VwGH 94/20/0795

VwGH94/20/079520.9.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des G in M, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 19. September 1994, Zl. Wa-107/94, betreffend Entziehung waffenrechtlicher Urkunden, zu Recht erkannt:

Normen

WaffG 1986 §6 Abs1;
WaffG 1986 §6 Abs2 Z4;
WaffG 1986 §6 Abs1;
WaffG 1986 §6 Abs2 Z4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 26. August 1992 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG. Mit diesem war dem Beschwerdeführer gemäß § 20 Abs. 1, 2 und 3 in Verbindung mit § 6 Waffengesetz 1986 der von der erstinstanzlichen Behörde am 1. März 1977 ausgestellte Waffenpaß Nr. 085185 und die am 22. Dezember 1975 ausgestellte Waffenbesitzkarte Nr. 041403 entzogen worden. Der bestätigende Berufungsbescheid konkretisierte die bezogenen Gesetzesstellen dahingehend, sodaß sie § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Z. 1 und 2 des Waffengesetzes 1986, BGBl. Nr. 434 (im folgenden: WaffG), zu lauten haben.

Die belangte Behörde führte in der Begründung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen aus, sie sehe auf Grund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens und des rechtskräftigen Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 28. Juni 1994, wonach der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen der Verwaltungsübertretung nach den §§ 9 Abs. 1 lit. a und 5 Abs. 1 StVO bestraft worden sei, weil er am 15. April 1992 um 20.50 Uhr im Ortsgebiet von M, F-Gasse 7, in Richtung B 49 den PKW mit dem Kennzeichen N xx1 gelenkt habe, obwohl er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe (Ergebnis der Atemalkoholuntersuchung: 0,81 mg/l = ca. 1,6 %o), als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer zum am oben angegebenen Zeitpunkt und am oben angegebenen Ort eine Faustfeuerwaffe geführt habe, obwohl er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Auf Grund des Ergebnisses der Atemalkoholuntersuchung ergebe sich eine doch erhebliche Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers zum Vorfallszeitpunkt. Das Führen von Schußwaffen bilde an sich schon eine enorme Gefahrenquelle, wobei das darin liegende Gefahrenrisiko aber schlechthin unkalkulierbar werde, wenn sich eine Waffe in der Hand eines Alkoholisierten befinde. Ein zum Führen von Schußwaffen Berechtigter handle daher in höchstem Maße verantwortungslos, wenn er sich in einen solchen Zustand versetze, obwohl er eine Schußwaffe mit sich führe. Die Tatsache des Führens einer Schußwaffe unter Alkoholeinfluß begründe alleine schon die waffenrechtliche Unverläßlichkeit, sodaß es belanglos sei, ob der Waffenbesitzer von der Schußwaffe in irgendeiner Form Gebrauch gemacht habe. Daran vermöge auch die Behauptung eines untadeligen Vorlebens des Beschwerdeführers nichts zu ändern. Das nach der Generalklausel des § 6 Abs. 1 WaffG zu beurteilende Verhalten des Beschwerdeführers rechtfertige nicht die Annahme, er werde Waffen nicht mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden sowie mit Waffen vorsichtig und sachgemäß umgehen und diese sorgfältig verwahren.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 20 Abs. 1 WaffG hat die Behörde spätestens alle fünf Jahre die Verläßlichkeit eines Inhabers eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte zu überprüfen. Ergibt sich hiebei oder aus anderem Anlaß, daß er nicht mehr verläßlich ist, so hat die Behörde diese Urkunden zu entziehen. Unter welchen Voraussetzungen die Behörde vom Fortbestand der Verläßlichkeit ausgehen kann und wann diese zu verneinen ist, ergibt sich aus § 6 des Gesetzes. Eine Person ist danach als verläßlich im Sinne des WaffG anzusehen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie

1. Waffen nicht mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;

2. mit Waffen vorsichtig und sachgemäß umgehen und diese sorgfältig verwahren wird;

3. Waffen nicht an Personen überlassen wird, die zum Besitz von Waffen nicht berechtigt sind (§ 6 Abs. 1 WaffG).

Im § 6 Abs. 2 WaffG werden demonstrativ jene Verurteilungen wegen bestimmter stafbarer Handlungen angeführt, auf Grund derer jedenfalls anzunehmen ist, daß die vom Gesetz geforderte Verläßlichkeit nicht vorliegt (insbesondere mit Gewalt verbundene Angriffe gegen Leib und Leben, Freiheit, fremdes Vermögen und die Sittlichkeit). § 6 Abs. 2 Z. 4 WaffG sieht vor, daß eine Person keinesfalls als verläßlich anzusehen ist, wenn sie öfter als zweimal wegen einer im Zustand der Trunkenheit begangenen strafbaren Handlung bestraft worden ist.

