgl. den hg. Beschluß vom 13. Dezember 1984, Zl. 84/06/0212, u.v.a.). Damit ist aber für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, weil im konkreten Fall nach der Darstellung im Antrag die in Rede stehende Kanzleiangestellte keineswegs weisungswidrig handelte. Sie hielt sich vielmehr an die auf dem Schriftsatz enthaltenen Hinweise über die Zahl der an den Verwaltungsgerichtshof abzusendenden Ausfertigungen des ergänzenden Schriftsatzes. Daß der Rechtsvertreter des Antragstellers dieser Kanzleiangestellten die generelle Weisung erteilt hätte, immer alle im Akt erliegenden unterschriebenen Ausfertigungen eines Schriftsatzes zur Post zu geben, auch wenn deren Zahl im Widerspruch zu den diesbezüglichen Angaben im Schriftsatz selbst steht, wurde vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet.

Daß aber der Vertreter des Beschwerdeführers den diesbezüglichen fehlerhaften Vermerk - auch wenn es sich um einen Tippfehler gehandelt haben mag - anläßlich der Unterfertigung des Schriftsatzes nicht wahrnahm, bildet ein den Grad des minderen Versehens übersteigendes Verschulden, das zufolge § 46 Abs. 1 VwGG der Bewilligung der Wiedereinsetzung entgegensteht.

Es war dem Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Mängelbehebung daher nicht stattzugeben.

2.

Der Antragsteller begehrt überdies die Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG mit der Begründung, streng betrachtet handle es sich bei dem gegenständlichen Mängelbehebungsauftrag eigentlich nicht um eine "Verbesserung" eines ursprünglich fehlerhaften Schriftsatzes, sondern bloß um eine Adaptierung einer abgetretenen Verfassungsgerichtshof-Beschwerde an die Formerfordernisse des Verwaltungsgerichtshofes. Es handle sich bei diesem Auftrag somit für den Beschwerdeführer um die erste Möglichkeit, einen den inhaltlichen und formellen Anforderungen einer Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde entsprechenden Schriftsatz einzubringen. Es gebe keine sachliche Rechtfertigung dafür, einen Beschwerdeführer, der bereits in der Verfassungsgerichtshof-Beschwerde den Eventualantrag auf Abtretung gestellt habe, schlechter zu stellen, als einen Beschwerdeführer, der sogleich eine Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde einbringe. Obwohl letzterer bereits ursprünglich eine formell und materiell richtige Beschwerde einbringen könne, stehe ihm im Fall eines Mangels die Möglichkeit offen, diesen auf Grund des erteilten Verbesserungsauftrages zu beheben. Eine solche Möglichkeit stehe einem Beschwerdeführer, der einen Eventualantrag auf Abtretung der Verfassungsgerichtshof-Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gestellt habe und dem sodann ein Auftrag zur Ergänzung seiner Beschwerde erteilt werde, nicht offen. Es hätte daher für die Beurteilung der Mangelhaftigkeit der eingebrachten Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde die abgetretene Verfassungsgerichtshof-Beschwerde gemeinsam mit dem vom Verwaltungsgerichtshof aufgetragenen ergänzenden Schriftsatz als erstmalige Einbringung der Beschwerde betrachtet werden müssen, für die sohin auch zumindest eine tatsächliche Verbesserung möglich gewesen sein hätte müssen.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer einen Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG nicht zur Darstellung zu bringen. Denn der Beschwerdeführer macht mit diesem Vorbringen nicht etwa geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe bei Fassung des Einstellungsbeschlusses vom 29. Juni 1994 über den dieser Entscheidung zugrundegelegten Sachverhalt geirrt, sondern er bekämpft damit die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes, auch die Versäumung der Frist zur Ergänzung einer vom Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretenen Beschwerde löse die Fiktion der Zurückziehung der Beschwerde im Sinne des § 34 Abs. 2 letzter Halbsatz VwGG aus.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, bezieht sich der Wiederaufnahmegrund des § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG nur auf den Sachverhalt und nicht auf die rechtliche Beurteilung. Die Behauptung einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung stellt keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund im Sinne dieser Gesetzesstelle dar (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Aufl., S. 637 zitierte hg. Judikatur).

Es konnte daher auch dem Antrag auf Wiederaufnahme des mit Beschluß vom 29. Juni 1994, Zl. 94/03/0081, abgeschlossenen Verfahrens nicht stattgegeben werden.

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