VwGH 88/14/0111

VwGH88/14/011130.5.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde der C-Gesellschaft m.b.H. in S, vertreten durch Dr. Bertram Broesigke, Rechtsanwalt in Wien VI, Gumpendorfer Straße 14/22, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Salzburg, Berufungssenat II, vom 18. Februar 1988, Zl. 91-GA4BK-DZ/87, betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer für 1984, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §21;
EStG 1972 §27 Abs1;
KStG 1966 §8 Abs1;
BAO §21;
EStG 1972 §27 Abs1;
KStG 1966 §8 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.640,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

An der beschwerdeführenden GmbH war im Streitjahr 1984 einer der Gesellschafter mit 25 v.H. beteiligt. Gegenüber diesem Gesellschafter bestand während des Streitjahres eine Verrechnungsforderung der Beschwerdeführerin in der durchschnittlichen Höhe von S 477.894,--. Für diese Verrechnungsforderung berechnete die Beschwerdeführerin mit Buchungsanweisung vom 15. März 1985 Zinsen in Höhe von 6 %. Die belangte Behörde vertrat in dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid die Auffassung, die Beschwerdeführerin hätte dadurch, daß sie die Zinsen dem Gesellschafter nicht bis zum Ende des Wirtschaftsjahres 1984 in Rechnung gestellt habe, eine (bei ihr körperschaft- und gewerbesteuerwirksame) verdeckte Gewinnausschüttung bewirkt, die durch die Zinsenverrechnung vom 15. März 1985 nicht mehr hätte rückgängig gemacht werden können. Zudem werde nur ein Zinssatz von 8 % dem Umstand gerecht, daß es sich im gegenständlichen Fall um eine langfristige Forderung handle.

Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Es ist vom Schrifttum anerkannt und zwischen den Parteien unbestritten, daß Zinsen, die einer Kapitalgesellschaft durch die Hingabe eines zinsenlosen Darlehens an einen Gesellschafter entgehen, eine verdeckte Gewinnausschüttung bewirken (siehe z. B. Putschögl-Bauer-Quantschnigg, Die Körperschaftsteuer, § 8, Stichwort "Zinsen", Herrmann-Heuer-Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerkommentar19, § 6 KStG aF Anm. 174, Wiesner, Verdeckte Gewinnausschüttungen im Steuerrecht, SWK 1984 A I Seite 187, und Quantschnigg, Spezielle Probleme der verdeckten Gewinnausschüttung im Steuerrecht, ÖStZ 1985 Seite 163). Gleichermaßen anerkannt und unbestritten ist, daß auch eine unverzinsliche Verrechnungsforderung der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter zu einer solchen verdeckten Gewinnausschüttung führen kann (vgl. Herrmann-Heuer-Raupach, aaO, Anm. 183, und Wiesner, aaO). Die verdeckte Gewinnausschüttung hat in diesen Fällen ihre Wurzel darin, daß dem Gesellschafter Geldmittel kreditiert werden, ohne daß er zur Zahlung von Zinsen verpflichtet wäre. Die verdeckte Gewinnausschüttung resultiert also letztlich aus der fehlenden Verpflichtung zur Zinsenzahlung. Eine verdeckte Gewinnausschüttung ergibt sich aber für ein bestimmtes Wirtschaftsjahr nicht schon deshalb, weil die Kapitalgesellschaft dem Gesellschafter bei Bestehen einer Verpflichtung zur Zinsenzahlung die Zinsen erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres in Rechnung stellte. Eine spätere Verrechnung der Zinsen - etwa erst im Anschluß an eine Betriebsprüfung, die eine bisher fehlende Zinsenverrechnung aufdeckte - berechtigt lediglich zu der Frage, ob eine behauptete Zinsenvereinbarung tatsächlich abgeschlossen oder ob eine formal abgeschlossene Zinsenvereinbarung ernst gemeint war. Eine verspätete Zinsenverrechnung kann auch für sich eine verdeckte Gewinnausschüttung auslösen, z.B. in Form von der Kapitalgesellschaft entgangener Zinseszinsen. Der Verzicht auf die Einforderung abgereifter vereinbarter Zinsen gegenüber dem Gesellschafter hätte für das Jahr des Verzichtes eine verdeckte Gewinnausschüttung zur Folge. Keinesfalls kann aber schon deshalb eine verdeckte Gewinnausschüttung unterstellt werden, weil die Gesellschaft die vom Gesellschafter für das Jahr 1984 zu leistenden Zinsen erst im März des Folgejahres verrechnete. Wenn sich die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auf die hg. Erkenntnisse vom 26. März 1985, Zl. 82/14/0166, und vom 19. Mai 1987, Zl. 86/14/0179, beruft, so verkennt sie, daß es dort im wesentlichen um Leistungen der Gesellschaft an die Gesellschafter ging, mit denen die Gesellschaft während des Wirtschaftsjahres dem Gesellschafter (durch Kostenübernahme) Zahlungen oder geldwerte Vorteile zukommen ließ. Die dadurch bewirkten verdeckten Gewinnausschüttungen konnten nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis Zl. 86/14/0179) nur durch Rückforderung der Leistungen vom Gesellschafter bis spätestens zum Ende desselben Wirtschaftsjahres rückgängig gemacht werden. Im Beschwerdefall geht es jedoch um keine verdeckte Gewinnausschüttung durch Leistung der Gesellschaft an den Gesellschafter, sondern vielmehr um eine verdeckte Gewinnausschüttung durch Verzicht auf eine Leistung (Zinsenzahlung) des Gesellschafters an die Gesellschaft. Dieser Verzicht erfolgt nach dem Gesagten durch die Gewährung eines Darlehens (bzw. durch Kreditierung), für die den Gesellschafter keine Verpflichtung zur Zinsenzahlung trifft. Auf dem Boden der beiden Vorerkenntnisse - im besonderen des Erkenntnisses Zl. 86/14/0179 - folgt daraus, daß eine verdeckte Gewinnausschüttung durch Zinsenverzicht bewirkt gewesen wäre, wenn dem Gesellschafter bis zum Ende des Wirtschaftsjahres 1984 der gegenständliche Forderungsbetrag unverzinslich zur Verfügung gestanden hätte; eine "Rückgängigmachung" dieser verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne der beiden Vorerkenntnisse hätte - überträgt man die Grundsätze des Erkenntnisses Zl. 86/14/0179 auf den Beschwerdefall - höchstens in der Weise erfolgen können, daß für ein zunächst unverzinslich vereinbartes Darlehen bis spätestens zum Ablauf des Wirtschaftsjahres 1984 die Verzinsung vereinbart worden wäre. Nach Ablauf des Wirtschaftsjahres 1984 hätte für dieses Wirtschaftsjahr eine durch Zinsenverzicht wirksame verdeckte Gewinnausschüttung durch nachträgliche Zinsenvereinbarung nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Im Beschwerdefall ist jedoch, wie schon ausgeführt, lediglich davon auszugehen, daß für 1984 schon vor Ablauf dieses Jahres vereinbarte Zinsen erst im März 1985 angefordert wurden. Diese nachträgliche Anforderung hat mit der Rückgängigmachung einer - auf Grund der Verzinslichkeit gar nicht bewirkten - verdeckten Gewinnausschüttung nichts zu tun. Bezüglich der Verzinslichkeit der gegenständlichen Verrechnungsforderung aber hat die belangte Behörde nicht nur nichts Gegenteiliges festgestellt, sondern sogar unwidersprochen das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren wiedergegeben, daß das fragliche Verrechnungskonto schon immer verzinst worden sei.

Die Bedenken, welche die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid deshalb äußerte, weil die Beschwerdeführerin die strittigen Zinsen mittels Eigenbeleg verrechnet hatte, erscheinen unbegründet. Ist es doch im Wirtschaftsleben durchaus üblich, daß derjenige, bei dem ein Verrechnungskonto besteht, selbst über dieses Konto abrechnet. Im übrigen stellte die belangte Behörde ihre eben aufgezeigten Bedenken in der Gegenschrift zurück und geht nunmehr uneingeschränkt von einer "am 15. März 1985 vorgenommenen Verzinsung des Verrechnungskontos" aus.

Soweit dem angefochtenen Bescheid die Auffassung zu Grunde liegt, es sei durch Nichtverzinsung des Verrechnungskontos zu einer verdeckten Gewinnausschüttung gekommen, hat die belangte Behörde jedenfalls die Rechtslage verkannt.

In der Frage der Zinsenhöhe (6 oder 8 %) teilt der Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich die Auffassung der belangten Behörde, daß es dabei nicht im Sinne der Beschwerdeführerin um die Verzinsung von Arbeitnehmerdarlehen und die damit im Zusammenhang stehenden, für den Verwaltungsgerichtshof unbeachtlichen (siehe z. B. das Erkenntnis vom 12. Mai 1981, Zl. 14/3204/80) Erlaßregelungen, sondern nur darum gehen kann, zu welchen Zinskonditionen die Beschwerdeführerin gesellschaftsfremden Personen langfristig Geldmittel überlassen hätte. Der von der belangten Behörde herangezogene Anleihezinsfuß erscheint dem Verwaltungsgerichtshof eine für die Lösung dieser Frage an sich brauchbare Richtschnur (siehe auch Quantschnigg, aaO, Seite 164). Es ist jedoch auch in Rechnung zu stellen, daß der gebotene Fremdvergleich von der Sache her einen gewissen Spielraum läßt und nicht schon jede auch nur geringfügige Abweichung von einem Richtwert den Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung gebietet (vgl. Wiesner, aaO, Seite 184, sowie derselbe, Grundlagen der verdeckten Gewinnausschüttung nach Rechtsprechung und Verwaltungspraxis, SWK 1985, A I Seite 163 und das hg. Erkenntnis vom 20. September 1983, Zlen. 82/14/0273, 0274 und 0283). Eine Verzinsung von 6 gegenüber 8 % hält sich aber nach der Lage des Beschwerdefalles noch im zulässigen Toleranzbereich, vor allem wenn man berücksichtigt, daß es in absoluter Höhe um eine verhältnismäßig geringfügige Zinsendifferenz geht.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, insbesondere auch auf Art. III Abs. 2 dieser Verordnung.

Wien, am 30. Mai 1989

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