VwGH 95/01/0059

VwGH95/01/00598.11.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Jänner 1995, Zl. 4.345.675/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Jänner 1995 wurde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. Jänner 1995 der am 2. Jänner 1995 gestellte Asylantrag des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen "der Jugoslawischen Föderation", der am 12. Dezember 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist - abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 4. Jänner 1995 - wie bereits in seinem Asylantrag - eine ihm drohende Verfolgung durch die Behörden seines Heimatlandes daraus abgeleitet, daß er von der "serbischen" bzw. "jugoslawischen" Armee im Raum Sarajewo desertiert sei. Von der Richtigkeit dieser Behauptung ist die belangte Behörde, die, neben eigenen Ausführungen, zum Ausdruck gebracht hat, daß "sie sich als Berufungsbehörde den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid vollinhaltlich anschließt und diese zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides erhebt", ausgegangen, dies ungeachtet dessen, daß sie den Angaben des Beschwerdeführers "bezüglich eines Kampfeinsatzes" mit der Begründung, "die Armee der Jugoslawischen Föderation" sei "nicht im Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina im Einsatz", keinen Glauben geschenkt hat, wurde doch dadurch die weitere Aussage des Beschwerdeführers, er sei "um Sarajewo" als Militärbeobachter tätig gewesen, nicht berührt. Ob der Beschwerdeführer dort überdies an Kampfhandlungen beteiligt war, ist für die rechtliche Beurteilung ohne Belang.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertigt die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes - worunter sowohl die Nichtbefolgung der Einberufung zum Militärdienst als auch nach dessen Antritt die Desertion zu verstehen ist - grundsätzlich die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht. Allerdings kann eine darauf zurückzuführende Furcht vor Verfolgung dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung bzw. unterschiedliche Behandlung während des Militärdienstes aus einem der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen schärfere Sanktionen drohen (vgl. dazu insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377). Die belangte Behörde hat "ganz allgemein angemerkt", daß die Furcht vor einer wegen Desertion drohenden, unter Umständen auch strengen Bestrafung die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht rechtfertige, daran anschließend aber Feststellungen in Ansehung der bestehenden Gesetzeslage im Heimatland des Beschwerdeführers wegen "Refraktion wie Desertion" getroffen, so auch jene, daß "das Gesetz keinen Unterschied in der Strafverfolgung und -bemessung hinsichtlich ethnischer Kriterien macht", und betont, daß der Beschwerdeführer nicht behauptet habe, daß ihm aus religiösen, ethnischen oder politischen Gründen eine höhere Strafe drohe. Durch die Übernahme der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides hat sie darüber hinaus auf die niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers Bezug genommen, wonach dieser seit seiner Geburt in Belgrad gelebt habe, wo auch sein Vater lebe und ein Geschäft betreibe. Der Beschwerdeführer habe zwar angegeben, daß sein Vater albanischer Abstammung sei; aus diesem Umstand könne aber keinerlei Nachteil für seine Person erblickt werden. Er diene seit Jahren für die Armee der "Bundesrepublik Jugoslawien" und habe zuvor für die Armee "der ehemaligen SFRJ" gedient. Seinem gesamten Vorbringen sei kein Hinweis zu entnehmen, daß er "seitens der serbischen Behörden einer Minderheitsgruppe zugerechnet" würde. Es sei daher davon auszugehen, daß er dieselben Rechte und Pflichten genieße "wie jeder andere Staatsangehörige der Bundesrepublik Jugoslawien".

