VwGH 95/08/0159

VwGH95/08/01594.7.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde der C in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den aufgrund eines Beschlusses des gemäß § 56 Abs. 3 und 4 in Verbindung mit § 59 AlVG zuständigen Ausschusses ausgefertigten Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien, Landesgeschäftsstelle, vom 28. April 1995, Zl. 12/7022/7100 B, 920/2667 10 10 44, betreffend Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs2;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs2;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde und dem ihr beigeschlossenen, angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die seit 1. Juli 1994 im Notstandshilfebezug stehende Beschwerdeführerin wurde vom Arbeitsmarktservice zur Firma "A" zum Zwecke des Zustandekommens eines Dienstverhältnisses zugewiesen. Nach dem - mit den Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde im wesentlichen übereinstimmenden - Beschwerdevorbringen war der Geschäftsführer dieses Unternehmens bei der ersten telefonischen Vorsprache der Beschwerdeführerin am 20. Dezember 1994 nicht anwesend und es sei ein Vorstellungstermin für den 29. Dezember 1994 vereinbart worden. Bei dieser Vorsprache habe eine Mitarbeiterin des Geschäftsführers einen Telefonkontakt zu diesem hergestellt. Da im Stellenangebot ein "Einstiegsgehalt ca. ab S 15.000,-- brutto, richtet sich auch nach Alter und Erfahrung" nur ungefähr angegeben gewesen sei, habe die Beschwerdeführerin in diesem Telefonat auf ihre Qualifizierung und Vordienstzeiten verwiesen. Auf ihre Frage nach der Gehaltseinstufung habe der Geschäftsführer mit der Gegenfrage nach einem Gehaltswunsch geantwortet, den sie mit S 23.000,-- brutto bekanntgegeben habe. Daraufhin habe der Geschäftsführer erklärt, dies komme nicht in Frage und das Telefonat beendet. In weiterer Folge sei der Beschwerdeführerin von einer Mitarbeiterin das Stellenangebot mit dem Vermerk "nicht eingestellt" ausgehändigt worden.

Mit Bescheid vom 26. Jänner 1995 sprach das Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste den Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe für die Zeit vom 15. Jänner 1995 bis 11. Februar 1995 gemäß § 10 in Verbindung mit § 38 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 aus.

Der gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung wurde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Ferner wurde ausgesprochen, daß eine Nachsicht gemäß § 10 Abs. 2 AlVG nicht gewährt werde. Nach Wiedergabe der von der belangten Behörde angewendeten gesetzlichen Bestimmungen und des Verwaltungsgeschehens vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß die zugewiesene Beschäftigung kollektivvertraglich entlohnt und daher (für die Beschwerdeführerin) im Hinblick auf ihren seit 1. Juli 1994 währenden Notstandshilfebezug auch zumutbar gewesen sei. Sie habe aber diese zumutbare Beschäftigung abgelehnt und dadurch den Tatbestand des § 10 Abs. 1 AlVG erfüllt. Die geltend gemachten Nachsichtsgründe hätten nicht unter den Tatbestand des § 10 Abs. 2 AlVG subsumiert werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG 1977, BGBl. Nr. 609, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 314/1994, ist arbeitswillig, wer (u.a.) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Gemäß § 9 Abs. 2 AlVG ist eine Beschäftigung zumutbar, die den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist und dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert. Die letzte Voraussetzung bleibt bei der Beurteilung, ob die Beschäftigung zumutbar ist, außer Betracht, wenn der Anspruch auf den Bezug des Arbeitslosengeldes erschöpft ist und keine Aussicht besteht, daß der Arbeitslose in absehbarer Zeit in seinem Beruf eine Beschäftigung findet.

Gemäß § 10 Abs. 1 AlVG verliert der Arbeitslose für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden vier Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn er sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt.

Gemäß § 10 Abs. 2 AlVG kann der Ausschluß von Bezug des Arbeitslosengeldes in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie z. B. der Aufnahme einer anderen Beschäftigung, ganz oder teilweise nachgesehen werden. Vor dieser Nachsicht sowie vor Erlassung einer Entscheidung gemäß Abs. 1 ist der Regionalbeirat anzuhören.

