VwGH 94/18/0936

VwGH94/18/093629.6.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, in der Beschwerdesache des J in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 22. September 1994, Zl. SD 656/94, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs3;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwRallg;
AVG §63 Abs3;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I

1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 26. Mai 1994 war gemäß § 54 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt worden, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer, ein namibischer Staatsangehöriger, in Namibia gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

2. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 22. September 1994 gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück.

Begründend nahm die belangte Behörde als erwiesen an, daß der unter 1. genannte Bescheid dem Beschwerdeführer am 27. Mai 1994 zugestellt worden sei. Die zweiwöchige Berufungsfrist sei demnach mit 10. Juni 1994 abgelaufen. Innerhalb dieser Frist habe der Beschwerdeführer zwar eine Berufung eingebracht, jedoch werde in dieser lediglich der Antrag gestellt, den erstinstanzlichen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung zu beheben, ohne dies in irgend einer Weise zu begründen. Nach § 63 Abs. 5 AVG habe eine Berufung den Bescheid, gegen den sie sich richte, zu bezeichnen und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Wenngleich die Begriffsmerkmale eines derartigen Antrages nicht formalistisch ausgelegt werden dürften, entspreche die bloße Berufung wegen "Rechtswidrigkeit" ohne weitere Ausführung nicht dem Mindesterfordernis der genannten Gesetzesstelle. Der Beschwerdeführer hätte noch innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist, also bis 10. Juni 1994, eine Begründung nachbringen können. Er habe zwar eine nähere Begründung seiner Berufung in Aussicht gestellt, diese aber erst am 9. September 1994 nachgereicht. Die Berufung sei daher als verspätet zurückzuweisen gewesen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

II

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde bringt vor, die Berufung des Beschwerdeführers habe sich ausdrücklich auf die "unrichtige rechtliche Beurteilung der von mir geltend gemachten Abschiebungshindernisse bezüglich Namibia" gestützt. Die Behauptung der belangten Behörde, die Berufung sei in keiner Weise begründet worden, sei daher aktenwidrig.

1.2. Der Berufungsschriftsatz des Beschwerdeführers vom 10. Juni 1994 enthält tatsächlich die eben wiedergegebene Passage. Mit der Behauptung aber, daß die Erstbehörde die vom Beschwerdeführer im Verfahren geltend gemachten "Abschiebungshindernisse bezüglich Namibia" einer "unrichtigen rechtlichen Beurteilung" unterzogen habe, ermangelt dem Berufungsantrag, nämlich in Abänderung des erstinstanzlichen Ausspruches festzustellen, daß stichhaltige Gründe für die Annahme einer Bedrohung des Beschwerdeführers in Namibia gemäß § 37 Abs. 1 oder/und Abs. 2 FrG bestünden, keineswegs jegliche Begründung. Vielmehr hat der Beschwerdeführer mit seinem Hinweis auf die seiner Meinung nach "unrichtige rechtliche Beurteilung" der von ihm ins Treffen geführten "Abschiebungshindernisse bezüglich Namibia" hinreichend deutlich gemacht, womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt, zumal ohne weiters erkennbar ist, daß er sich mit den angesprochenen Hindernissen auf die in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides vom 26. Mai 1994 angeführten, von ihm geltend gemachten und seiner Ansicht nach zu einer Unzulässigkeit der Abschiebung seiner Person nach Namibia führenden Umstände bezogen hat. Die belangte Behörde hatte demnach vom Vorliegen eines begründeten Berufungsantrages i.S. des § 63 Abs. 3 AVG auszugehen (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1992, Zl. 92/18/0428).

2. Wenn die belangte Behörde zur Stützung ihres gegenteiligen Standpunktes in der Begründung des bekämpften Bescheides darauf hinweist, daß eine Berufung bloß wegen "Rechtswidrigkeit" bzw. "Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung" keine i.S. des § 63 Abs. 3 AVG ausreichende Begründung darstelle, so liegt dieser Beurteilung eine - in einem relevanten Ausmaß - verkürzende, mit der Aktenlage nicht in Einklang stehende Feststellung zugrunde. Dieser wesentliche Verfahrensmangel ist indes - woran die Ausführungen in der Gegenschrift keinen Zweifel lassen - auf eine Verkennung der Rechtslage zurückzuführen, vertritt doch die belangte Behörde dort unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die vom Beschwerdeführer "geltend gemachten Abschiebungshindernisse bezüglich Namibia" die verfehlte Auffassung, es sei darin "nicht einmal der Versuch" enthalten, darzulegen, "womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt."

3. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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