VwGH 94/13/0249

VwGH94/13/024915.3.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der Helga W in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat I, vom 4. August 1994, GZ 6/1-1140/94-05, betreffend Einkommensteuer 1989 bis 1991, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §983;
BAO §167 Abs2;
BAO §21;
BAO §22;
BAO §23;
EStG 1972 §27 Abs1;
EStG §27 Abs1 Z1;
EStG §27 Abs1;
KStG 1966 §8 Abs1;
KStG §8 Abs2;
VwRallg;
ABGB §983;
BAO §167 Abs2;
BAO §21;
BAO §22;
BAO §23;
EStG 1972 §27 Abs1;
EStG §27 Abs1 Z1;
EStG §27 Abs1;
KStG 1966 §8 Abs1;
KStG §8 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich Einkommensteuer 1991 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 865,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist mit einem Anteil von 99,7 % an der E GmbH beteiligt. Anläßlich einer abgabenbehördlichen Prüfung bei dieser GmbH wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführerin neben ihrem Geschäftsführerbezug - der für 1989 S 240.000,-- und für 1990 S 60.000,-- betragen habe - monatlich Geldbeträge erhalten habe (1989 insgesamt S 134.507,--, 1990 S 660.000,--). Nach den Ausführungen im Prüfungsbericht wurden diese "Entnahmen" auf einem Verrechnungskonto verbucht. Die Verbindlichkeiten auf diesem Konto seien verzinst worden. In den Streitjahren seien keine Rückzahlungen getätigt worden. Eine schriftliche Vereinbarung über Rückzahlungstermin, Fälligkeit der Zinsen und Kreditrahmen sei nach Aussage des Geschäftsführers Ing. Peter W (Ehegatte der Beschwerdeführerin) nicht erforderlich gewesen. Der Prüfer behandelte die Belastungen am Verrechnungskonto der Jahre 1989 und 1990 als verdeckte Gewinnausschüttungen. Im Jahre 1991, in dem keine "Entnahmen" getätigt wurden, war eine Verzinsung des Verrechnungskontos unterblieben. Der Prüfer vertrat hinsichtlich des Jahres 1991 die Meinung, die "Nichtverzinsung" des Verrechnungskontos in der zu Beginn des Prüfungszeitraumes ausgewiesenen Höhe stelle ebenfalls eine verdeckte Gewinnausschüttung dar.

Das Finanzamt folgte der Auffassung des Prüfers und erließ entsprechende Einkommensteuerbescheide. In der Berufung gegen diese Bescheide wurde ausgeführt, es handle sich bei den auf dem Verrechnungskonto ausgewiesenen Beträgen um eine Schuld der Beschwerdeführerin. Es sei geplant gewesen, ein der Beschwerdeführerin gehöriges Mietwohngrundstück zu verkaufen und den Erlös für die Rückzahlung der Schulden bei der Gesellschaft zu verwenden. Hinsichtlich 1991 sei aufgrund eines Irrtums eine Verzinsung des Verrechnungskontos nicht erfolgt.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der Streitjahre 1989 und 1990 war die belangte Behörde der Ansicht, es lägen keine ausreichend klaren Vereinbarungen, die einem Fremdvergleich standhalten, zwischen der Beschwerdeführerin und der GmbH vor. Die unverzinsliche Verrechnungsforderung bewirke hinsichtlich des Jahres 1991 eine verdeckte Gewinnausschüttung.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde von diesem Gerichtshof mit Beschluß vom 12. Oktober 1994, B 1964/94-3, abgelehnt. Gleichzeitig wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Abgabenrecht sind an die Anerkennung von Vereinbarungen zwischen einem die GmbH beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer und der Gesellschaft ebenso strenge Maßstäbe anzulegen wie an die Anerkennung von Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen. Derartige Abmachungen müssen von vornherein ausreichend klar sein und einem Fremdvergleich standhalten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. April 1993, 91/13/0194).

Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren nicht einmal Behauptungen darüber aufgestellt, aufgrund welcher Vereinbarungen die GmbH an sie monatliche Zahlungen geleistet hat. Erstmals in der Beschwerdeschrift ist von einem Darlehensvertrag die Rede. Abgesehen davon, daß es sich dabei um ein vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliches neues Vorbringen handelt, ist darauf zu verweisen, daß ein Darlehensvertrag als Realkontrakt erst mit der Übergabe der Darlehensvaluta in der Weise zustande kommt, daß der Darlehensnehmer darüber willkürlich verfügen kann. Dabei stellt die Rückzahlungsverpflichtung einen wesentlichen Bestandteil des Darlehensvertrages dar (vgl. neuerlich das Erkenntnis vom 14. April 1993, 91/13/0194, mit weiteren Hinweisen). Die Beschwerdeführerin hat von der GmbH eine Vielzahl einzelner Beträge erhalten. Da ein Darlehensvertrag jeweils eine konkrete Darlehensvaluta zum Gegenstand hat, wäre bei Zutreffen der nunmehrigen Argumentation der Beschwerdeführerin nicht von einem einzigen Darlehensvertrag, sondern von einer Vielzahl solcher Verträge auszugehen gewesen, die insgesamt die zu den Bilanzstichtagen ausgewiesene Darlehensschuld ergeben hätte. Der Abschluß einer solchen Vielzahl einem Fremdvergleich standhaltender Darlehensverträge wird von der Beschwerdeführerin aber auch nicht in ihrer Beschwerde behauptet. Auch über den jeweiligen Rückzahlungstermin der einzelnen auf dem Verrechnungskonto verbuchten Beträge wird in der Beschwerde nichts vorgebracht.

Zutreffend hat das Finanzamt im Rahmen des angestellten Fremdvergleichs auf das Fehlen von Sicherheiten der Beschwerdeführerin für die Verbindlichkeiten der Gesellschafterin hingewiesen. Demgegenüber macht der Umstand, daß im Rahmen des Jahresabschlusses Zinsen für 1989 und 1990 verbucht worden sind, für den Abschluß eines Darlehens- oder Kreditvertrages keinen Beweis.

Da im Beschwerdefall der Abschluß eines Rechtsgeschäftes - das nach seinem klaren, von vornherein festgelegten Inhalt auch zwischen Fremden abgeschlossen worden wäre - im Verwaltungsverfahren nicht einmal behauptet worden ist, ist die belangte Behörde zu Recht von verdeckten Gewinnausschüttungen hinsichtlich der Jahre 1989 und 1990 ausgegangen.

Hingegen ist die Beschwerdeführerin mit ihren Einwendungen betreffend das Streitjahr 1991 im Ergebnis im Recht. Zinsen, die einer Kapitalgesellschaft durch die Hingabe eines zinsenlosen Darlehens an einen Gesellschafter entgehen, bewirken zwar nach herrschender Auffassung eine verdeckte Gewinnausschüttung (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Oktober 1991, 91/14/0020, 0027). Eine verdeckte Gewinnausschüttung ergibt sich aber für ein bestimmtes Wirtschaftsjahr nicht schon deshalb, weil die Kapitalgesellschaft dem Gesellschafter bei Bestehen einer Verpflichtung zur Zinsenzahlung die Zinsen erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres in Rechnung stellte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Mai 1989, 88/14/0111). In der Berufung wurde hinsichtlich der Zinsen der zu Beginn des Prüfungszeitraumes (1. Jänner 1989) bestehenden Verbindlichkeit für das Kalenderjahr 1991 ausgeführt, eine Verzinsung sei irrtümlich unterblieben. Die Zinsen seien nachgefordert worden. Mit diesem Vorbringen, das gegen einen Verzicht auf die Einforderung abgereifter vereinbarter Zinsen gegenüber der Beschwerdeführerin spricht, hat sich die belangte Behörde aber im angefochtenen Bescheid nicht auseinandergesetzt. Durch diesen Begründungsmangel hat sie Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Dabei konnte dahingestellt bleiben, daß den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen war, aus welchen Gründen für die Zeit vor dem Jahre 1989 von der belangten Behörde einem Fremdvergleich standhaltende Vereinbarungen über diese Verbindlichkeiten angenommen worden sind.

Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich des Streitjahres 1991 gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kosten waren der Beschwerdeführerin im beantragten Ausmaß zuzusprechen.

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