Normen
AVG §42 Abs1;
AVG §44 Abs3;
AVG §53 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §7 Abs1;
BauO Stmk 1968 §61 Abs1 idF 1989/014;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2 idF 1989/014;
BauRallg;
AVG §42 Abs1;
AVG §44 Abs3;
AVG §53 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §7 Abs1;
BauO Stmk 1968 §61 Abs1 idF 1989/014;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2 idF 1989/014;
BauRallg;
Spruch:
1. den Beschluß gefaßt:
Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird als gegenstandslos erklärt.
2. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wird als unbegründet abgewiesen.
Der Erstbeschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und den Erst- und Zweitmitbeteiligten zusammen Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 11. Februar 1993, Zl. 90/06/0110, verwiesen, mit dem der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben hat. Die Aufhebung wurde damit begründet, daß, obwohl der Beschwerdeführer die Fertigung der Niederschrift für die Bauverhandlung verweigerte, die Vorschrift des § 14 Abs 3 AVG durch den Verhandlungsleiter nicht eingehalten wurde. Da die erforderliche Bestätigung im Sinne des § 14 Abs. 3 AVG durch den Verhandlungsleiter unterblieben sei, sei die volle Beweiskraft der Niederschrift nach Maßgabe des § 15 AVG nicht gegeben. Der Inhalt der Niederschrift unterliege in einem solchen Fall der freien Beweiswürdigung, es wäre daher ein ergänzendes Ermittlungsverfahren über die Vollständigkeit der Niederschrift durchzuführen gewesen.
Im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 17. März 1993 der Vorstellung des Erstbeschwerdeführers Folge gegeben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Gemeinde verwiesen, die mit Bescheid vom 30. Juli 1993 die Berufung des Erstbeschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 3. Oktober 1989 neuerlich als unbegründet abgewiesen hat. Der hierauf erhobenen Vorstellung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 7. Oktober 1993 neuerlich Folge gegeben und der Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 30. Juli 1993 wegen Verletzung von Rechten des Erstbeschwerdeführers neuerlich behoben, weil dem Erstbeschwerdeführer das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht vorgehalten wurde.
Im neuerlichen Rechtsgang wurden die bei der seinerzeitigen mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 1989 Anwesenden niederschriftlich vernommen, sodann wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 19. Mai 1994 neuerlich die Berufung des Erstbeschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 3. Oktober 1989 abgewiesen. Der dagegen eingebrachten Vorstellung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 19. Dezember 1994 keine Folge gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die Erst- und Zweitmitbeteiligten haben in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
ad 1):
Die Zweitbeschwerdeführerin hat noch vor Einleitung des Vorverfahrens ihre Beschwerde zurückgezogen; ihre Beschwerde
war daher als gegenstandslos zu erklären.
ad 2):
Strittig ist, ob der Erstbeschwerdeführer, der zur mündlichen Bauverhandlung vom 27. Juni 1989 als Anrainer nachweislich unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurde, in dieser Verhandlung rechtzeitig Einwendungen gegen das Bauvorhaben vorgenommen hat. Das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens hat die belangte Behörde mit Recht dahingehend zusammengefaßt, daß der Beschwerdeführer während der mündlichen Verhandlung einen "Einspruch" erhoben hat, trotz Aufforderung des Verhandlungsleiters, diesen Einspruch zu konkretisieren, aber ausgeführt hat, daß er die Gründe im Berufungsverfahren bekanntgeben werde. Vor Abfassung der Niederschrift über diese Verhandlung hat sich der Beschwerdeführer von der Verhandlung mit der Bemerkung entfernt, er werde das Haus der Bauwerber (der erst- und zweitmitbeteiligten Parteien) nicht betreten. Nach Abfassung der Niederschrift über die Verhandlung hat sich der Verhandlungsleiter auf das Grundstück des Erstbeschwerdeführers begeben, die Niederschrift wurde verlesen, der Beschwerdeführer hat sodann die Unterschrift mit dem Bemerken verweigert, daß die erforderlichen Abstände nicht eingehalten würden.
In der Beschwerde wird nun die Ansicht vertreten, zum Zeitpunkt der Vorlage der Niederschrift an den Erstbeschwerdeführer sei die Verhandlung noch nicht abgeschlossen gewesen, der Hinweis auf die Nichteinhaltung der Abstände sei somit noch rechtzeitig, nämlich vor Schluß der mündlichen Verhandlung erfolgt.