Der Beschwerdeführer bringt erstmals in seiner Beschwerde vor, er habe die Waffe im Zeitpunkt der Anhaltung nicht geführt, sondern er habe diese bloß transportiert, wobei sie sich in ungeladenem Zustande befunden habe. Mit diesem Vorbringen unterliegt aber der Beschwerdeführer dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG, weshalb es unbeachtlich ist.

Weiters macht der Beschwerdeführer die rechtswidrige Anwendung des § 6 Abs. 1 WaffG geltend, wobei er darauf hinweist, daß die gesetzten Handlungen seine "Vertrauenswürdigkeit" (richtig wohl: "Verläßlichkeit") nicht in Frage stellen könnten.

Die belangte Behörde ist zu Recht davon ausgegangen, daß der vorliegende Sachverhalt nicht unter die demonstrativen Tatbestände des § 6 Abs. 2 subsumiert werden könne. Da es sich bei den Tatbeständen des § 6 Abs. 2 WaffG um Anwendungsfälle der Generalklausel des Abs. 1 handelt, ist eine weitere Prüfung im Sinne des Abs. 1 erforderlich.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, daß die Wertung einer Person als verläßlich im Sinne des WaffG ihre gesamte Geisteshaltung und Sinnesart ins Auge fassen muß, weil der Begriff der Verläßlichkeit ein Ausdruck ihrer Wesenheit, nicht aber ein Werturteil über ihr Tun und Lassen im Einzelfall ist (vgl. die Erkenntnisse vom 6. Mai 1947, Slg. Nr. 84/A, vom 27. Jänner 1970, Zl. 680/69, vom 13. Mai 1987, Zl. 85/01/0154, vom 18. September 1991, Zl. 91/01/0061, u. a.).

Aus einer einmaligen Bestrafung wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges unter Alkoholeinfluß kann im vorliegenden Fall - auch wenn eine Waffe geführt wurde - aber nicht auf eine Geisteshaltung und Sinnesart geschlossen werden, die eine waffenrechtliche Unverläßlichkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 WaffG begründet.

Die belangte Behörde geht davon aus, daß selbst das Führen einer Schußwaffe unter Alkoholeinfluß bereits die waffenrechtliche Unverläßlichkeit begründe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 30. November 1976, Zl. 1655/76, ausgesprochen, daß Übertretungen der kraftfahrrechtlichen Bestimmungen in der Regel für sich allein nicht hinreichen, die Verläßlichkeit einer Person unter waffenrechtlichen Gesichtspunkten zu verneinen. Allerdings ist in dem dem Vorerkenntnis zugrunde liegenden Fall ENTSCHEIDEND hinzugetreten, daß der Beschwerdeführer im alkoholisierten Zustand nach Beendigung der gegen ihn geführten Amtshandlung ein Magazin in seine Pistole geschoben und unbefangenen Personen gegenüber den Eindruck erwecken konnte und erweckt hat, daß er unter Umständen von der Schußwaffe Gebrauch machen werde. Dies ist geschehen, obwohl der Beschwerdeführer von Exekutivorganen aufgefordert wurde, sein Handeln einzustellen.

Im Beschwerdefall liegt aber kein derartiges Verhalten des Beschwerdeführers vor. Es gab keinerlei mißbräuchliche Verwendung der Waffe, wobei auch keine diesbezüglichen Anstalten festgestellt werden konnten.

§ 6 Abs. 2 Z. 4 WaffG, der aber nicht darauf abstellt, ob eine Waffe bei der Tat geführt wurde, sieht vor, daß erst bei einer öfter als zweimal erfolgten Bestrafung wegen einer im Zustand der Trunkenheit begangenen strafbaren Handlung eine Person keinesfalls als verläßlich anzusehen ist. Auch daraus kann abgeleitet werden, daß das bloße Führen einer Faustfeuerwaffe im Zustand der Trunkenheit - selbst wenn erstmalig ein Kraftfahrzeug in diesem Zustande gelenkt wird - für sich allein noch nicht den Verlust der Verläßlichkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 WaffG in jedem Falle nach sich zieht. Es müssen noch weitere Umstände - wie sie z. B. im oben zitierten Erkenntnis Zl. 1655/76 vorlagen - hinzutreten, die jene Geisteshaltung, die zum Wegfall der Verläßlichkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 WaffG führt, erkennen lassen, weil die Verläßlichkeit jedenfalls kein Ausdruck eines Werturteils über Tun und Lassen im Einzelfall ist.

Da sohin die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, war aus den dargelegten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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