VwGH 95/02/0017

VwGH95/02/00177.4.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Bernard, Dr. Riedinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 6. September 1994, Zl. MA 67-12/234/94, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung und Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung je in einer Angelegenheit der StVO, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §71 Abs1 Z1;
ZustG §13;
ZustG §2;
AVG §56;
AVG §71 Abs1 Z1;
ZustG §13;
ZustG §2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Beschwerdevorbringen und dem vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 17. Jänner 1994 wurden der Beschwerdeführerin die Kosten der Entfernung eines näher bezeichneten Pkw gemäß § 89a Abs. 7 und Abs. 7a StVO in der Höhe von S 1.260,-- vorgeschrieben. Dieser Bescheid wurde ihr am 25. Jänner 1994 "nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes" durch einen "Postboten" übergeben. Dies geschah derart, daß der Beschwerdeführerin der "Brief" vom Zustellorgan ausgefolgt wurde und dieses ihr mitteilte, daß sie den Empfang durch ihre Unterschrift bestätigen müsse, was auch - mit Hilfe des Zustellorgans - geschah.

Die Beschwerdeführerin erhob am 18. April 1994 Vorstellung gegen den Bescheid vom 17. Jänner 1994 und verband damit den Antrag, ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen eine allfällige Versäumung der Vorstellungsfrist zu gewähren. Sie begründete dies damit, daß sie blind sei und ihr daher "weder bekannt noch bewußt (gewesen sei), den Empfang welcher Sendung (sie) quittiert habe, noch (habe sie) Kenntnis davon (gehabt), daß mit der Übernahme eine Frist zu laufen (begonnen habe)." Ihr sei nicht bekannt gewesen, daß ihr ein Bescheid zugestellt worden sei, gegen den allenfalls fristgerecht hätte Vorstellung erhoben werden müssen. Sie lebe auf Grund ihrer Behinderung allein und besuche in "unregelmäßigen Abständen" den Österreichischen Blindenverband, der für sie auch bei den unregelmäßigen Besuchen die Post erledige, da sie "zu den dort beschäftigten Personen Vertrauen habe". Am 6. April 1994 habe sie anläßlich eines Besuches dort die zwischenzeitig erhaltenen Briefstücke mitgenommen, unter denen sich auch der gegenständliche Bescheid befunden habe; sie habe erstmals an diesem Tag Kenntnis vom Inhalt des Schriftstückes erhalten.

Mit Bescheiden des Magistrates der Stadt Wien vom 5. Mai 1994 und vom 6. Mai 1994 wurden sowohl die Vorstellung zurückgewiesen als auch der Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen.

Die dagegen erhobenen Berufungen wurden mit dem Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 6. September 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 28. November 1994, Zl. B 2174/94, die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab.

Dieser hat über die - ergänzte - Beschwerde erwogen:

Die Beschwerdeführerin wendet sich zunächst gegen die Ansicht, ihr sei der Bescheid rechtswirksam zugestellt worden; auf Grund ihrer Sehbehinderung habe sie keine Kenntnis vom Schriftstück und seinem Inhalt, insbesondere auch der mit einer Zustellung ausgelösten Fristen, erlangen können.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, daß sie über das Schriftstück verfügen konnte (vgl. die von der Beschwerdeführerin zitierte Belegstelle bei Feil, Zustellwesen2, Rz 2 zu § 1 Zustellgesetz; vgl. weiters zu § 31 AVG das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1969, Zl. 21/69, VwSlg. N.F. Nr. 7569/A, wonach ein Schriftstück dann tatsächlich zugekommen ist, wenn der Empfänger die für ihn bestimmte Ausfertigung ausgehändigt erhalten hat und somit frei darüber verfügen kann). Ob und in welcher Weise der handlungsfähige Empfänger (vgl. dazu etwa den hg. Beschluß vom 9. April 1965, Zl. 379/64, VwSlg. N.F. Nr. 6659/A) vom Inhalt des Schriftstückes Kenntnis nimmt, ist für die Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Zustellung weiter nicht von Belang.

Unter diesem Gesichtspunkt ist auch nicht zu erkennen, warum eine Zustellung (nur) dann rechtswirksam sein sollte, wenn der Empfänger - wie dies die Beschwerdeführerin vorbringt - in der Lage ist, "sofort nach Übernahme den Inhalt der Sendung, insbesondere auch eine Rechtsmittelbelehrung zur Kenntnis" zu nehmen.

Zusammenfassend ist daher von der Rechtswirksamkeit der vorgenommenen Zustellung auszugehen.

Gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Ein derartiges Ereignis liegt aber bei der Beschwerdeführerin nicht vor: Nach dem Beschwerdevorbringen ist davon auszugehen, daß die Sehbehinderung der Beschwerdeführerin nicht etwa plötzlich aufgetreten ist, sondern schon längere Zeit andauert. Unterläßt es daher die Beschwerdeführerin, - etwa durch Einholung von Auskünften seitens Dritter - dafür Sorge zu tragen, daß ihr der Inhalt zugestellter Behördensendungen innerhalb möglicher Rechtsmittelfristen rechtzeitig zur Kenntnis gelangt, kann von einem unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignis im Sinne des Gesetzes nicht gesprochen werden. Der Eintritt des Ereignisses hätte nämlich durch die Beschwerdeführerin ohne weiteres verhindert werden können. Durch die an sie ergangene Aufforderung, den Empfang eines bestimmten Schriftstückes zu bestätigen, hätte ihr zu Bewußtsein kommen müssen, daß es sich dabei um eine Angelegenheit von besonderer Bedeutung, die allenfalls die Einhaltung einer Frist erfordert, handeln könnte.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

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