VwGH 95/10/0002

VwGH95/10/000226.6.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der N-AG in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 31. Oktober 1994, Zl. U-12.761, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung und Entfernungsauftrag, zu Recht erkannt:

Normen

NatSchG Tir 1991 §1 Abs1;
NatSchG Tir 1991 §15 Abs1;
NatSchG Tir 1991 §1 Abs1;
NatSchG Tir 1991 §15 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 26. Mai 1994 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf nachträgliche Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung zur Errichtung einer Werbeplakatwand auf dem Gelände der N-Tankstelle in K an der B 312, südwestlich des Ortszentrums von E gemäß den §§ 6 Abs. 1 lit. i, 15 Abs. 2, 27 Abs. 5, sowie 40 Abs. 1 des Tiroler Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 29/1991 (TNSchG), abgewiesen (Spruchabschnitt I).

Unter Spruchabschnitt II wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 15 Abs. 3 TNSchG aufgetragen, die Werbeeinrichtung unverzüglich, längstens jedoch innerhalb eines Monats ab Rechtskraft dieses Bescheides zu entfernen.

In der Begründung gab die Bezirkshauptmannschaft zunächst das Gutachten eines Amtssachverständigen für Naturschutz wieder. Danach sei an der B 312 südwestlich vom Ortszentrum von E bei der N-Tankstelle eine großformatige Werbeplakatwand angebracht worden, deren Lage und nähere Ausgestaltung sich aus dem beiliegendem Foto und Lageplan ergebe. Die Werbeeinrichtung befinde sich außerhalb der geschlossenen Ortschaft im Sinn der Begriffsbestimmung des TNSchG. Die Werbeeinrichtung weiche erheblich von einer Normtafel nach RVS 5212 (vertikale Leiteinrichtungen, Verkehrszeichen und Ankündigungen) ab und beeinträchtige durch ihre Größe und Ausgestaltung das Landschaftsbild. Aus Richtung K gesehen stehe die Tankstelle als erste bauliche Anlage am Rand des Ortskernes. Weiter südlich bestehe eine größere unverbaute Wiesenfläche. Der Gesamteindruck der Siedlungen trage wesentlich zur Qualität des Landschaftsbildes im Talboden bei. Die Landschaft werde durch die zusätzlich zu den bestehenden Betriebsstättenbezeichnungen angebrachte Plakatwand beeinträchtigt. Werbeeinrichtungen im Freiland fehle ein nachvollziehbarer Bezug zur Umgebung. Für den Betrachter wirkten solche Werbetafeln durch ihre Größe und Farbgebung insbesondere auch deshalb als Fremdkörper, da keine geschichtlichen oder kulturhistorischen Werte ablesbar seien. Es fehle ihnen der logische Beziehungsrahmen zur Landschaft in der unmittelbaren Umgebung (z.B. Hinweiseinrichtung - Raststätte, Almgebäude - Bergwiesen, Tankstelle - Straße). Hinweistafeln in Normausführung nach RVS 5212 hätten hingegen auf Grund ihrer bescheidenen Größe kaum Auswirkungen auf Landschaftsbild und Erholungswert. Derartige Anlagen fielen ähnlich wie Verkehrszeichen in der Landschaft nur wenig auf. Weitere und ausführlichere Begründungen seien im "Grundsätzlichen naturkundefachlichen Gutachten" der Abteilung Umweltschutz der Tiroler Landesregierung vom 17. November 1992 zur Errichtung von Werbetafeln enthalten.

Der Landesumweltanwalt habe sich ebenso gegen die Erteilung der beantragten Bewilligung ausgesprochen wie die Gemeinde K.

Auf Grund der im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen des TNSchG sei eine Bewilligung für die Errichtung einer Werbeeinrichtung nur zu erteilen, wenn die Interessen des Naturschutzes nicht beeinträchtigt würden. Da im vorliegenden Fall jedoch eine Beeinträchtigung der Naturschutzinteressen gegeben sei, sei das Ansuchen auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung abzuweisen gewesen.