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides führt die Beschwerdeführerin aus, daß der Zweck der Zuweisung zu einer Beschäftigung im Sinne des Arbeitslosenversicherungsgesetzes durch die Aufnahme der zugewiesenen Beschäftigung nicht verwirklicht worden wäre, da bei einem Bruttogehalt von S 15.000,-- und einem dementsprechenden Nettobezug von rund S 11.450,--, bei Wohnungskosten von S 5.300,--, die Beschwerdeführerin jedenfalls auf den Bezug einer Wohnbeihilfe angewiesen gewesen wäre und die Suche nach einem die Lebenshaltungskosten des Versicherten deckenden Arbeitsplatz, wie er damals bei einer näher bezeichneten Bauunternehmung in Aussicht gestanden sei, aus damaliger Sicht der Vorzug zu geben gewesen sei. Jedenfalls stelle dies eine Voraussetzung für die Nachsicht im Sinne des § 10 Abs. 2 AlVG dar, worüber die belangte Behörde überdies ohne Anhörung des Vermittlungsausschusses entschieden habe.

Mit ihren Ausführungen, wonach das in Aussicht gestellte Entgelt für die zugewiesene Beschäftigung nicht ausreichend gewesen wäre, um die Lebenshaltungskosten der Beschwerdeführerin abzudecken, wird der Sache nach die mangelnde Zuweisungstauglichkeit der zugewiesenen Beschäftigung im Hinblick auf die Höhe des angebotenen Entgelts geltend gemacht.

Damit verkennt die Beschwerdeführerin jedoch das Kriterium der "angemessenen Entlohnung" im Sinne des § 9 Abs. 2 AlVG, welches nicht auf die individuelle Bedarfssituation des Arbeitslosen abstellt, sondern auf objektive Gegebenheiten des Arbeitsmarktes. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist daher als angemessene Entlohnung im Sinne des § 9 Abs. 2 AlVG das nach dem (im konkreten Fall anzuwendenden) Kollektivvertrag gebührende Entgelt anzusehen. Das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmales ist im Hinblick auf die gebotene Entlohnung für die konkret zugewiesene Beschäftigung zu prüfen (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 23. Mai 1989, Zl. 88/08/0161, mit zahlreichen Hinweisen auf die Vorjudikatur). Die Beschwerdeführerin zieht nicht in Zweifel, daß das angebotene Entgelt von "ca. ab S 15.000,-- brutto" diesen Kriterien entsprochen hat, d.h. nicht hinter den Mindestentgelten des anzuwendenden Kollektivvertrages zurückgeblieben ist. Damit erweist sich aber der angebotene Arbeitsplatz unter dem Gesichtspunkt der angemessenen Entlohnung als grundsätzlich zuweisungstauglich.

Die danach zu beantwortende weitere Frage, ob der von der Beschwerdeführerin nach Anfrage durch den Geschäftsführer geäußerte Gehaltswunsch von S 23.000,-- für die Nichteinstellung ursächlich gewesen ist, ist ebenfalls zu bejahen: Dies ergibt sich zunächst aus der Beschwerdeerzählung selbst, wonach der Geschäftsführer daraufhin erklärt habe "dies komme nicht in Frage" und die Beschwerdeführerin angewiesen habe, den Telefonhörer an eine Mitarbeiterin des Unternehmens zu übergeben, von der ihr in weiterer Folge das vom Arbeitsamt mitgegebene Stellenangebot mit dem Vermerk "nicht eingestellt" ausgehändigt worden sei. Auch räumt die Beschwerdeführerin ein, daß ihr bei ihrer Vorsprache im Arbeitsmarktservice am 16. Jänner 1995 mitgeteilt worden sei, das genannte Unternehmen habe ihre Nichteinstellung damit begründet, sie hätte das Stellenangebot abgelehnt und ein monatliches Bruttogehalt von S 23.000,-- gefordert.

Die Beschwerdeführerin behauptet in ihrer Beschwerde zwar, daß ihr die belangte Behörde in diese Stellungnahme keine Einsicht gewährt und dadurch das Parteiengehör verletzt habe, führt jedoch nicht näher aus, inwieweit sie dadurch in ihren Rechtsverfolgungsmöglichkeiten gehindert wurde, entspricht doch der ihr von der Behörde bekanntgegebene Sachverhalt im wesentlichen dem von ihr selbst eingeräumten Ablauf der Ereignisse.

