VwGH 95/11/0266

VwGH95/11/026615.12.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des K in L, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 25. Juli 1995, Zl. Senat-E-95-001, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §6 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs2;
AVG §73 Abs3;
KFG 1967 §75 Abs5;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
AVG §58 Abs2;
AVG §6 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs2;
AVG §73 Abs3;
KFG 1967 §75 Abs5;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Vorstellungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 15. März 1994 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 seine Lenkerberechtigung entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß ihm bis 31. Dezember 1998 keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf (die Dauer der Entziehung der Lenkerberechtigung im Sinne des § 123 Abs. 1 KFG 1967 betrug mehr als fünf Jahre). Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit Schreiben vom 12. Dezember 1994 stellte er bei der belangten Behörde einen auf § 73 Abs. 2 AVG gestützten Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht betreffend seine Berufung. Mit Bescheid vom 10. März 1995 wurde dieser Antrag abgewiesen (dieser Bescheid ist zur hg. Zl. 95/11/0115 angefochten, hierüber ergeht eine gesonderte Entscheidung).

Der Beschwerdeführer brachte am 12. April 1995 einen neuerlichen Devolutionsantrag ein (Eingang bei der belangten Behörde am 13. April 1995).

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde diesem Devolutionsantrag stattgegeben und der Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 15. März 1994 mit einer näher genannten Maßgabe keine Folge gegeben.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bekämpft ausdrücklich nur jenen Teil (Spruchpunkt B) des angefochtenen Bescheides, welcher eine Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 15. März 1994 enthält. Die in einem eigenen Spruchpunkt A verfügte Stattgebung des Devolutionsantrages vom 12. April 1995 versucht er ausdrücklich unbekämpft zu lassen.

Der Beschwerdeführer verkennt dabei, daß dieser Spruchpunkt A keinen selbständigen rechtlichen Gehalt besitzt. Er wäre jedenfalls entbehrlich gewesen, hat doch jede Behörde bei Fällung einer Entscheidung ihre hiefür gegebene Zuständigkeit zu prüfen und liegt in der Fällung einer Sachentscheidung immer die zumindest implizite Bejahung der Zuständigkeit. Nichts anderes gilt für den Fall, daß eine Behörde ihre Zuständigkeit auf Grund eines von ihr als zulässig qualifizierten Devolutionsantrages bejaht. Auch dies hätte nicht im Spruch, sondern lediglich in der Begründung zum Ausdruck kommen müssen.

Der Umstand, daß sich die belangte Behörde dessen ungeachtet in einem eigenen Spruchabschnitt mit ihrer Zuständigkeit (in der Sache bejahend) auseinandersetzt und der Beschwerdeführer dies ausdrücklich unbekämpft läßt, bedeutet jedenfalls nicht, daß der Verwaltungsgerichtshof daran in der Weise und mit der Wirkung gebunden wäre, daß ihm eine amtswegige Prüfung der Zuständigkeit der belangten Behörde nicht mehr zukäme (vgl. dazu § 41 Abs. 1 VwGG, aus dem sich u. a. ergibt, daß die zur Aufhebung eines Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof führende Unzuständigkeit der belangten Behörde grundsätzlich nicht vom Beschwerdepunkt umfaßt zu sein braucht).

Bei der nach dem Gesagten zulässigen Beurteilung der Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 15. März 1994 ist davon auszugehen, daß ein verfrüht gestellter Antrag nach § 73 Abs. 2 AVG unzulässig ist und den Übergang der Entscheidungspflicht auf die Oberbehörde (den unabhängigen Verwaltungssenat) nicht bewirkt. Ein Devolutionsantrag in einem Verfahren zur Entziehung einer Lenkerberechtigung ist gemäß § 75 Abs. 5 KFG 1967 erst nach Verstreichen von drei Monaten vom Entstehen der Entscheidungspflicht der Unterbehörde an zulässig. Die Entscheidungspflicht des im Devolutionsantrag vom 12. April 1995 als säumig bezeichneten Landeshauptmannes von Niederösterreich ist aber erst mit Zustellung des den ersten (zulässigen) Devolutionsantrag vom 12. Dezember 1994 abweisenden Bescheides der belangten Behörde, somit am 13. März 1995, entstanden. Der neuerliche Devolutionsantrag vom 12. April 1995 ist somit verfrüht gestellt. Er bewirkte nicht, daß die belangte Behörde anstelle des Landeshauptmannes von Niederösterreich zur Entscheidung über die in Rede stehende Berufung zuständig geworden wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben, ohne daß darauf einzugehen wäre, welche Bedeutung es für die inhaltliche Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides hatte, daß der Landeshauptmann von Niederösterreich im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits über die Berufung in der Sache abgesprochen hatte (Bescheid vom 10. April 1995, zugestellt am 19. April 1995).

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil Stempelgebührenersatz nur für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides, die der Beschwerde anzuschließen war (§ 28 Abs. 5 VwGG), zuzusprechen war.

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