Der Beschwerdeführer macht demgegenüber geltend, daß "aufgrund seiner Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe und des aktenkundigen Zwanges, der ihn dazu brachte, seinen Namen zu ändern, davon ausgegangen werden kann, daß er eine im Verhältnis zu anderen Deserteuren unverhältnismäßig schwere Strafe zu erwarten hätte". Ihm ist entgegenzuhalten, daß er bei seiner Vernehmung die Frage, welcher Bevölkerungsgruppe er angehöre, damit beantwortet hat, daß sein Vater Albaner, die Mutter "halb Serbin, halb Ungarin" und er in Belgrad geboren sei, wo er, ebenso wie seine Eltern, immer gelebt habe. Auf die weitere Frage, was der Grund für seine Desertion gewesen sei, hat er angegeben, daß er "nicht bei der Militärpolizei sein wollte und" seinen früheren Familiennamen R auf G habe ändern müssen. Letzteres habe er im Jahre 1991 tun müssen, "damit" er "Serbe" sei. Gefragt, was diese Namensänderung mit seiner nunmehrigen Desertion zu tun habe, hat der Beschwerdeführer erklärt, daß er mit seinem jetzigen Familiennamen "richtiger Serbe" sei und "daher immer wieder zum Militär müßte". Demnach ergab sich aber für die belangte Behörde kein Anhaltspunkt dafür, daß er von den Behörden seines Heimatlandes (jedenfalls auch noch nach der erfolgten Namensänderung) als Angehöriger der albanischen Volksgruppe angesehen werde und aus diesem Grunde mit irgendwelchen Benachteiligungen gegenüber Angehörigen anderer Volksgruppen, insbesondere der Serben, zu rechnen habe. Die belangte Behörde hatte daher - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - auch keine Veranlassung, diesbezüglich gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 (in der bereinigten Fassung nach der Kundmachung BGBl. Nr. 610/1994) eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen, zumal der Beschwerdeführer insoweit auch in der Berufung dessen Mangelhaftigkeit nicht gerügt hat, sondern vielmehr daraus hervorging, daß er "der Gruppenführer der desertierenden Gruppe war" und "dementsprechend" auch seine Strafe "wesentlich höher, härter und unmenschlicher als die anderer Deserteure ausfallen würde".

Es kann aber auch sonst nicht im Sinne des bereits erwähnten Erkenntnisses eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, gesagt werden, daß die belangte Behörde rechtlich das Problem eines vom Beschwerdeführer behaupteten Zusammenhanges zwischen seiner Desertion und einer der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 angeführten Verfolgungsgründe verkannt habe, wurde doch vom Beschwerdeführer im Zuge seiner erstinstanzlichen (unter Beiziehung eines Dolmetschers gemachten) Angaben (von denen er gar nicht behauptet, daß sie unrichtig oder unvollständig protokolliert worden seien) ein derartiger Zusammenhang überhaupt nicht hergestellt. Wenn der Beschwerdeführer nunmehr meint, es liege bei ihm "ein jenem Anlaßfall entsprechender Sachverhalt vor, welcher Gegenstand der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 8.2.1994, Zl. 93/01/0377-6 war", und der Zwang zur Teilnahme an einer von der Völkergemeinschaft geächteten und verurteilten militärischen Aktion begründe somit die Flüchtlingseigenschaft, so übersieht er, daß es sich bei der genannten "Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes" bloß um eine Berichterverfügung handelte, mit der den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die maßgeblichen Gründe für die Annahme eines Verstärkungsgrundes gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG im einfachen Senat mit der Möglichkeit zur Stellungnahme bekanntgegeben wurden, jedoch die darin vertretene Rechtsansicht im abschließenden, schon mehrfach zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates keinen Niederschlag gefunden hat. Dazu heißt es in diesem Erkenntnis lediglich, es sei vor dem Hintergrund der dargestellten Judikatur zu beachten, daß der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Befragung im erstinstanzlichen Verfahren als Fluchtgrund nicht wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen seiner politischen Gesinnung zum Ausdruck gebracht habe; auch unter Bedachtnahme auf die Lage im Heimatland des Beschwerdeführers und in den Nachfolgestaaten des früheren Jugoslawien, sowie die dazu vorliegenden Äußerungen von Organen internationaler Organisationen liege kein Anhaltspunkt dafür vor, die dem Beschwerdeführer nach seinen Behauptungen drohende Verfolgung wegen Wehrdienstverweigerung als eine aus Gründen der politischen Gesinnung anzusehen. Es brauche daher in weiterer Folge auf die von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens dazu vorgebrachten Argumente nicht eingegangen zu werden. Für den Standpunkt des Beschwerdeführers ist daher im Hinblick darauf, daß seinen Angaben im erstinstanzlichen Verfahren gleichfalls keine Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung zu entnehmen war, auch daraus nichts zu gewinnen.

Da sich somit die Beschwerde mangels Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers als unbegründet erweist, war sie schon aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, weshalb eine Auseinandersetzung damit, ob die belangte Behörde (durch Verweisung auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides) zusätzlich vom Ausschließungsgrund der Verfolgungssicherheit gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 zu Recht Gebrauch gemacht hat, entbehrlich war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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