Die weitere Untersuchung der Frage, ob in der Bekanntgabe eines Gehaltswunsches von S 23.000,-- unter den gegebenen Umständen eine Vereitelungshandlung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu erblicken ist, muß von der Überlegung ausgehen, daß der Arbeitslose - um sich in bezug auf eine vom Arbeitsamt vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen - jedes Verhalten zu unterlassen hat, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern (vgl. die Erkenntnisse vom 12. Mai 1992, Zl. 92/08/0051, und vom 24. November 1992, Zl. 92/08/0132).

Letzteres liegt insbesondere dann vor, wenn der Arbeitslose den Erfolg seiner (nach außen zutage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. neuerlich das bereits erwähnte Erkenntnis vom 24. November 1992, Zl. 92/08/0132).

Es kann in diesem Zusammenhang auf sich beruhen, ob die Beschwerdeführerin unter dem zuletzt genannten Gesichtspunkt berechtigt gewesen wäre, angesichts der im Stellenangebot angebotenen "ca. ab S 15.000,-- brutto" einen darüber liegenden Gehaltswunsch im Hinblick auf ihre Qualifikationen und Vordienstzeiten bekanntzugeben. Es mußte ihr jedenfalls klar sein, daß bei einem Gehaltsanbot "ab S 15.000,--" eine um rund 50 % über diesem Betrag liegende (endgültige, wie auch noch ihre Beschwerdeausführungen zeigen) Gehaltsforderung den Vorstellungen des potentiellen Dienstgebers auf keinen Fall entsprechen konnte. Die belangte Behörde hat daher das Verhalten der Beschwerdeführerin mit Recht als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG qualifiziert.

Zur Rüge der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde habe zu Unrecht keine Nachsicht erteilt bzw. ihren Bescheid ohne Anhörung des "Vermittlungsausschusses" (richtig nunmehr: Regionalausschusses) erlassen, ist zunächst darauf zu verweisen, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Unterlassung der in § 10 Abs. 2 AlVG angeordneten Anhörung des Regionalausschusses nicht schlechthin zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung führen könne, sondern nur dann, wenn überhaupt Anhaltspunkte für Gründe vorlägen, die berücksichtigungswürdig im Sinne des § 10 Abs. 2 AlVG sein könnten. Die Verletzung des Anhörungsrechtes wäre nämlich allenfalls ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften, dessen erfolgreiche Geltendmachung seine Relevanz voraussetzt (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 19. Juni 1990, Zl. 90/08/0084).

Gründe für eine Nachsichterteilung können nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber nur solche sein, die dazu führen, daß der Ausschluß vom Bezug des Arbeitslosengeldes (hier: der Notstandshilfe) den Arbeitslosen unverhältnismäßig härter träfe, als dies sonst ganz allgemein der Fall ist. Ein Bemühen um Beendigung der Arbeitslosigkeit stellt deshalb keinen solchen Grund dar, weil eine derartige Verpflichtung jeden Arbeitslosen trifft (vgl. das Erkenntnis vom 8. Juni 1993, Zl. 93/08/0111).

Die von der Beschwerdeführerin als Gründe einer Nachsicht in ihrer Beschwerde geltend gemachte beabsichtigte Aufnahme einer Beschäftigung (zu der es in der Folge nicht gekommen ist) kommt daher als Nachsichtsgrund nicht in Betracht. Auch der Umstand, daß durch das zugewiesene Beschäftigungsverhältnis die Beschwerdeführerin ihre hohe Wohnungskosten nur durch Inanspruchnahme einer Wohnbeihilfe hätten decken können, ist kein solcher Grund, zumal nicht erkennbar ist, inwieweit sich die soziale Lage der Beschwerdeführerin durch die Aufnahme einer solchen Beschäftigung im Verhältnis zum Bezug der Notstandshilfe zu ihrem Nachteil verändert hätte. Da somit geeignete Gründe für eine Nachsicht im Sinne des § 10 Abs. 2 AlVG von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht werden, liegt in der von der Beschwerdeführerin gerügten Nichtanhörung des Regionalbeirates kein relevanter Verfahrensmangel.

Da somit bereits die vorliegende Beschwerde erkennen läßt, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war sie ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 ASVG als unbegründet abzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte