VwGH 94/08/0123

VwGH94/08/012321.3.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des M in H, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt, gegen den aufgrund des Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigen Bescheid des Landesarbeitsamtes Niederösterreich vom 19. April 1994, Zl. IVc 7022/7100 B, VNr. 2174 200669, betreffend Zuerkennung des Arbeitslosengeldes, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3 litf;
AlVG 1977 §12 Abs5;
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3 litf;
AlVG 1977 §12 Abs5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 13. Jänner 1994 stellte das Arbeitsamt Melk unter Berufung auf § 12 Abs. 3 lit. f des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) das Arbeitslosengeld des Beschwerdeführers ab 10. Jänner 1994 ein. Nach der Begründung besuche der Beschwerdeführer ab dem genannten Zeitpunkt einen ganztägigen Kurs im WIFI St. Pölten.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid des Arbeitsamtes bestätigt. Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer vom 10. Jänner bis 9. April 1994 den Vorbereitungskurs auf die Befähigungsprüfung für das Heizungsgewerbe besucht. Dieser Kurs, der jeweils von Montag bis Samstag ganztägig abgehalten worden sei, schließe nach § 12 Abs. 3 lit. f AlVG Arbeitslosigkeit aus, da es sich zweifelsfrei um eine Ausbildung in schultypischer Form handle (die Ausbildungsinhalte würden in Form eines ganztägigen Unterrichtes mit einem fixen Stundenplan vermittelt, zur Erreichung des Ausbildungszieles sei die Anwesenheit während des Unterrichtes erforderlich). Daraus ergebe sich, daß während des Schulbesuches keine Berufstätigkeit mit herkömmlichen Arbeitszeiten möglich sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG gilt insbesondere nicht als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2, wer in einer Schule oder einem geregelten Lehrgang - so als ordentlicher Hörer einer Hochschule, als Schüler einer Fachschule oder einer mittleren Lehranstalt - ausgebildet wird oder, ohne daß ein Dienstverhältnis vorliegt, sich einer praktischen Ausbildung unterzieht.

Gemäß § 12 Abs. 5 AlVG gelten Nach- und Umschulung und der Besuch einzelner Lehrkurse zur Erweiterung der fachlichen oder Allgemeinbildung nicht als Beschäftigung im Sinne der Abs. 1 und 2.

Für die Abgrenzung eines "geregelten Lehrganges" im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG von einem "einzelnen Lehrkurs" im Sinne des § 12 Abs. 5 AlVG ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht entscheidend, wie lange insgesamt die Schulungsmaßnahme dauert, und ob durch sie die Zeit (die übliche Arbeitszeit) des Anspruchswerbers, der sich ihr - entsprechend den für sie geltenden Richtlinien - unterzieht, vollständig oder doch überwiegend in Anspruch genommen wird. Maßgebend ist vielmehr, ob es sich bei einer Schulungsmaßnahme bzw. Lehrveranstaltung um einen der Ausbildung (auch der eigenen beruflichen Höherqualifikation:

vgl. die Erkenntnisse vom 19. Mai 1992, Zlen. 91/08/0188 und 91/08/0189) dienenden "geregelten Lehrgang" handelt, das heißt um eine schulähnliche (in Schulform organisierte) Ausbildung mit einem (ein bestimmtes Ausbildungsziel einschließenden) Lehrplan (arg. "geregelt"), einer gewissen Breite der vermittelten Ausbildung, also einem mehrere Gegenstände (Fächer) umfassenden Lehrplan (arg. "Lehrgang" statt "einzelner Lehrkurse") und erst daraus folgend einer vollständigen oder doch überwiegenden Inanspruchnahme der üblichen Arbeitszeit des Anspruchswerbers, der sich - entsprechend dem Lehrplan - dieser Ausbildung unterzieht. Nur eine solche hinsichtlich Art und Intensität schulähnliche Lehrveranstaltung vermag die unwiderlegliche Vermutung des Gesetzgebers zu rechtfertigen, daß derjenige, der an einer solchen Lehrveranstaltung teilnimmt, während dieser Zeit nicht an einer neuen Beschäftgigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG, sondern an der Erreichung eines bestimmten Ausbildungszieles interessiert ist, und daher nicht als arbeitslos gilt (vgl. das Erkenntnis vom 8. Juni 1993, Zl. 92/08/0129).

Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Frage, ob eine solche schulähnliche Lehrveranstaltung vorliegt, im wesentlichen deshalb bejaht, weil die "Ausbildungsinhalte in Form eines ganztägigen Unterrichts mit einem fixen Stundenplan vermittelt" würden, wobei "zur Erreichung des Ausbildungszieles die Anwesenheit während des Unterrichtes erforderlich" sei. Daraus ergebe sich, daß während des "Schulbesuches keine Berufstätigkeit mit herkömmlichen Arbeitszeiten" möglich sei.

Ob eine Ausbildung mit einem ein bestimmtes Ausbildungsziel einschließenden Lehrplan, einer gewissen Breite der vermittelten Ausbildung, also einem mehrere Gegenstände (Fächer) umfassender Lehrplan gegeben ist, wurde von ihr nicht erhoben. Ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht, daß schon wegen der obgenannten Umstände zweifelsfrei eine "schultypische Ausbildung" im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG vorliege, hat die belangte Behörde nicht geprüft, ob der Kurs den vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Kriterien entsprochen hat. Sie belastete daher den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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