Da die Werbeeinrichtung bereits ohne Bewilligung errichtet worden sei, sei die Entfernung der Werbeeinrichtung aufzutragen gewesen.

Die beschwerdeführende Partei berief.

Die belangte Behörde holte eine ergänzende Stellungnahme eines Amtssachverständigen für Naturschutz ein. Dieser führte zum Berufungsvorbringen, die Plakatwand helfe die Sicht auf die gelbe Wand des Hallenbaues zu verdecken, aus, die Hallenbauwand werde durch die gegenständliche Plakatwand nur teilweise verdeckt und dies auch nur von einer Fahrtrichtung aus gesehen. Von der entgegengesetzten Fahrtrichtung aus sowie im Bereich der Tankstelle selbst falle dieser Effekt gänzlich weg. Hier erscheine die Plakatwand dem Betrachter vielmehr als eine zusätzliche Anlage, welche den Blick auf das dahinterliegende, umgebende Freiland verstelle.

Zum Berufungsvorbringen, es handle sich im gegenständlichen Bereich um eine "moderne Kulturlandschaft", führte der Amtssachverständige aus, hinter der Tankstelle bzw. der Plakatwand breiteten sich landwirtschaftlich genutzte Kulturlandschaftsflächen aus. Die Behauptung, es handle sich hier um eine "moderne" Kulturlandschaft, sei unrichtig.

Mit Bescheid vom 31. Oktober 1994 wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Partei ab.

In der Begründung heißt es, dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei sei zunächst dahingehend zuzustimmen, daß das vom Amtssachverständigen für Naturkunde in seiner Stellungnahme vom 3. Februar 1994 zitierte Grundsatzgutachten der Abteilung Umweltschutz des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 10. November 1992 bezüglich Werbetafeln im Anlaßfall nur beschränkt herangezogen werden könne. Dieses Grundsatzgutachten beziehe sich im wesentlichen auf Werbeeinrichtungen im Freiland, welchen ein nachvollziehbarer Bezug zur Umgebung fehle. Auch die belangte Behörde sei der Ansicht, daß die gegenständliche Plakatwand auf Grund ihrer Lage in unmittelbarer Nähe zur Tankstelle sowie ihres Werbeinhalts zumindest einen nachvollziehbaren Bezug zur Tankstelle aufweise. Dieser Bezug zur Tankstelle werde jedoch dadurch relativiert, daß die Tankstelle bzw. die Werbeplakatwand im Freiland gelegen sei und, wie sich aus dem Foto des Amtssachverständigen vom 16. Februar 1992 zweifelsfrei ergebe, von - sehe man von der Bundesstraße ab - landwirtschaftlich genutzten Kulturlandschaftsflächen umgeben sei. Hinsichtlich dieser Kulturlandschaftsflächen sei festzustellen, daß hier der Werbeplakatwand sehr wohl ein nachvollziehbarer Bezug zur Umgebung fehle. Insoweit sei daher auch das vom Amtssachverständigen zitierte Grundsatzgutachten der Abteilung Umweltschutz heranzuziehen und sei insoweit auch das Gutachten des naturkundefachlichen Amtssachverständigen vom 3. Februar 1994 schlüssig und nachvollziehbar. Unabhängig davon sei jedoch festzuhalten, daß das naturkundefachliche Gutachten sich nicht allein in der Wiedergabe des Grundsatzgutachtens der Abteilung Umweltschutz erschöpfe, sondern auch auf die konkrete Situation vor Ort eingehe. So führe der Amtssachverständige aus, daß die gegenständliche Werbeeinrichtung auf Grund ihrer Größe, Ausgestaltung, aber auch auf Grund ihrer Lage als erste bauliche Anlage am Rand des Ortskernes von K und umgeben von größeren unverbauten Wiesenflächen das Landschaftsbild beeinträchtige. Der Hinweis der beschwerdeführenden Partei, daß die Werbetafel auch helfe, die Wand des Hallenbaues der Tankstelle abzudecken, sowie der Hinweis, es handle sich um eine moderne Kulturlandschaft, werde durch den Amtssachverständigen im ergänzenden Gutachten widerlegt.