Gemäß § 44 Abs. 3 AVG hat der Verhandlungsleiter, sobald die zulässigen Vorbringen aller Beteiligten aufgenommen sind und die Beweisaufnahme beendet ist, die Verhandlungsschrift, insoweit die Beteiligten nicht darauf verzichten, zu verlesen oder, wenn von einem Schallträger Gebrauch gemacht wurde, die Wiedergabe der Aufnahme vorzunehmen und die Verhandlung gegebenenfalls nach mündlicher Verkündung des Bescheides (§ 62 Abs. 2) für geschlossen zu erklären.
Nun hat der Verhandlungsleiter zwar die mündliche Verhandlung nicht formell für geschlossen erklärt, aus der Formulierung des § 44 Abs. 3 AVG läßt sich jedoch ableiten, daß die wesentlichen Kriterien für den Schluß einer Verhandlung jedenfalls die Aufnahme der zulässigen Vorbringen aller Beteiligten sowie die Beendigung der Beweisaufnahme darstellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1993, Zlen. 92/07/0101, 92/07/0200).
Gemäß § 61 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung, LGBl. Nr. 149/1968 in der Fassung LGBl. Nr. 14/1989, ist über das Ansuchen eine örtliche Erhebung und mündliche Verhandlung unter Beiziehung der erforderlichen Sachverständigen durchzuführen, es sei denn, daß es bereits aufgrund der Prüfung der Pläne und Unterlagen oder wegen eines unlösbaren Widerspruches zu einem Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan und zu Bebauungsrichtlinien abzuweisen ist. Zur Bauverhandlung sind der Bauwerber, der Grundeigentümer, die Planverfasser, der Bauführer und die Nachbarn zu laden. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen. Diese werden in der Folge taxativ aufgezählt.
Aus § 61 Abs. 1 und 2 der Steiermärkischen Bauordnung ergibt sich, daß der Sinn der mündlichen Bauverhandlung der ist, dem Bauwerber, dem Grundeigentümer und den Nachbarn Gelegenheit zu geben, im Beisein der erforderlichen Sachverständigen das Bauvorhaben zu erörtern, sodaß jeder der Beteiligten Gelegenheit hat, auf das Vorbringen der anderen Verfahrensparteien einzugehen. Im Zusammenhalt mit § 44 Abs. 3 AVG ergibt sich damit sachverhaltsbezogen, daß die mündliche Verhandlung nach Abfassung der Niederschrift geschlossen war. Die Konkretisierung des "Einspruchs" erst zu einem Zeitpunkt, an dem weder die Bauwerber noch die Sachverständigen mehr anwesend waren, war somit außerhalb der mündlichen Verhandlung erfolgt, der Beschwerdeführer hat daher seine Einwendungen nicht rechtzeitig konkretisiert. Zu diesem Zeitpunkt hatten nämlich weder die Bauwerber noch der Sachverständige Gelegenheit, sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen. Mit Recht hat daher die belangte Behörde im Ergebnis das Vorliegen der Präklusion angenommen. Die Aussage "Einspruch" zu erheben und erst im Berufungsverfahren zu erklären, worauf sich der Einspruch gründet, kann nicht als Einwendung im Rechtssinn qualifiziert werden, weil sie nicht erkennen läßt, in welchen Rechten sich die Partei durch das Vorhaben verletzt erachtete.
Sowohl die Berufungsbehörde wie auch die Aufsichtsbehörde, sowie die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts sind an eine gemäß § 42 AVG eingetretene Präklusion gebunden (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. NF Nr. 10317/A u.a.).
Unter diesem Gesichtspunkt vermochte der Erstbeschwerdeführer mit seinem Hinweis in der Berufung, der von der Behörde beigezogene Bausachverständige sei befangen, und mit der Wiederholung dieses Vorbringens in der Beschwerde, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun: Die Beiziehung eines befangenen Sachverständigen stellt einen Verfahrensmangel dar, der jedoch nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führt, wenn die Behörde bei Unterlassung dieses Mangels zu einem anderen Bescheidergebnis gelangt wäre. Da aber selbst die Mitwirkung eines allenfalls befangenen Sachverständigen den Eintritt der Präklusionsfolgen nicht gehindert hätte und aufgrund der eingeschränkten Überprüfungsbefugnis der Berufungsbehörde der Gemeinderat die Präklusion zu beachten hatte, hätte schon der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde im Bescheid vom 19. Mai 1994 zu keinem anderen Ergebnis gelangen können. Durch die Abweisung der Vorstellung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde diesen daher in keinen Rechten verletzt.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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