Die hiezu erstattete Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei vermöge die Ausführungen der ergänzenden naturkundefachlichen Stellungnahme nicht zu entkräften. Richtig sei zwar, daß sich die Werbetafel in unmittelbarer Nähe zur Tankstelle und zur dahinterliegenden Hallenwand befinde. Daß entgegen dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei jedoch sehr wohl eine Verdeckungswirkung durch die Werbeplakatwand gegeben sei, ergebe sich nachvollziehbar aus der Stellungnahme des Amtssachverständigen sowie der im Akt erliegenden Fotografie. Diese zeige die Werbetafel zum Tankstellengebäude im Hintergrund seitlich derart verschoben, daß schon daraus eine - wenn auch nur teilweise - Verdeckungswirkung auf die Landschaft abgeleitet werden könne.

Zu der von der beschwerdeführenden Partei vorgebrachten Frage der modernen Kulturlandschaft, wonach die Landschaft im fraglichen Bereich alle Anzeichen einer zeitgemäßen Besiedlung, namentlich in geringerer Entfernung gelegene Ortschaften, eine Bebauung gemischter Art sowie diverse Werbeeinrichtungen aufweise, sei festzustellen, daß unter Zugrundelegung dieser Begriffsdefinitionen einer modernen Kulturlandschaft bei der auf Grund der wegen der Knappheit des Dauersiedlungsraumes gegebenen hohen Siedlungsdichte in Tirol nahezu jede noch landwirtschaftlich genutzte Fläche im Talbereich in näherer Entfernung zu einer sonstigen Siedlung oder Ortschaft gelegen wäre. Gerade deswegen sei jedoch darauf zu achten, daß Beeinträchtigungen auf Freilandabschnitten, wie es der gegenständliche zweifelsfrei darstelle, so gering wie möglich gehalten werden.

Auch die belangte Behörde sei der Ansicht, daß bereits die Tankstelle selbst eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes darstelle, der gegenüber die Beeinträchtigung durch die Werbetafel vergleichsweise gering ausfalle. Wie aus der dem Akt beigelegten Fotografie zu entnehmen sei, sei die Tankstelle bereits derzeit mit auffällig gefärbten Werbeeinrichtungen reichlich bestückt. In Anbetracht der die Tankstelle umgebenden landwirtschaftlich genutzten Kulturlandschaftsflächen sei jedoch nach Ansicht der belangten Behörde umsomehr auch hier danach zu trachten, daß jede zusätzliche Beeinträchtigung vermieden werde. Der Ansicht der beschwerdeführenden Partei, wonach wegen des dominanten Tankstellengebäudes selbst jede Erheblichkeit bzw. Störungswirkung der Werbeeinrichtung entfalle, könne sich die belangte Behörde nicht zuletzt wegen der beträchtlichen Größe der Plakatwand nicht anschließen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verleztung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die beschwerdeführende Partei bringt vor, zur vollständigen Ermittlung des Sachverhalts wären auch konkrete Maßangaben der Werbeeinrichtung sowie der Tankstellenanlage, insbesondere des Hallenbaues, weiters die Entfernung zwischen Hallenbau und Werbeeinrichtung nötig gewesen. Unzutreffend sei es, wenn die belangte Behörde einen Bezug der Werbeeinrichtung zur Umgebung verneine. Die Werbeeinrichtung habe keine Verdeckungswirkung auf die Landschaft und wirke auch in keiner Weise störend. Es sei fraglich, ob sie überhaupt im Landschaftsbild in Erscheinung trete. Die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft werde durch die Werbeeinrichtung nicht beeinträchtigt. Irrelevant sei, daß der Sachverständige einen Störungseffekt begutachtet habe. Die unmittelbar maßgeblichen Tatsachen stünden ausreichend fest, um die rechtliche Beurteilung vorzunehmen; diese sei Sache der Behörde. Wäre die Frage der Störungswirkung aber strikt an eine Begutachtung gebunden, so werde in eventu geltend gemacht, daß das Sachverständigengutachten nicht schlüssig sei.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 6 Abs. 1 lit. i TNSchG bedürfen die Errichtung, Aufstellung, Anbringung und Änderung von Werbeeinrichtungen außerhalb geschlossener Ortschaften einer Bewilligung. Davon ausgenommen sind gesetzlich vorgeschriebene Geschäfts- und Betriebsstättenbezeichnungen sowie Werbeeinrichtungen nach § 15 Abs. 7.

Nach § 15 Abs. 1 TNSchG ist die Bewilligung für die Errichtung, Aufstellung, Anbringung oder Änderung einer Werbeeinrichtung zu erteilen, wenn die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 weder durch die Größe, Form, Farbe oder Lichtwirkung der Werbeeinrichtung noch durch deren Errichtung, Aufstellung, Anbringung oder Änderung am vorgesehenen Ort beeinträchtigt werden.

Der im § 15 Abs. 1 TNSchG angeführte, mit "Allgemeine Grundsätze" überschriebene § 1 Abs. 1 TNSchG lautet:

"(1) Dieses Gesetz hat zum Ziel, die Natur als Lebensgrundlage des Menschen so zu erhalten und zu pflegen, daß

  1. a) ihre Vielfalt, Eigenart und Schönheit,
  2. b) ihr Erholungswert,
  3. c) der Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume und

    d) ein möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt

    bewahrt und nachhaltig gesichert oder wiederhergestellt werden. Die Erhaltung und die Pflege der Natur erstrecken sich auf alle ihre Erscheinungsformen, insbesondere auch auf die Landschaft, und zwar unabhängig davon, ob sie sich in ihrem ursprünglichen Zustand befindet oder durch den Menschen gestaltet wurde (Kulturlandschaft)."

Für die Lösung der Frage, ob das Landschaftsbild durch einen menschlichen Eingriff nachteilig beeinflußt wird, ist entscheidend, ob sich der Eingriff harmonisch in das Bild einfügt; im Falle des Vorhandenseins das Landschaftsbild (mit-)prägender anthropogener Eingriffe ist maßgeblich, wie sich die beabsichtigte Maßnahme in das vor ihrer Errichtung gegebene und durch die bereits vorhandenen menschlichen Eingriffe mitbestimmte Wirkungsgefüge der bestehenden Geofaktoren einpaßt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1995, Zl. 94/10/0176, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Das im Akt erliegende Foto, welches die Sachverhaltsfeststellungen der Amtssachverständigen bestätigt und ergänzt, zeigt, daß die Werbeeinrichtung in völlig unharmonischem Kontrast zu der sie umgebenden Landschaft steht und diese daher beeinträchtigt. Dies gilt nicht nur für die unmittelbare Umgebung, sondern in noch stärkeren Ausmaß für die - bei der erforderlichen großräumigen Betrachtung einzubeziehende (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1995, Zl. 94/10/0176) - Bergkulisse, zu der die Werbeeinrichtung in einem deutlichen räumlichen Bezug steht und vor deren Hintergrund sie sich grob störend abhebt. Insbesondere zeigt das Foto, daß die Werbeeinrichtung als naturfremdes Element auch zu der - im Grundsatzgutachten erwähnten -, den Interessen des Naturschutzes abträglichen optischen Aufsplitterung des Gebietes führt und zwar auch bei Berücksichtigung der bereits vorhandenen Störelemente wie z.B. des Hallenbaues.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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